St. Petersburg. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Russland seinen Frieden mit der Nato-Osterweiterung gemacht hat, dann wäre es wohl dieses Treffen: Einen Tag, nachdem das westliche Militärbündnis offiziell seine Ausdehnung auf ex-sowjetisches Gebiet bekannt gegeben hat, empfängt der russische Präsident seinen US-Kollegen zu einer Stippvisite in einem der prächtigsten Paläste seines Landes – wie als wäre nichts gewesen.
George W. Bush fliegt gegen Abend in St. Petersburg ein. Er kommt vom Prager Nato-Gipfel, wo gestern formell die Aufnahme der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sowie Bulgariens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens zum Mai 2004 beschlossen wurde. Das Russische Außenministerium monierte gestern zwar noch einmal pflichtbewusst „das Vorrücken des Militärpotentials der Nato an die russische Grenze nur einige Dutzend Kilometer von St. Petersburg entfernt“, aber als echte Bedrohung der russischen Sicherheit empfindet das im Kreml niemand mehr. Man hat jetzt schliesslich gemeinsame Interessen und Gegner – und Russland ist im Rahmen des 19+1-Abkommens ja selbst schon halbes Nato-Mitglied.
Russlands Nebenrolle in der Nato un deren zukünftiger Charakter, aber mehr noch Irak, Nordkorea, Ben Laden, die WTO, ein bisschen Tschetschenien und der Energie-Weltmarkt – so in etwa dürfte die Tagesordnung bei dem Treffen aussehen. Viel Zeit zum gründlichen Dialog haben die Präsidenten nicht. Das Arbeitsgespräch soll nur anderthalb Stunden dauern, Bush fliegt am Abend noch nach Wilna weiter, wo er sich mit den Staats-Chefs der drei frischgebackenen baltischen Nato-Mitglieder treffen wird.
Genau genommen kommt der US-Präsident auch gar nicht nach St. Petersburg: Vom Flughafen Pulkovo fährt er direkt ins nahegelegene Puschkin (ehemals Zarskoje Selo), wo ihn Putin vor dem prächtigen Katharinenpalast empfängt. Ein paar Protokollbilder, ein kleiner Rundgang durch den Spiegel-glänzenden Thronsaal und die goldüberladene Enfilade der Prunkräume (und damit erneut Gelegeneheit für Bush, sein Kulturverständnis wie zuletzt im Frühjahr in der Kasaner Kathedrale mit einem treffenden „Wow!“ auszudrücken) – und schon geht es an den Verhandlungstisch im „Blauen Salon“ – einer der dezentesten Säle des Palastes, was wohl der Arbeitsathmosphäre dienlich sein soll.
Während die Herren große Politik im kleinen Kreise (im Beisein der Außenminister und Sicherheitsberater) machen, werden die Gattinen Laura und Ludmila sich die Zarenresidenz und die dort permanent laufenden Sanierungsarbeiten etwas gründlicher ansehen – vor allem das weltberühmte Bernsteinzimmer, dessen Rekonstruktion im Mai abgeschlossen werden soll.
Das nächste Mal werden sich Bush und Putin vermutlich wieder auf dessen Heimaterde treffen – beim 300-Jahr-Fest von St. Petersburg im Mai. Der heutige Gipfel war allerdings nicht von langer Hand geplant: Eigentlich wollten die beiden Präsidenten Ende Oktober in Mexiko auf einer Pazifiksataaten-Konferenz zusammenkommen. Doch wegen der Moskauer Geiselnahme sagte Putin die Reise ab, worauf von der russischen Seite Puschkin als flughafennaher und dennoch präsentabler Treffpunkt zwischen Tschechien und Litauen vorgeschlagen wurde. Angeblich wollte der Kreml die Veranstaltung ursprünglich ins noch günstiger – geographisch wie geostrategisch - gelegene Kaliningrad legen. Aber der dortige Flughafen wäre Bushs Airforce one nicht gewachsen gewesen.
(ld/rUFO) |