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30-09-2003 Panorama |
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Die Armee ruft, die Rekruten hören lieber weg
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Von André Ballin, Moskau. Etwa 176.000 junge Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren werden zwischen 1. Oktober und dem 31. Dezember 2003 zur russischen Armee eingezogen. Jedes Halbjahr werden nur etwa 12 Prozent der Wehrpflichtigen tatsächlich zum Dienst einberufen. Der Dienst an der Waffe ist in Russland äußerst unbeliebt. Viele junge Männer versuchen ihm durch die Aufnahme eines Studiums oder das Vorlegen ärztlicher Atteste zu entgehen. Circa 1.800 Soldaten sind derzeit fahnenflüchtig.
Ungefähr die Hälfte der Männer kommt durch den Besuch einer Hochschule um den Armeedienst herum. Ein Drittel wird aus gesundhetilichen Gründen nicht eingezogen. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass Dienstunwillige ein entsprechendes Gesundheitszeugnis auch kaufen können. Zivildienst, wie er in Deutschland üblich ist, gibt es hingegen noch nicht als Alternative zur Armee. Wer also nicht über das nötige Kleingeld verfügt, um sich frei kaufen zu können, wird kaserniert.
Der Ausbildungsleiter der russischen Armee Generaloberst Nikolai Resnik nannte das Kontingent der einberufenen Wehrpflichtigen nur „teilweise den Anforderungen entsprechend, sowohl, was die Gesundheit, als auch, was die Allgemeinbildung der Rekruten angeht“. Dies habe Resniks Worten zufolge auch Einfluss auf die Disziplin der Soldaten und die Zahl der Fahnenflüchtigen.
Es gibt aber wohl auch noch andere Gründe dafür, dass regelmäßig Wehrpflichtige aus ihren Kasernen flüchten oder Amok laufen. Immer wieder werden Fälle systematischer Misshandlung von Soldaten durch ihre Vorgesetzten gemeldet.
Auch Andrej aus Taganrog in Südrussland kann über zahlreiche Fälle von Willkür in seiner ehemaligen Einheit berichten. Im Juli wurde er offiziell aus der Armee entlassen. Zwei Jahre war er in der Nähe Moskaus stationiert. Seinen Sold und den seiner Kameraden behielt der Offizier für sich ein. Dagegen zu klagen, kam Andrej nicht in den Sinn. „So etwa ist Gang und Gebe in der Armee“, sagt er. Kurz vor seinem Abschied wurde er vom Hund seines Vorgesetzten in die Hand gebissen. Eine Behandlung beim Arzt wurde ihm verweigert.
Bei Andrej sind die Wunden inzwischen verheilt, bei vielen anderen hat die Armeezeit bleibende Schäden hinterlassen. Das Komitee der Soldatenmütter wandte sich 2002 über 600 Mal an Gerichte, um gegen die Zustände in der Armee zu klagen. Misshandlungen und Gesetzlosigkeit führen zu schlechter Moral in der Truppe und dazu, dass etliche Rekruten nach dem Ende des Wehrdienstes unter psychischen Traumata leiden. Auch wenn seit 1. Juli diesen Jahres keine Alkoholiker mehr zum Dienst zugelassen werden: viele junge Männer werden gerade während ihrer Wehrdienstzeit zu Trinkern.
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