St. Petersburg. Gegen die unmenschlichen Zustände in der russischen Armee hilft offenbar nur noch ein Mittel: Die gequälten Wehrpflichtigen verlassen ihre Einheiten und machen sich auf den Weg zu den „Soldatenmüttern“ oder zur Staatsanwaltschaft. Der dritte Vorfall dieser Art in diesem Monat ereignete sich jetzt in Jekaterinburg. 13 Soldaten, die gestern unbewaffnet aus ihrer Kaserne verschwanden, meldeten sich heute Morgen bei der Staatsanwaltschaft der Garnison. Dort wurden sie zunächst einmal verhaftet - haben aber alle Chancen, dass ihr Verzweiflungsakt für sie ein gutes Ende nehmen wird.
Die 13 Soldaten hatten das Ziel ihrer Aktion gestern sogar noch ihren Kommandeuren angekündigt, bevor sie die Kaserne 30 Kilometer von Jekaterinburg verließen. Die wegen Quälereien durch Vorgesetzte und Dienstältere unerträglichen Zustände – im militärisch-bürokratischen Jargon „nicht regelkonforme Beziehungen“ genannt, umgangssprachlich „Dedowschtschina“ (in etwa: das Großvater-Prinzip) – ließen ihnen keine andere Wahl, erklärten sie. Trotz einer eingeleiteten Fahndung konnten die Soldaten nicht mehr aufgefunden werden. Offenbar gelangten sie nach Jekaterinburg, bevor die Kontrollen an den Straßen verschärft wurden.
Ein Ermittlungsverfahren gegen die Soldaten wegen unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst wurde zunächst nicht eingeleitet. Die Militärstaatsanwaltschaft untersucht aber den Vorgang und seine Hintergründe.
Erst am 16. Dezember hatten sechs Soldaten der Luftabwehr-Streitkräfte aus ähnlichen Motiven ihre Einheit verlassen.
Anfang Dezember sorgte eine Massenflucht von 16 Soldaten aus der als Eliteeinheit bekannten Tamansker motorisierten Schützendivision für Aufsehen. Auch sie beklagten sich über wiederholte Misshandlungen durch einen Offizier, der zudem seine Untergebenen auch noch um ihren Sold betrog. Die von einem Unteroffizier angeführte Gruppe zog von ihrem Standort im Moskauer Umland direkt zum Büro des Verbandes der Soldatenmütter, wo sie ihre Beschwerden zu Protokoll gaben.
Gegen den brutalen Oberleutnant wurde von der Militär-Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Soldaten sollten für ihre Flucht nicht bestraft werden, sondern nur nach Abschluss der Untersuchungen in andere Einheiten versetzt werden, hieß es.
(ld/rUFO)
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