Moskau. Tennisbek Baiysow ist ein netter junger Mann mit regelmäßigen Gesichtszügen und einem einnehmenden Lächeln. Wenn er sitzt, so stützt er das Kinn nicht in die Hand, sondern in die Fußsohle. Seine Kniegelenke schauen nicht wie bei anderen Menschen nach vorne, sondern wie bei einem Insekt nach hinten. Ein Knie wurde jetzt im kirgischen Bischkek operiert.
Nicht einmal erfindungsreiche Filmleute waren bisher darauf gekommen. Es gab den Spiderman und den fledermausartigen Batman, aber noch nie einen Heuschreckenmann. Nach vorne gebückt kroch Tennisbek wie das hüpfende Insekt auf allen Vieren. Denn seine Knie waren nach hinten gerichtet und seine Beine schlugen nach vorne aus. Damit war die Ähnlichkeit allerdings zu Ende, weil er natürlich nicht hüpfen konnte.
Ein Schwarzweißfernseher war im gottverlassenen kirgisischen Dorf Kasarman seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Wie die „Komsomolskaja Prawda“ berichtete, brach er nach einer Sendung über die chirurgische Zentralklinik in Bischkek zu einer Reise in die Republikhauptstadt auf. Provinzärzte rieten davon ab. Nur in Europa oder den USA wäre die unerschwinglich teure Operation möglich, sagten sie.
In Bischkek wagte ein kirgischer Professor es auf eigene Faust und Rechnung. Helfen wollte er. Außerdem war es für ihn eine Herausforderung. In den letzten 50 Jahren war keine Pathologie dieser Art weltweit in der medizinischen Literatur beschrieben worden. Tatsächlich gehören Operationen am Kniegelenk im Westen zum Standard. Im Fall des „Heuschreckenmannes“ mussten aber auch Sehnen, Nerven und Muskeln verändert und teilweise protesiert werden.
Das rechte Knie wurde durch ein Metallgelenk ersetzt. Vier Chirurgen brauchten mehrere Stunden dafür. Das Linke kommt je nach dem Ergebnis der ersten Operation später an die Reihe. Tennisbek besteht darauf. Er will wie alle Menschen gehen lernen – koste es, was es wolle.
(adu/rufo)
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