Von Johanna Mischke, Kaliningrad. Am Tag nach dem Beben: In der Stadt stürmt es stark. Baugerüste schwanken bedenklich, lose Dachbleche scheppern im Wind, die Bäume biegen sich tief - der Sturm scheint gefährlicher als die Erdstösse am Dienstag. Die Instruktionen meiner Bekannten, die in ihrem Leben in Kasachstan, Kirgisien oder Aserbaidschan Dutzende von Erdbeben erlebt haben, lauteten für den Fall der Fälle: „Unter den Türrahmen stellen."
Doch die Befürchtungen, dass dem Erdbeben am gestrigen Nachmittag in der Nacht weitere Erdstösse folgen könnten, bestätigten sich zum Glück nicht.
Das Leben geht wieder seinen normalen Gang. Am Neubau der Erlöserkirche drehen sich die Kräne, Lenin steht unbeeindruckt auf seinem Sockel. In den Läden unterhalten sich die Verkäuferinnen über die Ereignisse am Vortag. Ein deutscher Geschäftsmann erzählt, wie ihm gestern nach dem zweiten starken Erdstoß die Leute aus einem Supermarkt entgegenströmten und von umgestürzten Regalen und Kassiererinnen, die fluchtartig ihre Kassen verliessen, berichteten.
Zwei Epizentren
Wie die „Kaliningradskaja Prawda“ berichtet, lag das Epizentrum des gestrigen zweiten und dritten Bebens bei der Ortschaft Laduschkin, südwestlich von Kaliningrad, das Zentrum des ersten Bebens hingegen nordwestlich der Stadt in Richtung Swetlogorsk. Der Kaliningrader Nicolai Suchanow, der sich zu diesem Zeitpunkt zufällig in dem Ostseeort aufhielt, bestätigt, dass dort infolge des Bebens mehr Gebäudeschäden als in Kaliningrad angerichtet wurden.
Nach seiner Rückkehr nach Kaliningrad blieb er bis abends um 11 mit seiner Frau auf der Strasse. Erst der aufkommende Sturm und Regen trieb die beiden ins Haus, in dem sie dann eine unruhige Nacht verbrachten.
Andere blieben hingegen völlig gleichmütig. Auf die Frage, wie und wo sie die Nacht verbracht hat, zuckt meine Nachbarin in der fünften Etage des Plattenbaus nur gleichmütig mit den Schultern und antwortet: „Na wo wohl, hier zu Hause natürlich“.
Bei Sima Skolowa, 78, die in einem alten deutschen Haus in Kaliningrad wohnt, sitzt der Schreck hingegen tiefer. Bei den gestrigen Erdstössen fielen bei ihr die Gläser aus dem Schrank und in ihrer Decke und den Wänden wurden Risse sichtbar.
Als Bilanz des gestrigen Erdbebens zieht das Amt für Zivil- und Katastrophenschutz folgende Bilanz: 17 Verletze, vor allem in Folge herunterfallender Dachziegel und während überstürzter Evakuierungen. Zudem wurden vereinzelt geringe Gebäudeschäden gemeldet.
Innere Angespanntheit
Am heutigen Nachmittag ruft mich ein Bekannter an. Er erzählt, dass im Radio vor neuen Erdstössen gewarnt und sein Bürogebäude deshalb abermals geräumt wurde. Also doch noch Nervösität. Auch wenn äußerlich also alles unbeschädigt erscheint - die Erfahrungen des gestrigen Tages wirken bei den Kaliningradern nach.
(jm/.rufo)
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