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16-09-2004 Panorama |
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Kamikaze-Passagiere hatten bereitwillige Helfer
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St. Petersburg. Die beiden Tschetscheninnen, die sich Ende August in zwei Tupolew-Maschinen in die Luft sprengten, waren zuvor am Flughafen Domodedowo der Polizei aufgefallen. Doch weder bei dieser „Antiterror-Kontrolle“ noch später, als sie sich in größter Eile und mit Schmiergeld bei einem Spekulanten Flugtickets beschafften, erregten die beiden sprengstoffbehängten Frauen den Argwohn der Sicherheitskräfte.
Gestern veröffentlichte die unter Leitung von Verkehrsminister Igor Lewitin gebildete staatliche Untersuchungskommission der Abstürze einer Tu-154 bei Rostow-am-Don und einer Tu-134 im Gebiet Tula ihre Erkenntnisse. Demnach gibt es keine Vorbehalte gegen die Crew oder den technischen Zustand der beiden Flugzeuge. Beide wurden in einem zeitlichen Abstand von nur zehn Sekunden am 24. August um 22.53 Uhr durch eine Explosion auf einem der hinteren Sitze im Flug zerstört. Innerhalb von zwei bis drei Sekunden brachen die Hecks beider Flugzeuge ab, was unweigerlich zum Versagen aller Bordsysteme und zum Absturz führte.
Zu verhindern gewesen wäre die 90 Tote fordernde Doppelkatastrophe dagegen am Flughafen Domodedowo, wo die beiden Kamikaze-Attentäterinnen am 24. August gegen 19.45 in Begleitung zweier Männer aus Tschetschenien mit einem Flug aus Machatschkala eintrafen. Die Gruppe fiel Milizionären auf, die von allen vier die Ausweise einforderten und sie zu einem Miliz-Hauptmann brachten. Dieser „Diensthabende zur Terrorabwehr“ ließ das Quartett jedoch gleich wieder ziehen – ohne die Identität und das Gepäck der Reisenden weiter überprüft zu haben. Der Polizist ist weiterhin im Dienst: Laut „Kommersant“ habe er nach eigenen Aussagen „keine gesetzliche Grundlage zur Verhaftung und Durchsuchung“ der Passagiere gehabt.
Wie Zeugen und die Bilder der Überwachungskameras bestätigen, versuchten die Tschetscheninnen Aminat Nagajewa und Sazita Dshebirchanowa anschließend in größter Eile, Tickets für die nächsten Flüge nach Wolgograd und Sotschi zu bekommen, die um 21.20 und 21.25 Uhr starten sollten. Der Ticketverkauf war aber bereits abgeschlossen.
In dieser Situation bot ein gewisser Armen Artjunjan seine Dienste an – einer jener auch auf Bahnhöfen typischen Spekulanten mit guten Beziehungen hinter geschlossene Verkaufsschalter und Bürotüren. Er half Dshebirchanowa ein Ticket nach Sotschi für den nächsten Tag zu erwerben – und dieses anschließend beim offiziellen Vertreter der Airline „Sibir“ auf den anstehenden Flug nach Sotschi umzuschreiben. Für den handschriftlichen Vermerk auf dem Flugschein bekam der Sibir-Mann laut den Ermittlern 1.000 Rubel aus den 5.000 Rubeln, die der Spekulant von den Tschetscheninnen für seine Hilfe einkassiert hatte.
Zwei Minuten vor Abschluss des Check-ins passierte die mit einem Sprengstoffgürtel behängte Terroristin die Sicherheitskontrollen des Airports. Die Metalldetektoren schlugen dabei nicht an – vermutlich war auch der Zünder des Plastiksprengstoffs aus Kunststoff gefertigt.
Die andere Attentäterin erreichte ihr Wunschflugzeug nach Wolgograd jedoch nicht. Der Spekulant verschaffte der deshalb hysterisch herumschreienden Frau jedoch ein Flugticket für einen eine Stunde später startenden Flug von Wolga-Aviaexpress. Auch Nagajewa passierte anschließend die Abflugkontrollen anstandslos – wie bei ihrer Mittäterin bezeugt dies der zurück gebliebene entsprechende Ticketabschnitt.
Der Flugschein-Spekulant und der Sibir-Vertreter sind gegenwärtig in Haft. Die Fluggesellschaft erklärte allerdings gestern, dass ihr Repräsentant gegen keinerlei Regeln verstoßen habe, als er der Passagierin zum verfrühten Abflug verhalf. „Seine Hauptaufgabe besteht darin, Fluggästen bei Umbuchungen zu helfen. Die Zugangskontrolle zu den Flugzeugen liegt in Händen des Sicherheitsdienstes des Flughafens“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens.
Wie die Untersuchungskommission gesondert festhielt, gibt es gegenwärtig in Russland nicht einmal testweise Prüfgeräte, mit denen nicht-metallhaltige Sprengstoffpakete am Körper von Personen entdeckt werden könnten.
Wobei es in diesem tragischen Fall wohl nicht unbedingt einen unter die Kleidung spähenden Röntgen-Scanner gebraucht hätte, sondern nur eine oberflächige Leibesvisitation – verbunden mit etwas mehr Misstrauen seitens der für die Terrorabwehr und Flugsicherheit zuständigen Beamten und Flughafenmitarbeiter. (ld/.rufo)
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