Von Susanne Brammerloh, St. Petersburg. Seit 1952 nimmt die UdSSR bzw. Russland an den Olympischen Spielen teil. Athen-2004 sind also die 13. Spiele mit russischer Beteiligung (1984 wurde Los Angeles aus politischen Gründen boykottiert). und imenser Medaillenausbeute: 1281 Stück Edelmetall sackten die Athleten ein, davon 499 Mal Gold. Die erste Goldmedaille in Athen wird also die 500. in der russischen Olympia-Geschichte.
Der Weg Russlands nach Olympia war nicht einfach. Obwohl eine russische Delegation am ersten olympischen Kongress im Juni 1894 teilgenommen hatte, auf dem die Wiedereinführung der Olympischen Spiele beschlossen wurde, traten die ersten Athleten erst 1912 in Stockholm in Aktion. Zwar waren bereits 1906 Aktive nach Athen gereist, aber nicht zum Wettbewerb angetreten.
Danach war 40 Jahre Pause. 1924 wollten russische Exilanten eine Mannschaft nach Paris schicken, aber das Internationale Olympische Komitee wies diese Initiative zurück. Die junge Sowjetrepublik hatte damals wohl andere Sorgen als sich um den Sport zu kümmern. Doch nicht nur das – Olympia war in der UdSSR lange Jahre ideologisch verpönt als Unternehmen der Imperialisten und des Großbürgertums. Dem stellte man eigenständige Arbeiterolympiaden und internationale Spartakiaden entgegen.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wendete sich das Blatt. 1951 erfolgte die Aufnahme der UdSSR in die olympische Weltgemeinschaft, und 1952 war es soweit – die Sowjetunion zog in Helsinki mit einer eigenen Mannschaft ein. Die Ostblockmannschaften waren damals noch in einem eigenen olympischen Dorf untergebracht, aber der Damm war gebrochen, und seitdem waren die Spiele ohne die starken Athleten aus dem Ostblock nicht mehr denkbar.
Nun beginnt der Kampf der Systeme
Schon 1936 in Berlin waren die Spiele hochpolitisiert gewesen, aber nun wurde die Politik über Jahrzehnte hinweg zu einem ärgerlichen, aber unvermeidbaren Bestandteil der olympischen Bewegung. Der Kalte Krieg stand in vollster Blüte, und Olympia musste herhalten zum Beweis der Hegemonie des einen wie des anderen Systems. Siegte der Ostblock, siegte der Sozialismus. Und siegen hatte der gelernt. Sport hatte in der Sowjetunion oberste Priorität, war Aushängeschild für Kraft und Macht des heraufziehenden Kommunismus.
Den Höhepunkt dieses Abschnitts der olympischen Geschichte der Neuzeit bildeten sicher die Boykotte von 1980 und 1984. Die Spiele in Moskau sollten zum endgültigen Triumph des sowjetischen Sports werden, aber der Einmarsch in Afghanistan veranlasste eine ganze Reihe westlicher Staaten (angeführt von der Hauptkonkurrenzmacht USA), ihnen den Boykott auszusprechen. Vier Jahre später antworteten die Ostblockstaaten (außer Rumänien) mit gleicher Münze und blieben den XXIII. Spielen in Los Angeles fern.
Neuordnung nach dem Zerfall der Sowjetunion
1992 erscheint mit der GUS (Gemeinschaft unabhängiger Staaten) dann ein neuer Staatenbund auf den Anzeigetafeln von Albertville und Barcelona. In den Jahren zuvor hatten sich in den ehemaligen Sowjetrepubliken eigenständige nationale olympische Komitees gebildet. Seit 1996 tritt Russland mit einer eigenen Mannschaft an.
Die postsowjetische Entwicklung verlief im russischen Sport genauso schmerzhaft wie in allen anderen Gesellschaftssphären. Die große Umwälzung vom staatlich gelenkten Vorzeigeobjekt zum großen Kommerz ist bis heute nicht abgeschlossen. Viele Sportarten kämpfen bis heute um die grundlegende Erneuerung der technischen Basis.
Aber Vorzeigeobjekt bleibt der Sport auch heute – nur starten die russischen Olympioniken jetzt nicht mehr zu Ehren des Sieges einer lichten kommunistischen Zukunft, sondern sind mehr und mehr Patrioten ihres großen russischen Vaterlandes. (sb/.rufo)
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