Von André Ballin, Serpuchow. Es knirscht und kracht, als der Bulldozer über den Berg von etwa 30.000 CDs und Kassetten hinwegrollt. Am 4. Juni waren die schwarz gebrannten Tonträger von der „zentralen operativen Zollverwaltung“ beschlagnahmt worden. Am Mittwoch wurde die ursprünglich für den deutschen Markt bestimmte „Piratenware“ öffentlich „hingerichtet“.
Auf den CDs waren bekannte russische Popsänger und die Gewinner der russischen Fernsehsendung „Fabrika Swjosd“ („Sternenfabrik“), einem Pendant zu „Deutschland sucht den Superstar“, zu hören. Da in Deutschland mehrere Millionen Auswanderer aus der Sowjetunion leben, hat sich hier für russische Popmusik inzwischen ein großer Markt gebildet.
Auf den spekulierten offenbar auch die Hersteller der Raubkopien. Nach Angaben der Zollverwaltung hatte das beschlagnahmte Paket einen Wert von 820.000 Rubeln (23.000 Euro) in Russland. Der Verkaufswert in Deutschland dürfte allerdings deutlich darüber liegen. Wie und wo die CDs beschlagnahmt wurden, wollten die Zöllner nicht verrraten. „Eine operative Information“ (, was wohl soviel heißt,wie ein anonymer Hinweis) habe zur Beschlalgnahme geführt, hieß es lediglich.
Zwar sei die Qualität der CDs deutlich höher als vergleichbare Produkte aus China, sagte der Direktor der Zentralen Zollverwaltung Viktor Wikulin, „aber da sie gegen das Urheberecht verstoßen, müssen sie trotzdem vernichtet werden.“ 61 Fälle von Urheberrechtsverletzung sind in diesem Jahr von der Zentralen Zollverwaltung aufgedeckt worden. Neben Musik werden auch andere Markenwaren gern kopiert. So werden in Russland u.a. auch falsche Adidas-Sportwaren hergestellt.
Sergej Schurygin, der beim Zoll die Abteilung für Copyright-Fragen leitet, teilte mit, dass in diesem Jahr schon mehrfach technische Waren mit gefälschten Papieren nach Litauen oder Deutschland abgefangen wurden. „Wie hoch der Anteil der Plagiate ist, lässt sich schwer sagen, aber wenn wir von etwa 30 Prozent Piraten-Anteil am Export in diesem Bereich ausgehen, bedeutet das, dass die Schwarzhändler enorme Gewinne machen, sagte er.
Das Werk, dass die Raubkopien herstellte, konnte allerdings noch nicht ausfindig gemacht werden. Zwar hatten Ermittler des Innenministeriums im April eine CD-Fabrik in Puschkino geschlossen, aber damit wurde gerade mal ein Bruchteil der Schwarzproduktion vom Markt genommen.
Die administrative Strafe, die die Zollverwaltung verhängen kann, ist mit 30 Tagessätzen relativ gering. Da es sich bei dem Fund in Serpuchow jedoch um eine größere Ladung handelt, wird wohl auch noch ein Strafverfahren von Innenministerium und Staatsanwaltschaft in die Wege geleitet. Die Höchststrafe für derartige Delikte beträgt in Russland fünf Jahre Haft. Nur die 30.000 Raubkopien erhielten gleich die „Todesstrafe“.
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