St. Petersburg. Die kleine Stadt Tichwin im Leningrader Gebiet erwartet ein festliches Ereignis – am 9. Juni soll die Rückgabe der Ikone der Gottesmutter von Tichwin an das orthodoxe Kloster des Ortes erfolgen. Sie war 1944 von einem Priester außer Landes geschafft worden und sollte zurückkehren, „wenn der Orthodoxie keine Gefahr mehr droht“. Dieser Augenblick ist jetzt gekommen.
Erzbischof Johann hatte die 500 Jahre alte Ikone Ende 1944 aus dem Mariä-Entschlafen-Kloster in Tichwin zunächst ins Baltikum und dann nach Amerika gebracht. Laut seinem Testament sollte sie zu dem Zeitpunkt nach Russland zurückkommen, wenn die orthodoxe Kirche keinen Verfolgungen von Seiten des Staates mehr ausgesetzt ist.
In der Stadtverwaltung von Tichwin sieht man in der Rückkehr der Ikone einen symbolischen Akt. Sie gehört zu den am meisten verehrten Heiligenbildern Russlands und steht auf einer Stufe mit den Ikonen der Gottesmutter von Smolensk, von Kasan und von Wladimir. Heute befindet sich allerdings keine einzige davon auf russischem Gebiet. Zwei gingen verloren, die Kasaner Ikone befindet sich in Jerusalem, die Tichwiner bisher noch in Chicago in den USA.
Der heutige „Verwalter“ des Heiligenbildes hatte bereits im letzten Jahr angekündigt, dass er die Ikone dem Tichwiner Kloster übergeben wolle. Nach einem Treffen mit dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Alexi II., wurde die Festzeremonie auf den 9. Juni 2004 festgelegt.
Zu der Feier werden außer Alexi II. weitere Honoratioren erwartet, u.a. Präsident Wladimir Putin. Damit steht die Verwaltung des kleinen Provinzzentrums vor großen Problemen: Die Straßen müssen in Ordnung gebracht werden, die Fassaden in der Innenstadt brauchen frische Farbe, Parkplätze und Hotelbetten müssen her. Die aus dem Budget des Leningrader Gebiets extra für dieses Ereignis bereitgestellten 15 Millionen Rubel (ca. 430.000 Euro) reichen dafür bei weitem nicht aus, und man hofft auf die Finanzhilfe von privaten Investoren.
Restaurierungsbedürftig ist nämlich auch das Mariä-Entschlafen-Kloster selbst. Alle nötigen Arbeiten am Kloster werden auf rund 43 Millionen Rubel (1,2 Millionen Euro) veranschlagt. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass Tichwin 2002 in das staatliche Programm zur Wiedergeburt der historischen Städte aufgenommen wurde. Für die Zukunft bedeutet dies eine regelmäßige finanzielle Unterstützung bei der Restaurierung der historischen Bebauung.
Das Fest der Übergabe der wundertätigen Ikone kann Tichwin den Anstoß geben, sich in Zukunft in ein Tourismus- und Investitions-Zentrum zu entwickeln, schreibt die Tageszeitung „Delowoi Peterburg“. Zurzeit sieht es damit noch schlecht aus. Die Stadt konnte bisher nur 180 Besucher gleichzeitig mit Hotelbetten versorgen. Erwartet werden Anfang Juni allerdings Zehntausende von Gästen.
Zwar ist das einzige Hotel bereits in privater Hand und wird gerade erweitert, aber Anfang Juni wird man größtenteils auf Verlegenheitslösungen ausweichen müssen – Wohnheime, ein Kinder-Sommerlager unweit von Tichwin und Zeltplätze sollen vor allem die vielen erwarteten Pilger aufnehmen. Die Eisenbahn-Verwaltung könnte zudem mehrere Schlafwagen zur Verfügung stellen.
Drei neue Hotels sind allerdings bereits im Bau. Und unweit der Stadt wird ein Elite-Komplex aus Ferienhäusern für jeweils mehrere Dutzend Gäste hochgezogen. Die Stadtväter gehen davon aus, dass die private Initiative gerade auf das Fest Anfang Juni zurückzuführen ist, denn die Investoren rechnen sich aus, dass das Entschlafen-Kloster von nun an zu einer viel besuchten Stätte wird und sich ihre Kapitaleinlagen also bald rentieren werden.
(sb/.rufo)
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