Moskau/Ufa/Zürich. „Wir trauern mit der Witwe des Ermordeten“, sagt eine Sprecherin der Hinterbliebenen des Flugzeugabsturzes über dem Bodensee. Am Mittwochmorgen wurde bekannt, dass der Skyguide-Fluglotse, der mit seinem falschen Fluganweisungen im Juli 2002 das Passagierflugzeug mit 69 Menschen in den Tod gelenkt hatte, von einem Unbekannten in seiner Wohnung erstochen wurde. „Kein normaler Mensch würde einen Racheakt verüben“, erklärt ein Sprecher der baschkirischen Präsidentenadministration.
Ob die Tat vom Dienstagabend mit der Flugzeugkatastrophe in einem Zusammenhang steht, sei unklar, sagte der schweizer Bezirksanwalt Pascal Gossner am Mittwoch.
Das Opfer, ein 36-jähriger Däne, hatte in der Nacht des Unglücks Dienst gehabt. Nach Bekanntwerden der Tat herrschte bei der für den süddeutschen Raum zuständigen Schweizer Luftsicherung Trauer, aber auch Angst. Sieben Mitarbeiter erschienen nicht zum Dienst. Bei russischen Hinterbliebenen der Opfer löste der Mord Bestürzung aus.
In jener Nacht des 1. Juli 2002, etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht, saß der jetzt erstochene Vater von drei Kindern im skyguide-Gebäude in Zürich vor dem Radarschirm. Vor dem Zusammenprall einer russischen Passagiermaschine mit 69 Insassen und einem Frachtflugzeug des Kurierdienstes DHL mit zwei Piloten an Bord hatte er einem Kollegen noch eine Pause zugestanden. So hatte er alleine mehrere Plätze zu überwachen. Außerdem funktionierte die Telefonlage nicht richtig. Der 36-jährige Däne war nach der Katastrophe suspendiert worden und arbeitete später bei skyguide nicht mehr als Fluglotse.
skyguide waren wegen der Vorgänge in der Unglücksnacht viele Vorwürfe von Experten gemacht worden, aber auch seitens der Hinterblieben der Opfer, hauptsächlich Kinder und Jugendliche aus der russischen Teilrepublik Baschkirien, die auf dem Weg in die Ferien in Spanien waren. Der endgültige Untersuchungsbericht wird Ende März erwartet.
Nach Angaben von Martin Sorg von der Kriminalpolizei Zürich hatte der Lotse mit dem etwa 50-jährigen noch flüchtigen Täter auf dem Balkon einen Wortwechsel gehabt. Über den Inhalt machte die Bezirksanwaltschaft keine Angaben. Der Mann habe gebrochenes Deutsch gesprochen - ob mit osteuropäischem Akzent, sei offen. Schweizer Medien berichteten, der Wortwechsel habe sich nicht um den Absturz gedreht. Dann habe der Täter zugestochen. Der Däne sei noch am Tatort verblutet.
Die Hinterbliebenen der Absturzopfer zeigten sich bestürzt. "Wir trauern mit der Witwe und den Kindern des Mannes", sagte die Angehörigen-Sprecherin Julia Fedotowa am Mittwoch in der russischen Teilrepublik Baschkirien der dpa. Fedotowa hielt es für ausgeschlossen, dass jemand von den Angehörigen hinter der Bluttat stehen könnte. Die Hinterbliebenen der insgesamt 69 russischen Todesopfer hätten ein großes Interesse an einer Aussage des Fluglotsen vor Gericht gehabt, sagte Fedotowa.
Nach dem Mord an ihrem 36-jährigen Kollegen erschienen am Mittwoch sieben Flutlotsen des Schweizer Luftüberwachers skyguide nicht zum Dienst. Am Flughafen Zürich kam es zu Verspätungen. Die Zahl der Überflüge im Luftraum Zürich wurde aus Sicherheitsgründen zunächst um 40 Prozent gesenkt. In einer bereits schwierigen Zeit in der Zivilluftfahrt habe dieser Mord skyguide schwer getroffen, sagte der sichtlich bewegte skyguide-Direktor Alain Rossier vor Journalisten in Zürich: "Wir sind zutiefst erschüttert."
Mitarbeiter, die nicht in der Lage seien zu arbeiten, könnten zu Hause bleiben. Es sei für sie und ihre Familien auch polizeilicher Schutz organisiert worden.
(dpa/mig/rufo)
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