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13-09-2002 Panorama

Motiv: Öl-Milliarden oder Fußball-Millionen?

Sergej Kukura/foto: ntvru.comSt. Petersburg/Moskau. Nach der gestrigen Entführung von Sergej Kukura, des Finanz-Chefs des russischen Öl-Multis Lukoil, schießen die Spekulationen ins Kraut: Geht es hier Banditen um ein fettes Lösegeld, um mafiöse Geschäftspraktiken oder stecken interne Kämpfe im Konzern dahinter? Oder gar der Streit um den Vertrag zwischen Fußball-Idol Sergej Sytschew und dem Club Spartak?

Entführungen reicher Leute oder derer Angehöriger kommen in Russland vor wie anderswo auch auf der mehr oder weniger zivilisierten Welt. Auf diese Weise werden Lösegelder erwirtschaftet - oder auch einmal Konkurrenten eingeschüchtert. Bis zum Verschwinden von Sergej Kukura wurde in Russland allerdings noch nie ein Groß-Kapitalist vom Kaliber eines Getty, Oetker, Heineken oder Reemtsma gekidnappt: Über den Tisch des Ersten Vizepräsidenten der Konzernführung gehen Entscheidungen über Millionen- und Milliardensummen. Seit 1993 ist er im Lukoil-Management für Wirtschaft, Planung und Finanzen zuständig. Anders als die in der Öffentlichkeit wesentlich bekannteren Lukoil-Topmanager Wagit Alekperow oder Leonid Fedun besitzt Kukura mit 0,34 Prozent offiziell aber nur ein kleines Aktienpaket des an der Börse mit 13 Milliarden Dollar veranschlagten Ölkonzerns. Lukoil fördert 24 Prozent des russischen Öls und verkauft 20 Prozent der russischen Ölexporte.

Wer und welches Motiv hinter der Entführung steckt, ist noch offen: Angeblich haben sich die Entführer noch nicht gemeldet. Klar ist nur, dass sie kaltblütig und professionell handelten: Am Donnerstagmorgen gegen 7.40 wurde Kukuras Mercedes an einem Bahnübergang im Moskauer Vorort Wnukovo von einem schwarzen Wolga mit Polizeinummernschild gestoppt. Drei Männer in Tarnanzügen, Masken und mit Maschinengewehren sprangen heraus und erklärten Kukuras Leibwächter freundlich, dass in der Gegend nach einem Schwerverbrecher gefahndet wurde. Der Fahrer der Limousine wurde gebeten, zur Kontrolle den Kofferraum zu öffnen.

In diesem Moment wurden beide überwältigt, Handschellen schnappten zu: Fahrer und Leibwächter fanden sich auf dem Rücksitz des Mercedes wieder, während der Ölmanager im vermeintlichen Polizeiauto abtransportiert wurde. Die beiden Zeugen wurden mit einem Schlafmittel endgültig außer Gefecht gesetzt und wachten erst sieben Stunden später in einem Wald wieder auf. Über ein Mobiltelefon konnten sie Alarm schlagen. Die Großfahndung ergab zu diesem Zeitpunkt fast nichts mehr: Gefunden wurde nur der leere schwarze Wolga.

Die aus Staatsanwaltschaft, Polizei und Geheimdienst FSB gebildete Sonderkommission arbeitet jetzt eng mit dem firmeneigenen Sicherheitsdienst des Ölmultis zusammen. Als Hauptversion würden interne Auseinandersetzungen im Konzern angesehen, vertraute ein Fahnder der Zeitung „Wedomosti“ an. Dass „kleine Banditen“ den Ölmagnaten mit dem Ziel einer Lösegelderpressung gekidnappt haben könnten, passe nicht so recht ins Vorstellungsmuster. „Jeder weiss doch, wie stark die Sicherheitsdienste der Konzerne sind“, so der Ermittler.

Ungeklärt ist allerdings noch, warum vor einiger Zeit die Bewachung Kukuras ausgetauscht und verringert wurde, worauf seine Limousine nicht mehr von einem zweiten Fahrzeug mit Sicherheitsleuten begleitet wurde: Anzeichen für eine Verschwörung oder nur nachlassende Aufmerksamkeit der Lukoil-Security?

Auch die Geschäftspraktiken zwischen den Konkurrenten im russischen Ölbusiness hätten sich in den letzten Jahren zivilisiert, erklärte ein Insider der Zeitung „Wedomosti“- und selbst in früheren Wildost-Zeiten hätte es derartige grobe Verstöße gegen die Spielregeln nicht gegeben. Auch gibt es bislang keine Indizien für eine Verwicklung Kukuras in andere, möglicherweise verhängnisvolle Geschäfte: Nach Angaben des „Kommersant“ sei der Manager ansonsten nur noch im Lukoil-eigenen Tennisclub aktiv. Vertreter der Staatsanwaltschaft halten deshalb das Lösegeld-Motiv für das wahrscheinlischste.

Eine exotische Theorie brachte die Zeitung „Gazeta“ ins Spiel: Lukoil sei schließlich Hauptsponsor des Moskauer Fußball-Clubs „Spartak“. Und dessen Stürmer-Star Sergej Sytschew will seinen Vertrag auflösen, doch der Club lässt ihn nicht ziehen. Sytschews Vater, angeblich von mafiösen Strukturen gedeckt, hatte just in einem Interview mit einer Sportzeitung erklärt, in diesem Streit nun „mit voller Rüstung in den Krieg zu ziehen“. Ob die Fahnder auch noch hier ansetzen werden?

(ld/rUFO)

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