„Russlands Gedдchtnis“ heiЯt ein gestern in der deutschen Botschaft in Moskau vorgestellter Sammelband mit Beitrдgen von Schьlern zur russischen Geschichte. Es sind russische Lebensgeschichten, erzдhlt von einer Generation, die „die UdSSR nur noch als Tatoo auf dem Arm des Nachbarn“ kennt, wie es die Historikerin Irina Scherbakowa formuliert.
Unter dem Motto „Der Mensch in der Geschichte - Russland im 20. Jahrhundert.“ fordert die Menschenrechtsorganisation Memorial seit sechs Jahren Schьler in ganz Russland zur Erforschung der Geschichte in ihrem Umfeld auf. Die jetzt erstmals auf deutsch erschienenen Beitrдge sind eine Auswahl aus den bisher eingegangenen 12.000 Arbeiten.
Entstanden sind berьhrende und faszinierende Geschichten von Menschen, die die Geschichte am eigenen Leib erfahren haben. Sie wurden von den Schьlern oft unter groЯen Schwierigkeiten zusammengetragen. „Einmal hat sich eine Schulklasse entschuldigt, weil sie ihren Beitrag nicht rechtzeitig fertigschreiben konnte. Die nдchste Schreibmaschine gab es drei Dцrfer weiter. Da konnten sie nicht hin, weil der Weg eingeschneit war“, erzдhlt Irina Scherbakowa, eine der Organisatorinnen des Wettbewerbs.
Die Aufarbeitung der dunklen Seiten der Geschichte ist in Russland kein populдres Thema. „Im der Цffentlichkeit steht heute die Erinnerung an die Sowjetzeit als Phase der Stabilitдt im Vordergrund. Die Schrecken werden dabei oft vцllig vergessen“, charakterisiert der Vorsitzende von Memorial, Arseni Roginski, den Umgang mit der Vergangenheit. „Wдhrend der Perestroika war das Interesse an der Aufarbeitung der Vergangenheit sehr groЯ. Aber Anfang der neunziger ist es vцllig verschwunden.“
Umso mehr erstaunt das groЯe Engagement der Jugendlichen. Dabei steht gar nicht immer Idealismus im Vordergrund. „Der erste Preis war ein Computer“, erklдrt Filip Abrjutin, was ihn zur Teilnahme an dem Wettbewerb bewegt hat. Mit einem Beitrag ьber seine tschuktschische GroЯmutter hat er im Jahr 2000 den ersehnten Computer gewonnen.
Das fiktive Tagebuch von Abrjutins GroЯmutter ist der erste Beitrag in dem Buch. Gestьtzt auf die Erzдhlungen der alten Frau, beschreibt der Abrjutin, wie die von Rentierzucht lebenden Tschuktschen nach und nach sowjetisiert wurden. Sein Beitrag erzдhlt vom Schicksal eines Volkes, dessen ganzes Leben in wenigen Jahren umgekrempelt wurde.
Der Wettbewerb hat Abrjutin geprдgt. Der 18-jдhrige studiert heute am Moskauer Filminstitut WGIK Dokumentarfilm, um seine Arbeit weiterzufьhren. Irgendwann will er die Geschichte der Tschuktschen auf Zelluloid festhalten.
Geschichten wie die von Filip Abrjutin sind fьr die Veranstalter ein ermutigendes Zeichen. „Wir bilden mit dem Wettbewerb vielleicht keine Historiker heran, aber dafьr mьndige russische Bьrger“, bilanziert Arseni Roginski von Memorial die Arbeit mit den Jugendlichen.
(mb/.rufo)
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