St. Petersburg. Um das kürzlich in Moskau aufgetauchte Rubens-Bild „Tarquinius und Lucretia“ ist ein heißer Streit entbrannt. Die deutsche Seite verlangt das Gemälde, das seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen war, entschädigungslos zurück. Der Besitzer des Bildes würde es lieber einem der großen russischen Museen übergeben. Er beharrt darauf, das Bild völlig legal zu besitzen, und verwahrt sich vor Anschuldigungen, der „russischen Mafia“ anzugehören.
Die Tagenszeitung „Iswestija“ veröffentlichte am Montag ein Exklusiv-Interview mit dem Besitzer des zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstandenen Meisterwerks von Pieter Paul Rubens (russland-www.aktuell.RU berichtete vor kurzem über das Bild und die Umstände seines Verschwindens). Der 37jährige Moskauer Geschäftsmann Wladimir Logwinjenko sammelt seit fünf Jahren Kunst und beschäftigt sich ansonsten mit Immobilienhandel und juristischem Consulting. Seine angebliche Zugehörigkeit zur „Mafia“ weist er entschieden zurück.
Laut Logwinjenko hatte er im Laufe der zwei Jahre währenden Restaurierung des Bildes zunächst geglaubt, es handele sich um eine Kopie. Eine Expertise der Ermitage ergab dann, dass es sich um genau das Bild handeln müsse, das 1942 aus dem Museum in Potsdam verschwunden war. Daraufhin habe er zwei Experten aus Potsdam eingeladen, die das Ergebnis der Expertise bestätigen sollten.
Angereist kamen der Direktor des Museums, Gerd Bartoschek, und eine Restauratorin. Sie untersuchten das Bild und reisten wieder ab, ohne sich geäußert zu haben. Logwinjenko habe angeboten, das Bild gegen eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Wertes zurückzugeben, es aber vorher in einer eingängigen Kunstzeitschrift zu veröffentlichen. Die Deutschen hätten jedoch darauf bestanden, alle weiteren Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen.
Um so mehr war er verwundert, als Vertreter des FSB mit einer Haussuchung kamen und sich auf eine internationale Fahndung beriefen, erlassen vom Bezirksgericht Potsdam wegen „Beihilfe zum Erwerb von Gütern auf verbrecherische Weise“. Nun ist der Moskauer Kunstsammler bis auf Weiteres nicht zu Verhandlungen bereit und wartet auf eine Entschuldigung seitens der deutschen Behörden.
Das Gemälde befindet sich inzwischen zur Verwahrung bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft. Logwinjenko würde es am liebsten in einem der großen Museen des Landes sehen, z.B. der Ermitage in St. Petersburg. Dem russischen Gesetz über die Rückführung von im Krieg entwendetem Kulturgut unterliegt es seiner Ansicht nach nicht, da es 1945 nicht aus einem Museum, sondern einer Privatsammlung entführt worden war. Sollte es dennoch an Deutschland zurückgegeben werden, sähe die im Westen übliche Praxis die Zahlung einer Entschädigung vor.
Im deutschen Kulturministerium ist man indessen davon überzeugt, dass „Tarquinius und Lucretia“ sehr wohl zur Beutekunst zählt und entschädigungslos an die BRD zurückzugeben sei. Kulturministerin Christina Weiss sieht den Fund des Gemäldes gar als ein höchst freudiges Ereignis und einen gemeinsamen Erfolg der Sicherheitsbehörden beider Länder an. Dies sei ein Signal, dass Beutekunst kein Handelsobjekt sein könne.
Logwinjenko vermutet hinter dem Ganzen einen rein politischen Hintergrund. Im Vorfeld des Besuchs von Kanzler Gerhard Schröder in Moskau solle Schönwetter gemacht werden. Er wandte sich unterdessen mit einem Brief an Präsident Putin, in dem er ihn bittet, sich nicht von der politischen Konjunktur beeinflussen zu lassen und auf die Einhaltung der Gesetze in Fragen der Restitution zu bestehen.
(sb/.rufo)
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