Von Stephanie Prochnow. Moskau. „Das Projekt des Jahrhunderts – von historischem Ausmaß“, so wirbt die Internetseite der „Onework“-Galerie für die Arbeit ihrer Künstler Sergej Kalinin und Farid Bogdalow. Die beiden Maler reproduzieren Ilja Repins (1844-1930) berühmtes Monumental-Gemälde „Festsitzung des Staatsrats“: Hauptakteure sind aber nicht mehr Zar Nikolaus II. und sein Hofstat, sondern Präsident Putin und andere. Wer dazugehören soll, darüber wird – erstmals in der Kunstgeschichte – im Internet abgestimmt.
Die Idee zu diesem Projekt kam Sergej Kalinin bereits vor zwei Jahren – 100 Jahre, nachdem Repin sein Werk begonnen hatte. Anfang dieses Jahres konnte sich Kalinin dann endlich an die Arbeit machen, nachdem er eine Galerie als Sponsor für das Unternehmen gewonnen hatte. In Anlehnung an Repin schaffen er und sein Malerfreund Bogdalow jetzt ein neun mal vier großes Gemälde der einflussreichsten russischen Politiker. „Ich habe die Komposition und die Idee von Repins Parade-Portraits übernommen, um ein neues Historien-Bild zu malen“, erklärt Kalinin.
Wer auf ihrem Gemälde verewigt wird, wollten die Künstler nicht selber entscheiden. Sie konsultierten Experten und erstellten eine Liste mit 400 Personen des politischen Lebens. Alles weitere bleibt der russischen Bevölkerung überlassen. „Die Leute können auf auf unserer Website wählen, welcher Politiker für sie am wichtigsten ist“, sagt Kalinin.
Insgesamt sind 89 Personen auf dem Bild vorgesehen. 25 wurden bereits per online-Entscheidung ermittelt. Von Anfang an war klar, dass Präsident Wladimir Putin auf Leinwand gebannt würde. Ob er allerdings den Platz von Zar Nikolaus II.einnehmen wird, ist noch unklar. Auch Moskaus Bürgermeister Jurij Luschkow ist bereits auf dem Bild verewigt – geschmückt mit den Insignien des russischen Hofes.
Doch die Maler haben Schwierigkeiten ihr Vorhaben voranzutreiben. „Viele Politiker halten unser Projekt für Satire. Es gilt sie von der Ernsthaftigkeit der Arbeit zu überzeugen“, sagt Farid Bogdalow. Tatsächlich ist ihr Plan höchst delikat: Das Bild assoziiert eine Analogie zwischen der autoritären Zarenzeit und der Putin-Regierung.
Um gegen eine solche Interpretation vorzugehen und bei den Politikern auf offenere Ohren zu stoßen, rühren die beiden Künstler eifrig die Werbetrommel. Überall in Moskau hängen mittlerweile Plakate, die auf ihr Projekt hinweisen. Besonders bemühen sich Kalinin und Bogdalow, um Treffen mit bekannten Persönlichkeiten. Mit Erfolg. Am Donnerstag hatten sie eine Audienz bei Alexej II, um dem Patriarchen ihr Werk vorzustellen. „Unsere Arbeit gefällt ihm. Er hat uns viel Glück gewünscht“, plaudert Sergej Kalinin zuversichtlich nach dem Treffen.
Vielleicht werden einige Politiker nun doch ihre Fotografien zur Verfügung stellen. Ohne passende Fotos stagniert die Arbeit. Die Zeit drängt. Schließlich soll das Monumentalwerk im November fertig werden – vor den Parlamentswahlen. Außerdem feiert der Staatsrat in diesem Jahr seinen 300sten Geburtstag und genau 100 Jahre ist es her, dass Repin sein Gemälde vollendete. Der große Meister brauchte zwei Jahre, um die „Festsitzung des Staatsrats“ zu malen. Kalinin und Bogdalow wollen es in 10 Monaten schaffen. „Repin war allein und wir sind doppelt besetzt“, sagt Bogdalow grinsend.
Nach der Vollendung soll das Gemälde in der Moskauer Galerie „Manege“ ausgestellt werden. Sein weiteres Schicksal ist noch unklar. Noch hat sich kein Käufer gemeldet. Der Preis des Bildes wird allerdings bereits mit fünf Millionen Dollar taxiert. Vielleicht interessiert sich ja das Russische Museum in Sankt Petersburg, in dem das Original hängt. Bei den Ausmaßen der Gemälde ist allerdings zu bezweifeln, dass neben Repins Bild noch ein Platz frei ist.
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