Von Stephanie Prochnow, Moskau. Bisher steht nur ein Schild auf dem Patriarchenteich Platz: Durchgang verboten. Dahinter eine Baumaschine, aufgerissene Erde. Hier soll das Denkmal für den Schriftsteller Michail Bulgakow entstehen. So verfügte es Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow schon im Oktober 2000. Den zuvor ausgeschriebenen Wettbewerb um das Denkmal hatte der Bildhauer Alexander Rukawischnikow gewonnen. Doch die Anwohner wehren sich aus allen Kräften.
Der Ärger begann letzten Sommer, als die Stadt neue Pläne vorlegte. Die Stadtväter wollten es nicht bei einem Denkmal belassen, sondern den ganzen Platz umbauen. Unter dem Patriarchenteich wünschten sie sich eine Tiefgarage. Dafür sollte der Weiher einer künstlichen Miniaturversion weichen, neben dem das mehrteilige Bulgakow-Denkmal stehen würde.
Der Entwurf: Ein zwölf Meter hoher Petroleumkocher dient als Springbrunnen. Am Ufer sitzt Bulgakow auf einer zerbrochen Bank – zur Illustrierung dessen schöpferischer Qualen. Hinter dem Schriftsteller: Seine berühmtesten Figuren, der Meister und Magarita. Um das Wasser gruppieren sich zwölf halb zerstörte Säulen, bei denen die Brozestatue Joschua na Nozris steht. In der Nähe befindet sich eine Granitwand mit den Halbreliefs von Pontius Pilatus und sein Hund Banga. Auf der Allee trifft der Spaziergänger die Katze Begemot, Asasello und Korowjew.
Der Abgeordnete des Stadtrates Jewgeni Bunimowitsch nannte dieses Konzept ein „literarisches Disneyland“. Und der Ärger ging weiter. Den Anwohnern gefiel weder die Idee, ihren Park umzubauen, noch die Konzeption des Denkmals. Sie schlossen sich zu einer Bürgerinitiative zusammen und sammelten 400 Unterschriften gegen das Skulpturenensemble: Ein seltenes Beispiel für die Existenz einer Zivilgesellschaft in Russland. „Einflussmöglichkeiten auf die unverfrorenen Beamten des Bürgermeisters gibt es nicht“, schrieb die Tageszeitung „Wremja Nowostej“. Es bleibt ihnen nur übrig, sich vor die Buldozer zu stellen, Unterschriften zu sammeln und Meetings zu veranstalten. “
Die erste Pressekonferez der Bürgerinitiative „zum Schutz des Patriarchenteichs“ fand Anfang dieser Woche im Haus der Journalisten statt und erregte viel Aufsehen. Sogar die Fernsehnachrichten übertrugen Ausschnitte aus der Diskussion. Die aufgebrachten Bürger hatten so populäre Vertreter wie den Kinoregisseur Allu Surikow entsandt. Als ihr Konterpart erschien Bildhauer Rukawischnikow persönlich.
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Bei russland-www.aktuell.RU: |
• Betonwanne für Patriarchenteich
• Bulgakow auf der Spur
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Zuerst legte die Bürgerinitiative dar, dass die Planer Gesetze übertreten hätten. Jeder Bürger sollte jederzeit das Recht haben, Baupläne in seinem Wohngebiet einzusehen. Stattdessen seien die Pläne für den Patriarchenteich sorgfältig geheimgehalten worden. Außerdem hätte der Teich den Status eines Parks. Bauarbeiten in Parks seien jedoch verboten. Ihr letzte Argument richtete sich gegen den künstlerischen Aspekt der geplanten Erinnerungsstätte: „Das Denkmal würde sich in seiner Vulgarität und Stumpfheit über die Leute lustig machen“, sagte ein Vertreter der Bürgerinitiative.
Der Bildhauer erwiderte, dass er sich nicht auf das Niveau des Volkes herablassen würde. Die protestierenden Anwohner seien nicht in der Lage, sein Meisterwerk zu verstehen. Er erklärte sich jedoch immerhin bereit, auf den zwölf Meter hohen Petroleumkocher zu verzichten.
Den Vorschlag der Bürger, nur den Schriftsteller auf der Bank darzustellen, lehnte Rukawischnikow ab: Von dieser Art Denkmal hätte es schon genügend im 20. Jahrhundert gegeben. Kunst, sagte er, könne sich nicht entwickeln, wenn sich alles gleicht. Fazit: Eine Auseinandersetzung fast so irrwitzig wie Bulgakows Romane. Was der Meister wohl gedacht hätte?
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