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Auf dem Tiermarkt (foto:Deeg)
Auf dem Tiermarkt (foto:Deeg)

Märkte: Der Bauch von St. Petersburg

Lust auf Petersburger Alltag und ein Bad in den Massen? Oder ein Rollenspiel: Wie füllt man als russische Hausfrau den Kühlschrank – ohne eine Kopeke zu viel auszugeben? Shopping-Center sind dann tabu, für die meisten russischen Konsumenten hat sich der Begriff „Marktwirtschaft“ noch nicht weit vom Ursprung wegentwickelt: Denn auf Petersburgs Märkten gibt es einfach alles: vom Kohlkopf bis zur Katzenstreu, von Schlauchboot bis zur Software. Unsere „Marktforscher“ Urs Gisler und David Nauer haben die interessantesten Märkte Petersburgs porträtiert.

Der Apraxin Dwor, der mit Abstand größte, bunteste, und interessanteste Markt von Petersburg ist ein Muss für Besucher der Stadt. Der verwinkelte Komplex aus engen, schmutzigen Gässchen, Hinterhöfen, Arkaden und Handelsreihen ist der wenige elegante Bauch von Petersburg – nur wenige Schritte vom eleganten Newski Prospekt entfernt. Der Kontrast könnte größer nicht sein.

Der Junona Rynok, auch Jugo-Sapadny genannt, ist das Petersburger Analog zur berühmten Moskauer Gorbuschka. Wie auch in der Hauptstadt findet man hier eine Fülle an CD’s, Video- und Audiokasseten sowie jedes beliebige Computerprogramm. Die äußerst verbraucherfreundlichen Preise sind dem Umstand zu verdanken, dass die meisten der Händler wahrscheinlich nicht wissen, was Urheberrechte sind.

Der Kusnetschny Rynok ist der sauberste, schönste und bestsortierteste Lebensmittelmarkt der Stadt. Die Zutaten für einen echten Borschtsch (Rindfleisch, Rote Bete, Mohrrüben, Zwiebeln, Weißkohl, Tomaten, saure Sahne und frische Petersilie) mag man auch anderswo unproblematisch finden. Aber nirgendwo sonst macht der Einkauf soviel Spass.

Auf dem Poljustrowski Rynok konzentriert sich der Handel mit Stubentigern und des Menschen bestem Freund. Auch Meerschweinchen, Zierfische und Kanarienvögel warten auf ein neues Heim und selbst die Tierliebhaber der anderen Art kommen auf ihre Kosten: Hier finden Fischer und Jäger alles, um dem Jagdglück auf die Sprünge zu helfen.

Der Swjosdny Rynok ist ein typischer Vorstadtmarkt in den Tiefen der südlichen Schlafstädte. Wenn man erst mal den Eingang gefunden hat, erwartet einen ein reichliches Angebot an Köstlichkeiten, für die die deutsche Sprache wahrscheinlich nicht mal Namen bereithält. Nach dem Lebensmittelständen folgt der eigentliche Markt: schier endlose schmale Reihen und Gässchen, eine wahre Fundgrube.

Was macht der Verkäufer mit seiner Ware, wenn er gerade keine Kunden hat? Er baut Türmchen! So ist es auch auf dem Sytni Rynok. Die filigranen Bauwerke aus Pistazien, Litschi, Datteln, Passionsfrüchten und Nüssen bieten ein Feuerwerk an Farben und Düften und lassen vergessen, dass man sich im kargen Norden befindet. Ebenso könnte man angesichts der Händler aus Moldawien, Dagestan, Georgien und Mittelasien den Eindruck bekommen, das Vielvölkerimperium Sowjetunion habe noch längst nicht das Zeitliche gesegnet ...

Jedes Wochenende tragen hunderte von St. Petersburgern ihre Rumpelkammern auf den Udelnaja-Flohmarkt bei der gleichnamigen Metro. Von Grossmutters alten Socken über das Fahrrad des Enkels bis zur Ordensammlung des Kommunalka-Nachbarn wird alles angeboten: Die Käufer erwartet ein quicklebendiger Querschnitt durch die sowjetisch-russische Alltagsgeschichte der letzten 100 Jahre.

Im Gegensatz zu vielen anderen Großstädten ist es in St. Petersburg nicht so einfach, ein sinnvolles Souvenir zu kaufen – von Wodka einmal abgesehen. Darüber hilft der kleine Markt bei der Christi-Auferstehungskirche mindestens teilweise hinweg. Rund ums Jahr gibt’s dort Matrjoschkas, Pelzmützen und sowjetischen Kitsch zur Genüge. Wer allerdings genau aufs Budget schauen muss, bleibt dem Ort lieber fern.
(ug+ld+dan/.rufo)


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