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Roman Pukalow, einer der Organisatoren der "Grünen Patrouille" (Foto: greenpatrol.ru) |
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Donnerstag, 23.06.2011
Wie Gaskammern: Dreckschleudern in Russlands ProvinzMoskau. Die Umweltbelastung in den schmutzigsten Städten Russlands ist stabil schlecht und in manchen Regionen katastrophal. Ohne Umweltschutz ist Modernisierung Russlands nicht möglich. Ein Gespräch mit der "Grünen Patrouille".
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R-A.: Roman, Sie sind als Organisator der "Grünen Patrouille" bekannt, die unter anderem eine Untersuchung über die schmutzigsten Städte Russlands vorgelegt hat. Sie haben die Umweltprobleme an den Brennpunkten analysiert. Was ist ihr Gesamteindruck, wohin geht die Entwicklung in den letzten Jahren?
Roman Pukalow: Die Umweltsituation ist stabil schlecht. Sie ist in den letzten Jahren trotz der Diskussionen um Ökologie und Modernisierung nicht besser geworden, aber auch nicht wesentlich schlechter. Die Probleme haben sich in langen Jahren oder auch Jahrzehnten angesammelt - und dadurch wurden sie noch schwerwiegender.
R-A.: ... zum Beispiel?
Roman Pukalow: Ein Beispiel ist die Stadt Karabasch im Gebiet Tscheljabinsk und die Kupferproduktion dort. Die KarabaschMed-Fabrikanlage dort ist schon über hundert Jahre alt, arbeitet aber immer noch mit derselben Technik, mit denselben Anlagen wie 1910. Dementsprechend hoch ist auch die Luftbelastung für die Stadt und die nur noch etwa 15.000 Menschen dort. Es ist erstaunlich, dass da überhaupt noch Menschen wohnen. Karabasch ist keine Stadt, sondern eine richtige Gaskammer. Die Luft ist voller Blei, Kupfer und Rattengift.
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R-A.: Karabasch steht also bei Ihnen auf Platz eins der dreckigsten Städte Russlands?
Roman Pukalow: Noch schlechter ist die Situation in der Stadt Dserschinsk, der Chemie-Hauptstadt des Gebietes Nischni-Nowgorod. Die Umwelt ist dort so vergiftet, dass vor kurzem der Präsident, Dmitri Medwedew, dort eingreifen musste. Dort sind Boden, Wasser und Luft so belastet, dass Dserschinsk nach unserer Einschätzung als die schmutzigste Stadt Russlands eingestuft werden muss. Die zulässigen Grenzwerte an Phenol werden dort zum Beispiel um das 17-Millionenfache überschritten. Die Lebenserwartung der Männer in Dserschinsk liegt bei 42 Jahren, für Frauen bei 47.
R-A.: Gestern abend hat das Statistikamt RosStat eine Liste veröffentlich, in der Karabasch und Dserschinsk unter den ersten 10 überhaupt nicht vorkommt. Dort wird die Luftbelastung in Tonnen bewertet. Es sind sehr eindrucksvolle Zahlen von hunderttausenden von Tonnen von Schadstoffen, die an einzelnen Orten emittiert werden.
Roman Pukalow: Die Einschätzung des Statistikamtes RosStat geht anders als wir von rein formal-quantitativen Daten aus. Wir halten es für wichtig, die Qualität der Umweltbelastung zu analysieren. Es geht nicht nur darum, wieviele Emissionen in die Umwelt gelangen, sondern auch was dort emittiert wird. Es ist zum Beispiel ein wesentlicher Unterschied im Gefahrenpotential, ob Feststoffe oder Umweltgifte wie das krebserregende Benzopyren, Phenol und Fluor ausgestossen werden. Und es ist für Mensch und Umwelt auch noch wichtig, ob eine Produktionsstätte mitten in einer Stadt liegt, oder irgendwo in der Taiga.
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R-A.: Wenn also eine schadstoffintensive Produktion sich weit ab in Sibirien befände, wäre sie erträglich?
Roman Pukalow: Nein, natürlich nicht. Nehmen wir die Situation im sibirischen Krasnojarsk am Fluss Jenissej, die wir im Rahmen unserer Expedition "Flüsse Russlands" analysiert haben. Das Aluminiumwerk von Krasnojarsk (KraZ) stösst dort 290 mal mehr Benzopyren aus, als zulässig. Die Belastung durch das besonders gefährliche Fluor, das bei der Aluminiumproduktion anfällt, ist massiv.
R-A.: ... und dagegen wird nichts getan?
Roman Pukalow: Das Einzige, was dort bei Krasnojarsk geschieht, ist ein Umsiedlungsprogramm. Aber es sind bis jetzt noch drei Häuser in unmittelbarer Nähe des Aluwerkes bewohnt. Die Menschen dort werden permanent einer lebensgefährlichen Belastung ausgesetzt. Auch rund um KraZ ist die Situation also stabil schlecht.
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R-A.: Durch Modernisierung der Produktion müsste doch eigentlich die Umweltbelastung reduziert werden können ...
Roman Pukalow: Ein Beispiel dafür ist das sibirische Bratsk an der Angara und die Aluminiumhütte dort. Der Konzern RusAL, der die Werke in Krasnojarsk und Bratsk betreibt, hat dort ein grosses Modernisierungsprogramm gestartet. Schon vor acht Jahren wurden von RusAL grosse Summen für die Modernisierung bereit gestellt. Es wurde damals auch schon gemeldet, dass alles besser geworden ist. Tatsächlich aber ist die Lage noch schlechter geworden, denn es wurden neben den uralten Anlagen neue Produktionslinien dazugebaut, die alten aber nicht modernisiert. Im Ergebnis ist die Umweltbelastung in Bratsk nur noch weiter angestiegen
R-A.: Die industriellen Dreckschleudern, die Sie genannt haben, sind für ihre Eigner allerdings Goldgruben. Gibt es nicht durch Steuerzahlungen in den betroffenen Orten so etwas wie eine fianzielle Kompensation für die Umweltschäden?
Roman Pukalow: Nein, ein finanzieller Schadensersatz durch Steuerzahlungen findet nicht statt. Bei uns in Russland kann man die Menschen kostenlos vergiften. Steuern werden durch Steueroptimierungsmethoden überwiegend auch nicht am Produktionsort gezahlt.
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R-A.: Also - was tun?
Roman Pukalow: Es müssten harte Umweltvorschriften eingeführt werden. Die Strafzahlungen für Umweltsünder, die es im Moment gibt, sind viel zu niedrig. Das sind eher Beruhigungsmittel als wirksame Strafe. Die Umweltschutzgesetze müssten also wesentlich härter formuliert werden.
R-A.: Die Härte der russischen Gesetze wird bekanntlich nur dadurch gemildert, dass sie nicht eingehalten werden ...
Roman Pukalow: Es müssten ausserdem auch generell die Gebietsgouverneure zur Verantwortung gezogen werden. Die Gouverneure müssten auch unter dem Gesichtspunkt bewertet werden, ob ihre Politik ökologisch effektiv ist, ob sie zur Lösung der Umweltprobleme beitragen oder nicht. Wichtig ist auch, den Zusammenhang zwischen Korruption und Umweltschäden zu sehen. Oft drücken korrupte Beamte, die eigentlich kontrollieren sollten, alle Augen zu.
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R-A.: Kann durch Intervention des Präsidenten der russischen Umwelt geholfen werden?
Roman Pukalow: Eingreifen des Präsidenten ist natürlich wichtig, aber es stellt sich natürlich auch die Frage, was damit bewirkt wird. Wir werden uns zum Beispiel genau anschauen, was in der Stadt Dserschinsk passieren wird. Wir werden nach einem Jahr dort Bilanz ziehen. Bisher hat sich in Dserschinsk noch nichts geändert.
R-A.: Ist Modernisierung Russlands möglich, ohne die Umweltprobleme zu lösen?
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Roman Pukalow: Nein, das ist ein direkter Zusammenhang. Ohne Umweltschutz kann Modernisierung auch in Russland nicht funktionieren.
R-A.: Danke für das Gespräch!
Die russische Übersetzung dieses Artikels ist hier >>>
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