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Vor zehn Jahren zerschlagen, jetzt 50 Mrd. Dollar Schadenersatz wert: der Ölkonzern Yukos wird zum Gespenst für die Kreml-AG (Foto: Archiv/.rufo)
Vor zehn Jahren zerschlagen, jetzt 50 Mrd. Dollar Schadenersatz wert: der Ölkonzern Yukos wird zum Gespenst für die Kreml-AG (Foto: Archiv/.rufo)
Montag, 28.07.2014

Urteil: Russland schuldet Yukos-Eignern 50 Mrd. Dollar

Auf Russlands Wirtschaftsbeziehungen kommen schwere Zeiten zu – nicht nur wegen der drohenden Sanktionen: Nun soll der Kreml auch noch 50 Mrd. Dollar zahlen. So lautet das Urteil in einem Schiedsgerichtsverfahren um die Enteignung des Yukos-Konzerns.

Ausgerechnet jetzt und ausgerechnet in den vom Boeing-Abschuss traumatisierten Niederlanden wurde der Spruch eines Internationalen Schiedsgerichts verkündet: Der russische Staat muss die gewaltige Summe von 50,02 Milliarden US-Dollar bezahlen, so das Fazit der über 600 Seiten dicken Entscheidung. Hinzu kommen noch 60 Mio. Dollar Anwaltskosten und 4,24 Mio. Euro Gerichtskosten.

Neun Jahre Verhandlungen vor dem Schiedsgericht


Seit 2005 hatte in Den Haag ein mit drei Richtern aus Kanada, den USA und der Schweiz besetztes Gremium über Schadenersatzforderungen der einstigen Eigner des Yukos-Konzerns an den russischen Staat verhandelt. Gefordert hatten die Kläger zuletzt 114 Mrd. Dollar – 2005 bei Klageeinreichung bezifferten sie ihren Schaden noch mit einem Viertel dieser Summe.

So oder so handelt es sich um den größten Betrag, der jemals in einem Schiedsgerichtsverfahren in einem Wirtschaftsstreit einem Kläger zugesprochen wurde. Russland wurde wegen der „beträchtlichen Summe“ ein halbes Jahr Zeit zur Zahlung eingeräumt, ab dann laufen Strafzinsen auf.

Russland wird Schiedsspruch anfechten


Dabei ist absehbar, dass Russland alles tun wird, um Zahlungen zu vermeiden: Zunächst einmal gibt es die Möglichkeit, innerhalb von zehn Tagen den Spruch vor einem holländischen Zivilgericht anzufechten. Dies wird auch geschehen, kündigte Außenminister Sergej Lawrow an.

Wie die Moskauer Zeitung „Kommersant“ berichtet, hat die russische Seite eine ganze Reihe von Vorbehalten gegen das Verfahren – beginnend bei der Frage, ob das Schiedsgericht überhaupt für eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Steuerschulden in Milliardenhöhe zuständig war, die im Fall Yukos die Grundlage für die Bankrotterklärung und anschließende Zwangsversteigerung der Aktiva waren. Auch sei die russische Position bei wichtigen Detailfragen nicht angehört worden.

Das Gericht begründete seine Zuständigkeit mit der 1994 auch von Russland unterschriebenen Energie-Charta, die einen besonderen Schutz von Investitionen im Energiebereich vorsieht. Das russische Parlament hat das Dokument aber nie ratifiziert.

Chodorkowski unbeteiligt, aber sehr zufrieden


Hinter den Klägern, zwei auf Zypern und eine auf der britischen Isle of Man gemeldeten Firma, steht die formell in Gibraltar beheimatete „Group Menatep Ltd.“ (GML), die bis zur Zerschlagung von Yukos der Hauptaktionär des Ölkonzerns war. Dessen erst letztes Jahr nach zehn Jahren Haft entlassener Ex-Chef Michail Chodorkowski hat hingegen mit der Klage nichts zu tun: Er hatte seine GML-Anteile 2005 an seine im Ausland lebenden Kompagnons übertragen, wodurch Yukos zuletzt zu 70 Prozent GML gehörte.

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• Rosneft-Boss Setschin – der Mann, der Yukos beerbte (23.05.2012)
• Yukos gegen Russland: Straßburg gibt Konzern halb recht (20.09.2011)
Aus seinem Schweizer Exil teilte Chodorkowski aber mit, dass er sehr erfreut über die Entscheidung sei: „Das ist das erste unabhängige Gerichtsverfahren, in dem der Fall Yukos mit der Untersuchung von Beweisen und der Anhörung von Zeugen in Gänze betrachtet wurde“, erklärte er. Schade sei nur, dass die Kompensation jetzt aus dem Staatshaushalt bezahlt werden müsse und „nicht aus den Taschen der macht-nahen Mafiosi“, die diesen „unverdeckten Raubzug gegen eine erfolgreiche Firma“ eingefädelt hätten.

Legt man die 50-Milliarden-Forderung auf die russische Bevölkerung (einschließlich jener auf der vereinnahmten Krim) um, entfallen auf jeden Bürger 350 Dollar.

Gegen den Kreml klagen: Sedelmayers Know-How


Sollte Russland mit seiner Position vor Hollands Gerichten nicht durchkommen, kann GML versuchen, mit Zwangsvollstreckungen seine gigantischen Forderungen gegen den russischen Staat einzutreiben. Dies ist extrem schwierig: Der aus Bayern gebürtige Unternehmer Franz Sedelmayer hat es bisher als einziger geschafft, in einem bereits seit 20 Jahren laufenden internationalen Rechtsstreit Schulden der Russischen Föderation einzutreiben.

Beispielsweise ließ er Gebäude der ehemaligen sowjetischen Handelsvertretung in Köln pfänden und zwangsversteigern. Eine ähnliche Auktion steht demnächst in Stockholm an. Allerdings kämpft Sedelmayer nur um etwa 5 Mio. Euro – Menatep fordert jetzt 7500 Mal mehr.

Müssen Kreml-Konzerne Rosneft und Gazprom bluten? Und deren Partner?


In die Schusslinie kommen dürften auch Russlands partiell staatseigene Rohstoffkonzerne Gazprom und Rosneft, die in dem Schiedsgerichtsspruch als Nutznießer des Falles Yukos genannt werden. Rosneft hatte 2004 für 9,3 Mrd. Dollar die wesentlichen Ölaktiva von Yukos übernommen, Gazprom schluckte den Sibneft-Konzern, bei dem Yukos ebenfalls schon einen Fuß in der Tür hatte.

Tim Osborne, ein britischer Anwalt und Chef von GML, kündigte bereits an, dass auch der britische Ölmulti BP stellvertretend für den Kreml Schwierigkeiten bekommen könnte. Seit einem Mega-Deal 2011 hält BP knapp 20 Prozent bei Rosneft, dem nach der Fördermenge leistungsfähigsten Ölkonzern der Welt.

Wenn es irgendwo die Yukos-Milliarden zu holen gibt, dann im Öl- und Gasgeschäft. Möglicherweise führt das neun Jahre gereifte Urteil nun also zu einem ungleich stärkeren Effekt als die Sanktionen wegen Krim und Ostukraine: Russlands Big Business in Form der „Kreml-AG“ könnte auf internationalen Märkten eminente Existenzprobleme bekommen.

Und Wirtschaftsanwälte in aller Welt auf Jahre ebenso einträgliche wie hochkomplexe Aufträge.



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Stoll 02.08.2014 - 19:13

Rechtsstaatlichkeit in Russland sehr schwer zu bekommen

So Präsident Putin geht das im von Ihnen gehassten Westen. Vor Gericht, auf das Urteil warten, es akzeptieren oder nicht. Dann Einspruch gegen das Urteil einlegen und der ganze Spaß geht von vorne los. Das lief wohl in Russland ein wenig anders ab. Würde wahrscheinlich heute in Russland wieder so ablaufen. Doch ist Russland mehr oder weniger in den Wirtschaftskreislauf der Welt eingebunden. Das macht die Sache auch so knifflig. Denn daran hängt Reputation, besonders die von Russland. Der Ausgang des Verfahrens und die zufriedenstellende Lösung des Problems für alle Beteiligten wird auch über weitere Investitionen in Russland entscheidend sein. Ich bin froh, dass die Verhandlungen im Westen stattfinden, denn der Justiz in Russland vertraue ich nicht die Bohne.


Stoll 31.07.2014 - 00:14

Wenn jetzt schon die Löhne wegen der Krim-Anektion sinken, dann geht es gleich weiter mit der Begleichung der 50 Milliarden-Strafe.Die Folgen der Sanktionen werden sehr viel höher sein und immer wieder wird der kleine Mann bezahlen müssen. Vielleicht geht den Russen dann mal ein Licht auf, wer für den ganzen Schlamassel sein könnte. Davor fürchtet sich Putin am meisten. Das staatliche Dauerfeuer der Desinformation wird bei sinkendem Lebensstandard immer weniger auf fruchtbaren Boden fallen. Die Oligarchen glauben sowieso den staatlichen Märchen nicht.


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