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Dienstag, 13.01.2009

Ukraine lässt kein Gas durch – trotz neuem Vertrag

Moskau/Kiew. Der Balkan friert seit einer Woche – doch die Ukraine lässt immer noch kein russisches Gas durch: Der Gas-Transit durch die Ukraine klappte trotz beidseitiger Zusagen und dem Einsatz von Kontrolleuren heute wieder nicht.

Eigentlich sah es am Dienstag danach aus, als würde der notorische Gas-Streit endlich überwunden: Russlands Gazprom hatte die Wiederaufnahme der Lieferungen über die Ukraine an westliche Abnehmer für 10 Uhr Ortszeit angekündigt.

Und beide Seiten hatten am Vortag in Brüssel das mit der EU ausgehandelte Dokument über den Einsatz von Beobachtern aller beteiligter Seiten an allen Gasmess-Stationen unterzeichnet.

Dies war bereits die zweite Unterzeichnung, weil die Ukraine der ersten Version eigenmächtig eine Zusatzerklärung angefügt hatte. Diese war von Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew anschließend als „Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes“ und „verlogene Provokation“ verrissen worden.

Russland liefert, aber Ukraine lässt den Schieber zu


Doch aus dem Neustart der Transporte wurde erneut nichts: Die internationalen Beobachter, darunter ein Deutscher, bestätigten zwar, dass Gazprom vor ihren Augen pünktlich den Druck in der Pipeline an der grenznahen Gas-Druckstation Sudscha auf 75 bar hochfuhr.

Gazprom wollte zunächst 76,6 Mio. Kubikmeter Gas nach Südosteuropa liefern, wo es besonders dringend gebraucht wird. Schon sechs Stunden später, so hatte es geheißen, sollte das erste Gas wieder in Rumänien ankommen.

Doch auf ukrainischer Seite wurden die Schieber nicht geöffnet – das ukrainische Rohrleitungsnetz blieb verschlossen.

Bei Russland-Aktuell
• Ukraine lässt kein Gas durch – trotz neuem Vertrag (13.01.2009)
• Russland fordert Schadensersatz von Ukraine für "Gasklau" (10.01.2009)
• Kiew und Moskau geben Beobachtermission grünes Licht (09.01.2009)
• Gasstreit durch internationale Pipelines entschärft ? (08.01.2009)
Kein Wunder, dass sich kurz darauf beide Konfliktparteien über die Medien wieder gegenseitig böse Vorwürfe an die Köpfe warfen: Gazprom-Vize Alexander Medwedew erklärte, Gazprom können nicht gegen die Gesetze der Physik Gas durch verschlossene Leitungen liefern.

Die Ukrainer würden zudem nicht in den Vereinbarungen stehende Zusatzforderungen erheben, sagte Medwedew. Damit war wohl gemeint, dass deren Gaskonzern Naftogas darauf besteht, dass Russland gleichmäßig an allen fünf Pipeline-Eingängen mit den Lieferungen beginnt.

Naftogas kritisierte seinerseits, die von Gazprom in der Nacht per Fax angekündigte „Test-Menge“ sei zu gering und zu kurzfristig angemeldet worden, um ihren Transport zu gewährleisten.

Kiew: Gazprom organisiert Provokation gegen Ukraine


Bogdan Sokolowski, Energieberater von Präsident Viktor Juschtschenko bezeichnete die russische Vorgehensweise als „Provokation gegen die Ukraine“: Gazprom habe bewusst eine unerfüllbare Aufgabe gestellt, da das für den Balkan bestimmte Gas nicht über die für diese Liefer-Richtung üblichen zwei südlichen Pipeline-Grenzübergänge geliefert werden sollte, sondern über Sudscha bei Kursk.

Dort fließt normalerweise das Gas in Richtung Westeuropa durch. Die von Gazprom vorgeschlagene Routenführung hätte bedeutet, dass man das Gas auf Umwegen transportieren und zugleich die interne Gasversorgung des ostukrainischen Industriereviers um Donezk hätte blockieren müssen, so Sokolowski.

EU versucht eine Position "über allem" einzunehmen


Seitens der EU wurden beide Parteien scharf dafür kritisiert, dass sie den Beobachtern vertragswidrig den Zugang zu ihren Gastransport-Leitstellen in Moskau und Kiew verweigern würden. Nur dort könne man sich wirklich ein Bild über die bereitstehenden Mengen und freien Leitungen machen.

Allerdings waren die Behinderungen nicht ganz symetrisch: Es scheint, als ob in der Ukraine russische Beobachter zu keiner Messtelle vorgelassen wurden.

In Russland beschränkte sich die Behinderung für die Ukrainer auf die Gazprom-Zentrale in Moskau. Nach einem Telefongespräch mit dem EU-Vorsitzenden Barosso versprach Putin am Nachmittag Abhilfe

Ukraine will wieder 21 Millionen Kubikmeter "technisches Gas" täglich abzapfen


Ohnehin war die geplante Wiederaufnahme der Lieferungen noch mit vielen Fragezeichen versehen. So kündigte die ukrainische Seite an, das für den Pipeline-Betrieb nötige „technische Gas“ erneut den Transitmengen zu entnehmen. Es geht dabei um 21 Millionen Kubikmeter täglich mit einem Marktwert von etwa neun Millionen Dollar

Gazprom betrachtet dies als „Diebstahl“, da Naftogas für die Transportabwicklung bezahlt würde und dafür seine Gasreserven nutzen könne. Käme jedoch wieder weniger Gas aus der Ukraine heraus als hinein, behielt sich Gazprom vor, die Belieferung erneut zu reduzieren oder schließlich auch ganz einzustellen.

Dauerkrise geht weiter


Kurz und gut: Solange beide Seiten keine Einigung über die aktuellen Transitbedingungen und den neuen Abnahmepreis für 2009 für die Ukraine selbst finden, dürfte demnach kaum mit einem reibungslosen Gas-Transport an Drittstaaten zu rechnen sein. Die EU wird sich wohl kaum auf Dauer raushalten können. Vermutlich geht kein Weg an einer Internationalisierung der Gas-Trassen vorbei.

Neue Hoffnung?


Etwas Hoffnung, dass es in einem dritten Anlauf klappen könnte, verbreitete Alexander Gudyma, der Energieberater der ukrainischen Ministerpräsidenten Julia Timoschenko: Gegenüber dem Radiosender „Echo Moskaus“ erklärte er, dass es „rein technisch“ noch mindestens 24 Stunden dauere, bis die Ukraine ihr in den letzten Tagen teilweise auf die interne Versorgung umgestelltes Leitungsnetz für den Transit wieder bereit gemacht habe.

„Russland wusste davon, hat aber künstlich dieses Problem geschaffen“. Allerdings scheint zumindest die Öffentlichkeit in Europa von diesem "rein technischen Problem" der Ukraine leicht überrascht gewesen zu sein.



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