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Putin pflegt den Pragmatismus in der Energiepolitik (Foto: Rian)
Putin pflegt den Pragmatismus in der Energiepolitik (Foto: Rian)
Sonntag, 14.01.2007

Putins Profitstrategie: Kooperation statt Druschba

Moskau. Das Schlimmste an dem Druschba-Öl-Streit war die Diskussion darum. Sie wurde so geführt, dass das Wichtige aus dem Blick geriet: Eine Wende im Kreml, die gerade Kooperation mit Russland befördert, statt sie zu behindern.

Hinderlich ist eher die gegenwärtige Diskussion in Westeuropa. Schon der Begriff der europäisch-russischen Energiekrise ist völlig schief. Nicht nur, weil Russland auch Europa ist, sondern auch, weil die Probleme ja nicht in Russland lagen, sondern auf dem Weg von Russland nach Westen.

Es ist schon merkwürdig. Egal ob die Ukraine oder Weißrussland den Energietransit nach Westen blockiert, um für sich russische Billigenergie und Milliardensubventionen in Milliardenhöhe zu erhalten, Schuld hat immer Putin. Jedenfalls in den Augen vieler europäischer Politiker.

Dabei hätte man sich doch eigentlich darüber freuen können, dass "Lukaschenko, der letzte Diktator in Europa" jetzt auch von Osten unter stärkeren Druck gerät.

Exxon und BP wollten die Ukraine und Weißrussland nicht subventionieren


Interessanterweise fand sich weltweit niemand, der das Not leidende Minsk oder Kiew an Stelle Russlands mit hochsubventioniertem Billigöl und –Gas beliefern wollte. Eigentlich hätten vielleicht die USA, die EU, Exxon oder BP einspringen sollen. Es gab aber niemand, der der Ukraine jährlich 3,5 Milliarden Euro und für Weißrussland jährlich etwa 6,3 Mrd. Euro hätte spenden wollen. Trotz heller Aufregung der Politik im Westen.

Putin tut eben das, was dieselben Politiker sonst von ihm fordern. Er hält sich an marktwirtschaftliche Prinzipien und beendet kurzfristig die politisch motivierte Subvention der Eliten in den post-sowjetischen Nachbarstaaten – und handelt sich damit ganz erhebliche politische Probleme ein. Außenpolitisch waren sowohl der Gaskrieg 2006 als auch der Druschba-Konflikt 2007 für Russland eine reine Katastrophe.

Gaskrieg und Druschba-Konflikt waren eine politische Katastrophe – warum macht Putin das?


Warum also macht Putin das? Ist er politisch so kurzsichtig und dumm, dass er die Folgen der Energiekonflikte in Europa nicht abschätzen kann? Ist es für den Kreml plötzlich unwichtig geworden, was man in Europa denkt? Ist der Versuch einer russisch-europäischen Partnerschaft vom Kreml schon aufgegeben worden? Die Antwort ist auf den ersten Blick relativ banal: beim Geld hört die Druschba auf.

Es scheint so, als ob es im Kreml in der Energiepolitik eine Wende von der Hegemonie der Politik zur Hegemonie der Ökonomie gegeben habe. Ohne Rücksicht auf politischen und psychologischen Kolateralschaden wird gemacht, was wirtschaftlich gut ist. Oder anders formuliert: erst kommt das Geld, dann wird über die Folgen nachgedacht. Dabei ist dann schon fast die Frage, ob es nicht doch wünschenswerter wäre, wenn die Politik kommandierte.

Beim Geld hört die Druschba auf – eine Wende von der Hegemonie der Politik zur Hegemonie des Profits


Es wäre aber dennoch natürlich falsch, vom Abschied der Politik zu sprechen. Es wäre in der Tat völlig naiv zu glauben, Putin hätte keine politischen Motive in der Energiepolitik. Sie sehen nur etwas anders aus, als es scheint, wenn der Blick durch die Berichterstattung über den Energiekonflikt getrübt ist.

Es gibt zwar die in absehbarer Zeit nur mit militärischer Gewalt veränderliche Tatsache, dass die größten und wichtigsten Gas- und Ölreserven für das energiehungrige Europa (und China) in Russland liegen. Es scheint aber doch sicher, dass Putin diese Energieresourcen nicht als politische Waffe einsetzt. Es wirkt auf lange Sicht der stille Sachzwang der Ökonomie, dieser wird aber politisch nicht ausgemünzt.

Unveränderliche geopolitische Tatsache ist, dass die Ölquellen in Russland liegen


In keinem der Energiekonflikte in den vergangenen Jahren wurden von russischer Seite politische Bedingungen an Energielieferungen geknüpft. Keiner der Kritiker des „russischen Energieimperialismus“ kann ein konkretes Beispiel für politische Erpressung mit Öl und Gas anführen. Es gab immer nur die diffuse Furcht vor der Erpressung und die Behauptung der Erpressung – die im Übrigen von den angeblichen Erpressungsopfern wiederum selbst als politisches Argument in den Gastarifverhandlungen eingesetzt wurde. Stattgefunden hat die Erpressung jedenfalls nicht.

Bei Russland-Aktuell
• Lukaschenko liegt wieder an der russischen Leine (13.01.2007)
• Weinstock – der Ölmanager mit feurigem Gemüt (10.01.2007)
• Moskau eröffnet Wirtschaftskrieg gegen Lukaschenko (10.01.2007)
• US-Kritik an Moskau und Minsk wegen Gas- und Ölstreit (05.01.2007)
• Gaskrise treibt Weißrussland in Richtung China (29.12.2006)
Was stattfindet, das ist eine prinzipielle Umstellung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten. Zumindest eingeleitet ist ein Umbau weg von der postsowjetischen Vetternwirtschaft zugunsten der unersättlichen nationalen Eliten – und russischer Clans, die an den Schiebereien im Graubereich verschiedener slawophilen Unionsprojekte immer kräftig mit profitierten – hin zu einer Umverteilung der Finanzströme zugunsten des Kremls, des russischen Staates und seiner Unternehmen.

Die „Offshore-Zone Weißrussland“, durch die Russland jährlich mindestens drei bis vier Milliarden Euro verlor, das Loch in der Grenze, das auch russische Oligarchen gerne ausnutzten, ist geschlossen. Das Luftschloss eines slawischen Bundes mit Lukaschenko hat sich aufgelöst.

Es ist eine öffentlich vollzogene Wende weg von amorphen politischen Ideen und deren Subventionierung – hin zu nüchtern kalkulierter unternehmerischer Verwendung der russischen Energieresourcen. Zentralisierung in den Händen des Kreml. Das ist der entscheidende Punkt. Aber das ist für die EU eher gut als schlecht.

Zentralisierung der Finanzströme und Energieresourcen in den Händen des Kreml


Interessant dabei ist, dass Gazprom im Herbst 2006 bereits weitere Gaspreiserhöhungen für seine europäischen Kunden für 2007 in Aussicht stellte. Der Verfall der Energiepreise im allzu warmen Winter 2006/2007 hat das bisher in die Ferne gerückt. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Denn schließlich hat Gazprom einer Schuldenlast von über 20 Mrd. Euro zu bedienen. Und der Kreml wartet dringend auf den Zustrom der Gas- und Öl-Euros.

Relativ sicher allerdings scheint, dass die Energiepreise auf dem russischen Binnenmarkt in den kommenden zwei Jahren nicht wesentlich angehoben werden, weil das eine zu starke Belastung für das putinsche Wirtschaftswunder wäre. Im Gegenteil geht es darum, die Wachstumsraten in Russland weiter zu halten, um auf dieser Basis in möglichst großer Ruhe die Putin-Nachfolgefrage gelöst zu bekommen.

Dabei scheint absehbar, dass es nach 2008 im Zuge der langfristigen Investitions- und Preiszyklen im Ölgeschäft einen erheblichen Verfall der Weltmarktpreise geben dürfte, der die russische Staatskasse schwer trifft. Auch darauf scheint sich Putin jetzt zu rüsten.

Putin rüstet jetzt für die Nachfolgefrage 2008 und die Ölkrise 2009


Es gibt also keinen Abschied von der Politik. Die Hegemonie der Ökonomie und die Zentralisierung der Finanzströme im Kreml dienen der Stabilisierung des Systems Putin. An Stelle der Ideologie ist Pragmatismus ausschlaggebend in der Kreml-Politik.

Das Gerede von der Energie-Erpressung und vom Energie-Imperialismus verdeckt das Wesentliche: der Kreml ist nach wie vor an einer strategischen Partnerschaft mit Europa interessiert, wie sie von Putin in seiner Bundestagsrede 2001 formuliert wurde. Allerdings nur dann, wenn Europa die Realitäten in Russland anerkennt, zu denen auch gehört, dass der russische Staat seit Putins Bundestagsrede an Kraft gewonnen hat.

Der Gaskonflikt 2006 und der Druschba-Streit 2007 bestätigen diese Orientierung, statt ihr zu widersprechen.

Russland führt sich auf wie der Bär im Porzellanladen


Dass Russland sich in den Konflikten jeweils aufführte wie der Bär im Porzellanladen, europäische Partner nicht konsultierte und den außenpolitischen Schaden für sich selbst damit noch maximierte, ist vergleichsweise unwichtig und ändert nichts an der Grundorientierung.

Die Schlussfolgerung für die europäische Energiepolitik ist das gerade Gegenteil dessen, was sich aus dem Mainstream der jetzigen Diskussion ergäbe. Wichtig wäre: Anerkennung der Tatsachen, Verstärkung der Kooperation, Förderung von Energieeffizienz, Integration durch Verflechtung.

Gisbert Mrozek, Moskau (gim/.rufo)



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