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Dunkelhäutige Fußballer wie Samuel Etoo haben es schwer im rassistischen Russland. (Foto: vesti.ru) |
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Donnerstag, 19.04.2012
Der alltägliche Rassismus im russischen FußballMoskau. Der russische Fußball steckt in einem Sumpf aus Rassismus, Rechtsradikalismus und Homophobie. Doch weder Vereine noch Verband im Gastgeberland der WM 2018 kämpfen dagegen an. Die Fans sind sich selbst überlassen.
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Moskau (dpa) - Bananenwürfe gegen dunkelhäutige Spieler, beleidigende Banner und Gesänge: Der russische Fußball hat ein gewaltiges Rassismusproblem. Der vom staatlichen Gasriesen Gazprom unterstützte Titelverteidiger Zenit St. Petersburg musste gerade einmal 10.000 US-Dollar zahlen, nachdem ein Fan dem brasilianischen Superstar Roberto Carlos eine geschälte Banane anbot.
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Für rassistisches Verhalten ihrer Anhänger bekommen die Vereine im Land des WM-Gastgebers 2018 nur symbolische Strafen. Experten erheben schwere Vorwürfe gegen den Verband und die Clubs. «Niemand kümmert sich darum», sagt Ex-Spieler Jewgeni Lowtschew.
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Bananenskandal in Samara
Rassistische Fans sind in russischen Stadien allgegenwärtig. Auch bei Krylja Samara gab es einen Bananenskandal - wieder gegen Roberto Carlos, der für Anschi Machatschkala spielt. Der Ex-Nationalspieler verließ tränenüberströmt das Spielfeld.
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Doch der Fan, der sich später stellte, kam ungestraft davon. Der Wurf habe keinen rassistischen Hintergrund gehabt, teilte der Verein aus Südrussland lapidar mit. Andere Spieler sind bereits vor dem Rassismus geflohen. Der aus Niger stammende Ouwo Moussa Maazou etwa kehrte ZSKA Moskau nach nur wenigen Spielen wieder den Rücken - er war fast in jeder Partie rassistisch beleidigt worden.
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«Wir wollen keine Neger in unserer Mannschaft», erzählt Sergej (Name geändert) der Deutschen Presse-Agentur. Der 32-Jährige ist Fan von Spartak Moskau. Der Rekordmeister hat nach Ansicht von Experten die radikalsten Anhänger, obwohl dunkelhäutige Spieler wie der Brasilianer Welliton seit Jahren Leistungsträger sind.
Choreographie zu Hitlers Ehren
Einst veranstalteten die Spartak-Fans eine Choreographie zu Ehren von Adolf Hitler, immer wieder gibt es Transparente mit Texten wie «Spartak ist nur für Weiße» oder «Affen, haut ab». Nazi-Symbole sind in vielen Kurven Standard. Die Fans sind oft eng mit ultranationalistischen oder rassistischen Gruppen verbunden.
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Als im Dezember 2010 ein Spartak-Fan in Moskau im Streit um ein Taxi von einem Kaukasier getötet wurde, randalierten mehrere Tausend Hooligans und Rechtsradikale auf einem Platz nahe des Kreml und machten im Stadtzentrum Jagd auf alle, die nicht wie Slawen aussahen.
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«Grundsätzlich ist Rassismus in Russland das Ergebnis fehlender Fanarbeit», berichtet der Sportjournalist Juri Sokolow im Gespräch mit der Agentur Rosbalt. «Die Fans machen auf den Rängen, was sie wollen.» Experten fordern aber auch höhere Strafen für Anhänger und Vereine bis hin zu lebenslangen Stadienverboten oder Punktabzügen.
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Russischer Fußballverband ahnunglos
Spartak Moskau will nun gegensteuern und eine Organisation gründen, die Rassismus und ebenfalls weit verbreitete Probleme wie Antisemitismus und Schwulenhass bekämpfen soll. «Der Fußballverband hat offenbar keine Ahnung, wie ernst das Problem ist», sagt Spartak-Sprecher Leonid Trachtenberg dem Magazin «Wsgljad». Mit regelmäßigen Aktionen will der Traditionsclub nun Flagge zeigen.
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Sich gewehrt hat der Ex-Herthaner Christopher Samba, der seit Jahresbeginn wie Roberto Carlos für Anschi spielt. Als er im Spiel bei Lokomotive Moskau von der Haupttribüne mit einer Banane beworfen wurde, schmiss er die Frucht zurück. «Solche Leute sind Feiglinge, sie verstecken sich in der Masse», sagte der Abwehrspieler.
(Bendekit von Imhoff, dpa)
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Stoll 20.04.2012 - 09:46
Eine konstante russophobe Hetzkampagne der Westmedien existiert nur in den Augen einiger Wirrköpfe. Hier wird Kritik am russischen, teils noch sehr stark sowjetischen Gesellschaftssystem geäußert. Viele russische, ukrainische, weißrussische usw. Touristen sind durchaus angetan vom Leben der Menschen im westlichen Ausland und würden es gerne auch in ihre Länder übertragen. Denn der Lebenstandard ist bei allen existierenden Schwierigkeiten viel höher als in ihren Heimatländern.
KolomnaPiter 19.04.2012 - 22:59
Rassismus im russischen Fußball
Ich stehe seit Jahren im Fanblock bei Zenit St. Petersburg und kann sagen - der Rassismus ist ein Problem. Natürlich geilen sich deutsche Medien an jeder negativen Erscheinung in Russland auf, aber in diesm Fall ist die Tendenz schon richtig dargestellt. Leider, muss ich sagen, ich hätte es gerne anders. Zumal Petersburg als weltoffene Stadt diese rassistischen Ausfälle gar nicht zu Gesicht stehen.
jich 19.04.2012 - 22:21
Roberto Carlos, der für Anschi Machatschkala spielt.
Roberto Carlos letztes Spiel laut transfermarkt.de war am 26.09.2011
´Der Ex-Nationalspieler verließ tränenüberströmt das Spielfeld.´
Ganz im Gegenteil: Carlos gab sich danach kämpferisch und sagte solche Vorfälle würden ihn nie unter unterkriegen.
´Ouwo Moussa Maazou etwa kehrte ZSKA Moskau nach nur wenigen Spielen wieder den Rücken - er war fast in jeder Partie rassistisch beleidigt worden.´
Er hat den Vertrag bei ZSKA noch bis Ende 2012 und ist lediglich an Le Mans ausgeliehen worden. Außerdem spielen/spielten bei ZSKA
Oliseh, Sekou Musa, Ahmed
Doumbia, Seydou
Vágner Love
Die letzteren beiden sind Super-Torjäger und genießen Kultstatus.
Vagner spielt neuerdings in Brasilien und sagte in seinem letzten Interview, dass er seine Zeit in Moskau genossen hat.
Natürlich gibt es rassistische Fälle in der Primjer Liga. Die Einzefälle aus mehreren Jahren zusammen zu fassen und sie als neuartige Regelfälle darzustellen ist wieder mal ein grandioser Schachzug der dpa. Ich erinnere mich vor Jahren an Berichte über angeblich riesige russische Hooligan-Szene etwa um 2008 herum. Irgendwie ist es still darum geworden und Schreck-Geschichten Rassismus sind wohl als guter Ersatz für die konstante russophobe Hetzkampagne der Westmedien in den Vordergrund gerückt. Ich wette, wenn die Thematik langweilig wird, sind wohl die Geschichten um von Oligarchen-finanzierte Vereine dran, für die es ausschließlich um Prestige und nicht den ansonsten kommerzlosen Sport selbst geht, dran.
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