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Brauchen auch mal Erholung: Dünenlandschaft auf der Kurischen Nehrung (Foto: Plath/.rufo) |
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Mittwoch, 25.03.2009
Kaliningrad: Tourismus zwischen Wunsch und WirklichkeitThoralf Plath, Kaliningrad. Dem gerade aufblühenden Tourismus an Russlands Bernsteinküste droht in 2009 ein herber Einbruch. Experten gehen von fast einem Viertel weniger Urlaubern aus. Dafür können sich bald Dünen und Strände erholen.
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Sie hatten sich redlich Mühe gegeben, die Vertreter von zehn Kaliningrader Reisebüros und Touristikfirmen auf der ITB 2009 in Berlin.
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Sie warben einladend mit dem Naturwunder Kurische Nehrung und den Stränden der Bernsteinküste, von deren Fotos in frischen Hochglanzmagazinen noch der letzte Makel wegretuschiert worden ist: der Himmel so blau, die Ostseebrandung so frisch, der Sand so weiß zwischen Selenogradsk und Swetlogorsk.
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Fotogalerie (Foto anklicken)
Kaliningrad-Tourismus zwischen Wunsch und Wirklichkeit
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20 Prozent weniger Gäste erwartet
Doch die Realität sieht nicht so rosig aus wie die schicken Prospekte es suggerieren. In den nächsten beiden Jahren droht der gerade aufblühenden Tourismusbranche in Russlands Ostsee-Exklave ein herber Rückschlag.
Marina Drutman, Touristik-Chefin in der Gebietsregierung, geht davon aus, dass in diesem Jahr 20 Prozent weniger Touristen nach Kaliningrad kommen werden ihre Abteilung prognostiziert eine Gästezahl von rund 400 000. Die Assoziation des Kaliningrader Gastronomie- und Hotelgewerbes befürchtet gar einen Rückgang um mehr als ein Viertel.
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Das geht ins Geld: Jeder Tourist gibt laut offizieller Statistik pro Tag 4500 Rubel, also rund hundert Euro aus für Übernachtung, Verpflegung und was man sonst so konsumiert im Urlaub.
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Im vergangenen Jahr füllten sie noch die Strände: Urlauber bei Selenogradsk/Cranz (Foto: Plath/.rufo) |
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Schon jetzt registrieren die meisten Reisebüros und Hotelbetreiber deutlich weniger Sommer-Buchungen und eine drastisch gesunkene allgemeine Nachfrage. Selbst die Hotels und Sanatorien in Kaliningrads Vorzeige-Seebad Swetlogorsk (Rauschen), in der Saison gemeinhin restlos ausgebucht, melden durchweg freie Kapazitäten. Vor allem Touristen aus Kernrussland drohen in diesem Jahr deutlich weniger zu kommen: Die Krise lässt grüßen.
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Sotschi des Nordens wiederentdeckt
Vor allem der russische Binnentourismus beginnt sich gerade zu einem Wirtschaftszweig zu entwickeln für das Gebiet Kaliningrad. Seit es aufwärts geht in Russland und sich wieder mehr Leute Ferien jenseits der eigenen Datscha leisten können, entdeckt mancher die Bernsteinküste wieder.
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Zu Sowjetzeiten galt es fast als Auszeichnung, in Swetlogorsk, dem Sotschi des Nordens, Urlaub zu machen. Dann, in den düsteren 1990er Jahren, kam der Absturz. Doch seit 2004 steigen die Gästezahlen von Jahr zu Jahr stetig.
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Aus Moskau und St. Petersburg rückt in der Ferienzeit eine wahre Völkerwanderung an, über 80 Prozent der Sommergäste zwischen Swetlogorsk und der Kurischen Nehrung stammen aus Kernrussland. Aber auch Russen aus den baltischen Republiken machen hier gern Ferien. Es ist schlichtweg billiger als in Jurmala, Palanga oder Pärnu, und: man ist unter Landsleuten.
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80 Prozent der Urlauber kamen bisher aus dem russischen Kernland - auf diesem Bild sind es aber Alteingesessene, die die alte Heimat wiederbesuchen ...(Foto: Plath/.rufo) |
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Touristische Angebote im Aufwärtstrend
Wo das Geschäft lohnt, wachsen die Angebote. Hotels gibt es in Kaliningrad und den Seebädern Swetlogorsk (Rauschen) und Selenogradsk (Cranz) mittlerweile für beinahe jeden Geschmack, wenngleich Neueröffnungen wie der Kaiserhof in Kaliningrad oder das Falke Resort in Swetlogorsk vor allem auf zahlungskräftige Kundschaft zielen und das Übernachtungsangebot im Sommer allgemein zur Überteuerung neigt.
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Günstige Mitteklassehotels mit einem passablen Preis-Leistungsverhältnis sind nach wie vor Mangelware. Neben den offiziellen Herbergen gibts an der Küste zahllose Privatquartiere und kleine Pensionen. Ehemals staatliche Sanatorien modernisieren ihr Angebot und werben, nach Kräften entsowjetisiert, mit günstigen Spa-Paketen gezielt auch um westliche Kundschaft.
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Staatliche Förderung - für Gigantomanie?
Die Gebietsregierung von Gouverneur Georgi Boos tut eine Menge, um den Ausbau der touristischen Infrastruktur voranzubringen. In den Seebädern sollen die Strandpromenaden zum Teil nach historischem Vorbild wiedererrichtet werden. Der Staat investiert Millionen in den Küstenschutz, auch um den beängstigenden Strandabtrag zu stoppen.
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Mehrere Aquaparks sind in Planung oder schon im Bau, es gibt ein russisch-litauisches Projekt zur Entwicklung des Bootstourismus auf dem Kurischen Haff und den Flüssen des Memeldeltas.
In Kaliningrad, Swetlogorsk und Rybachij (Rossitten) auf der Kurischen Nehrung eröffneten Touristeninformationsbüros nach westlichem Muster mit einem breiten Angebot von Stadtführungen bis zur Vermittlung von Privatquartieren, auf dem Pregel drehen Ausflugsschiffe ihre Runden und auf der Nehrung ist der Bau eines Radweges geplant alles Dinge, die vor zehn Jahren noch wie Themen von einem anderen Stern klangen in Russlands Ostsee-Exklave.
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Selbst ehemalige Sperrgebiete wie die Frische Nehrung und die Bernsteinstadt Jantarnyj (Palmnicken) avancieren inzwischen zu touristischen Entwicklungszonen.
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Die grosse Auswahl: Pizza oder Schaschlik?
Das ist freilich nur die eine, die glänzende Seite der Kaliningrader Touristik-Medaille. Es gibt auch die andere. Zum Beispiel die Gastronomie: Nach wie vor ist das kulinarische Angebot an der Küste von dem etwa der baltischen Urlaubszentren meilenweit entfernt.
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Von der Gebietshauptstadt und dem Seebad Rauschen abgesehen, hat man vielerorts kaum mehr als die Wahl zwischen Pizza und Schaschlik.
Müll statt Strand
Auch das Müllproblem bekommen die Ostseekommunen trotz aufwändiger Plakat-Kampagnen nicht in den Griff: Nach einem Sommertag sehen manche beliebte Strandabschnitte außerhalb der Kurorte aus wie wilde Müllhalden.
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So etwas wie eine touristische Erschließung spürt der Reisende in der Exklave Kaliningrad nur an der Ostseeküste und in der Gebietshauptstadt östlich davon, in der alten ostpreußischen Provinz, gibt es vielerorts kaum mehr als ein schlichtes Hotel, von anspruchsvoller Gastronomie ganz zu schweigen.
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Dafür schlägt dem Touristen auf dem Land soviel Armut und Verfall entgegen, dass Urlaubern mit empfindsamem Gemüt die Ferienstimmung schnell vergeht.
Aber es gibt sie doch auch noch - die Romantik der Provinz.
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