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Mittwoch, 28.07.2004

Deutsche in Russland: Die 5. Kolonne des Kaisers

Von Karsten Packeiser, Moskau. Sie fühlten sich als echte Patrioten ihrer Heimat und wurden doch behandelt wie Landesverräter. Der Beginn des Ersten Weltkrieges wurde für die deutschen Untertanen des russischen Zaren zu einer persönlichen Tragödie. Einer offenbar bereits geplanten totalen Deportierung entgingen die Russlanddeutschen nur, weil die Deutschen-Politik von Nikolaus II. wegen der Revolutionswirren 1917 nicht mehr zu Ende geführt werden konnte.

Sowjet-Tyrann Josef Stalin holte dies wenige Jahrzehnte später nach.

„Als der Weltkrieg begann, war unser erster Gedanke, dass nun für die evangelischen Christen und die Deutschen, ganz besonders aber für die lutherischen Pastoren in Russland, eine so harte Zeit anbricht, wie sie keiner unserer Vorfahren je erlebt hatte“, schrieb der Moskauer Pfarrer Theophil Meyer 1918. „Und wir hatten uns nicht getäuscht.“

Jahrhundertelang hatte die deutsche Minderheit in Russland gelebt, von den Zaren einst in das Riesenreich gerufen, um dessen Modernisierung voranzutreiben. Unter Katharina der Großen hatte eine Masseneinwanderung von Bauern in die Ukraine und die südliche Wolgaregion begonnen. Die Deutschen, die meist schon seit Generationen russische Staatsbürger waren, wurden wegen ihres wirtschaftlichen Erfolgs bewundert und beneidet, viele dienten auf einflussreichen Positionen der Regierung des Zaren.

1914 und besonders ab 1915 nahmen die Feindseligkeiten gegen die als potenzielle Spione abgestempelten Deutschen massiv zu. Die damalige Hauptstadt Sankt Petersburg erhielt statt ihres deutschen den slawischen Namen Petrograd. Der Gebrauch der deutschen Sprache wurde in der Offentlichkeit verboten, die deutschen Zeitungen in Moskau und Sankt Petersburg mussten ihr Erscheinen einstellen. Eine Reihe von Großbauern und Industriellen wurde nach dem Erlass antideutscher Gesetze enteignet. 200.000 deutschstammige Einwohner der Westukraine wurden nach Sibirien deportiert.

Schwarze Hundertschaften hinter den Pogromen

Viele Russen machten die Minderheit für die militärischen Niederlagen an der Front und den Hunger in den Städten verantwortlich. „Die Stimmung wurde von den Rechtsextremen, den so genannten Schwarzen Hundertschaften angeheizt“, ist sich Viktor Disendorf von der Gesellschaftlichen Wissenschaftsakademie der Russlanddeutschen sicher. In Moskau begannen im Mai 1915 blutige Pogrome, über deren genaue Opferzahl unter den Deutschen es bis heute keine genauen Angaben gibt.

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Der Zar, immerhin selbst mit der deutschen Prinzessin Alexandra von Hessen-Darmstadt verheiratet, schritt erst ein, als die Gewalt vollig außer Kontrolle zu geraten drohte. „Diese Bewegung ist nicht sozialistisch“, bemerkte der orthodoxe Priester Ioann Wostorgow, ein Augenzeuge der Pogrome, in einem Brief, „daher können Armee und Polizei sich auf die Seite des Pöbels stellen.“

Dabei hält der Historiker Disendorf die Kollaborations-Vorwurfe für völlig unberechtigt. „Die Russlanddeutschen waren nicht nur loyal gegenüber ihrer Heimat, sondern haben es auch mit Taten bewiesen“, sagt er. Denn allem Misstrauen zum Trotz kämpften auch Deutsche in der Zarenarmee. Aus Sicherheitserwagungen wurden sie allerdings vorrangig nicht gegen Deutschland und Österreich an die Westfront, sondern in den Kaukasus geschickt, wo die Zarenarmee den Truppen des türkischen Sultans gegenüber stand.

(epd)


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