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TV-Studio in Moskau (Foto: Schdanow/rUFO)
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Mittwoch, 26.02.2003

Bildschirmstars - Die russische Fernsehlandschaft (6)

Von Karsten Packeiser, Moskau. In den Jahren des russischen Wildwest-Kapitalismus polarisierten Fernsehjournalisten und Moderatoren von Politsendungen die Gesellschaft in fast demselben Ausmaß, wie führende Politiker. Inzwischen sind die schärfsten Polaristen wie der einstige Chef-Propagandist Sergej Dorenko oder der Ex-NTW-Direktor Jewgenij Kisseljow aus dem Rampenlicht verschwunden oder zumindest etwas leiser geworden. Dennoch bleiben die Informationsprogramme des russischen Fernsehens stark personenorientiert, wohl auch deshalb, weil ein subjetives Herangehen an die Wirklichkeit generell der Tradition des russischen Journalismus entspricht.

Der Altmeister des Polit-Talks

Wladimir Posner moderiert jeden Sonntagabend auf dem "1. Kanal" mit "Wremena" ("Zeiten") eine der populärsten Polit-Talkshows des russischen Fernsehens. Der weltgewandte Altmeister des russischen Journalismus wurde 1934 in Paris geboren, wuchs in den Vereinigten Staaten auf und kam erst 1953 in die Sowjetunion.

W. Posner (Foto: www.newsru.com)
W. Posner (Foto: www.newsru.com)
Posner begann seine journalistische Karriere, wie viele andere russische TV-Berühmtheiten auch, beim Moskauer Auslandsrundfunk, wo er für englischsprachige Propagandasendungen verantwortlich war. Amerikanische Fernsehsender riefen ihn bereits während der Breschnew-Ära mit Vorliebe in ihre Diskussionsrunden, weil er voller Überzeugung in allen Fragen den sowjetischen Standpunkt verteidigte, ohne dass es so plump aussah wie sonst bei den anderen Gästen aus der kommunistischen Supermacht.

Landesweite Berühmtheit erlangte Posner aber, als er Mitte der 80er Jahre mit über fünfzig zum sowjetischen Fernsehen kam und die ersten Fernseh-Live-Schaltungen zwischen Zuschauern in den USA und in der Sowjetunion moderieren durfte. "Gorbatschow, Glasnost, die Politik", erinnerte sich der Journalist in einem Interview mit der "Iswestija", "dass ich drüben aufwuchs und hier lebte: Alles, was mir in meinem Leben widerfuhr, hat mich für diese Sendung vorbereitet". Gespannt starrte die ganze Sowjetunion damals auf den Bildschirm. Zum ersten Mal konnten die Russen erfahren, wie normale amerikanische Bürger lebten und was sie dachten.

Posner darf sich als einer der ganz wenigen in den staatlich kontrollierten Fernsehsendern auch heute immer noch Kritik zu heiklen Fragen erlauben und in "Wremena" Themen anschneiden, die ansonsten beim ersten Kanal mit einem Tabu belegt sind. Seine Sendung moderiert er gemeinsam mit der Nachrichtensprecherin Schanna Agalakowa, aber vom ersten Augenblick ist jedem Zuschauer klar, wer von beiden in der Sendung den Ton angibt. Posner hält sich nicht mit seiner Meinung zurück, widerspricht seinen Gästen gern. Agalakowas Rolle beschränkt sich weitgehend darauf, mit einigen Einwürfen zur aktuellen Nachrichtenlage zu assistieren.

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Der russische Bernhard Grzimek

Ganz fern von jeder Politik, aber dafür seit Jahrzehnten ebenfalls einer der beliebtesten Moderatoren im russischen Fernsehen ist Nikolai Drosdow, der Bernhard Grzimek des russischen Fernsehens. Der studierte Biologe moderiert seit Ende der 60er Jahre die populärste Tiersendung der Sowjetunion und heute Russlands "W mire schiwotnych" ("In der Welt der Tiere"). So beständig wie der charmante Moderator hat sich die Sendung, die ebenfalls auf dem "1. Kanal" läuft, auch ihren Abspann bewahrt. Wie schon vor einer Generation flattern mittlerweile mächtig altmodisch wirkende Scherenschnitt-Kraniche über den Bildschirm, nachdem der Moderator sich von seinem Publikum verabschiedet hat.

Bis heute reist Drosdow, Jahrgang 1937, um den Globus, um den russischen Zuschauern exotische Kreaturen vorzustellen, verwendet aber auch Material ausländischer Tierfilmer. Im Studio, von dem aus der weißhaarige Fernseh-Veteran seine Sendung moderiert, tummeln sich oft die verschiedensten Vierbeiner. In der Sendung selbst wechseln Aufnahmen aus der freien Natur sich mit Studiogesprächen zwischen Drosdow und eingeladenen Tierexperten ab.

Längst sind Drosdow seine Tiere so ans Herzen gewachsen, dass er zum überzeugten Vegetarier wurde. Der Tierfilmer kann nicht nur fesselnd über exotische Tiere erzählen, sondern ist neben seiner Fernseharbeit auch in der Forschung tätig. Drosdow ist Dozent an der Moskauer Lomonossow-Universität, Autor eines Uni-Lehrbuchs über "Biogeografie", gilt als Experte für Ökosysteme in Wüstenregionen und legte unlängst eine Habilitationsschrift vor. Außerdem leiht er seine Stimme auch für die Synchronisierung ausländischer Tierfilme.

Auch die anderen russischen Kanäle haben unter dem Eindruck von Drosdows Erfolg eigene Tiersendungen eingeführt. In jüngster Zeit muss sich der Patriarch mit seinen Kollegen auch kritisch vergleichen lassen. Den Ausgaben von "W mire schiwotnych" fehle es zunehmend an einem durchgehenden Konzept, moserte das Nachrichtenmagazin "Jeschenedelnyj Schurnal". "Wie schon die Evolutionstheorie besagt, teilen die jungen fortschrittlichen Arten ökologische Nischen untereinander auf und entfernen sich zunehmend voneinander", lästerte das Blatt. "Ihrem gemeinsamem Vorfahren bleiben nur geringerwertige Ressourcen, die Reputation eines lebenden Fossils und Erinnerungen an die große Vergangenheit."

T. Mitkowa (Foto: www.newsru.com)
T. Mitkowa (Foto: www.newsru.com)
Die couragierte Tatjana Mitkowa

In den 90er Jahren rückte eine ganze Reihe jüngerer TV-Journalisten in den russischen TV-Olymp nach. Wichtigstes Ereignis dieser Jahre für die neue russische Fernsehelite war die Gründung des russischen Privatsenders NTW. Viele talentierte Reporter und Moderatoren fanden sich bei dem Kanal des Medienmagnaten Wladimir Gussinskij wieder.

Zu ihnen gehört auch die langjährige Chefsprecherin Tatjana Mitkowa. Dabei wäre Mitkowas Karriere gegen Ende der Sowjetzeit beinahe schon beendet gewesen, bevor sie wirklich begann. Mit viel Zivilcourage reagierte die Journalistin im Januar 1991 auf den Sturm des Fernsehzentrums in der nach Unabhängigkeit strebenden Teilrepublik Litauen.

Die Mitkowa weigerte sich, einen von Vorgesetzten verfassten Kommentar zu verlesen, der die blutigen Ereignisse im Baltikum rechtfertigte. Das kostete sie ihre Stelle beim sowjetischen Staatsfernsehen. Mitkowa arbeitete eine Zeitlang für das Moskauer ARD-Studio und kehrte nach dem gescheiterten August-Putsch gegen Michail Gorbatschow wieder als Nachrichtensprecherin auf den Bildschirm zurück. Ab 1993 arbeitete sie für das neu gegründete NTW und wurde dort zu einem der bekanntesten Gesichter.

Mitkowa blieb, als viele ihrer Kollegen NTW im April 2001 verließen. Sie arrangierte sich mit den neuen Eigentümern und beerbte Jewgenij Kisseljow als Chefredakteurin des Senders. Nach wie vor lässt sie es sich nicht nehmen, mit charmantem Lächeln und manchmal auch eigenen Kommentaren zum Tagesgeschehen die 19-Uhr-Abendnachrichten zu moderieren. Die Journalistin ist nicht nur so beliebt, dass sich ein unglücklicher Verehrer einst vor ihrer Wohnung die Venen aufschlitzte.

Die Journalistin hat auch viele Feinde. Für manche Anhänger des alten NTW gilt sie als Verräterin, weil sie sich mit dem neuen von Gasprom eingesetzten Management einließ. Die russischen Kommunisten setzten Mitkowa aber schon in den 90er Jahren auf eine schwarze Liste ihrer Ansicht nach käuflicher Journalisten, die im Dienste des bekämpften korrumpierten Jelzin-Regimes standen. Zum ersten Mal war bereits 1991, als Mitkowa nach dem August-Putsch für ihre Recherchen Zugang zu den KGB-Archiven erhielt und eine Reportage über die Verbindungen des russisch-orthodoxen Klerus zum Geheimdienst produzierte, ein Proteststurm losgebrochen.

S. Schuster (Foto: Mrozek/rUFO)
S. Schuster (Foto: Mrozek/rUFO)
Der meinungsfreudige Sawik Schuster

Ein anderer Lieblingsfeind für viele national-patriotisch gesinnte Russen ist seit langem Sawik Schuster. Schuster war als 19-Jähriger aus dem damals sowjetischen Baltikum emigriert, lebte in Kanada und Italien und berichtete in den 80er Jahren für führende westliche Zeitungen und Zeitschriften aus den damals heißesten Krisengebieten wie dem Libanon oder Nicaragua. Auf Seiten der Mudschaheddin schrieb er über den Afghanistan-Krieg.

1996 übernahm er die Leitung des Moskauer Büros von Radio Liberty. Parallel dazu moderierte der erklärte Fußballfan bei NTW später die Sendung "Tretij Taim" ("Dritte Halbzeit"), die von manchen Kritikern als Sportschau für die Intelligenzija hochgejubelt, von anderen wiederum als langweilig zerrissen wurde.

Nach der NTW-Übernahme durch den halbstaatlichen Gasprom-Konzern im April 2001 forderten die Direktoren des US-Senders Schuster ultimativ auf, seine Sportsendung aufzugeben. Es widersprach der amerikanischen Sicht von Political Correctness, dass er dort weiter arbeitete, während die US-Administration gleichzeitig wegen der Ereignisse um NTW das Ende der Pressefreiheit in Russland beklagte. Als der Journalist sich weigerte, wurde er als Chef des Moskauer Liberty-Büros abgesetzt.

Inzwischen hat sich Schuster einen Bart wachsen lassen und moderiert die Sendung "Swoboda Slowa" ("Meinungsfreiheit"). "In dieser Sendung wird die Meinungsfreiheit nur durch die Zeit und durch mich, Sawik Schuster, begrenzt", pflegt er zu sagen. Ob Sawik Schuster die bei seinem Sender wohl bevorstehenden personellen Umstellungen nach der Entlassung des NTW-Direktors Boris Jordan überstehen wird, ist derzeit offen. Einige seiner Sendungen - speziell die Folge, in der das Moskauer Geiseldrama diskutiert wurde, sollen der russischen Führung übel aufgestoßen sein.

Nach der Nord-Ost-Sendung war bereits gemunkelt worden, Schuster dürfe keine Live-Sendungen mehr moderieren. "Aus technischen Gründen" wurden einige der folgenden Ausgaben seiner interaktiven Politshow dann wirklich als Aufzeichnung gesendet. Prompt beschwerte sich ein Gast, regierungskritische Äußerungen seien aus dem Programm herausgeschnitten worden.

A. Mamontow (Foto: Djatschkow/rUFO)
A. Mamontow (Foto: Djatschkow/rUFO)
Der "real life"-Reporter Arkadij Mamontow

Schon Jahre, bevor das Media-Most-Imperium des Wladimir Gussinskij in einer weltweit beachteten Entscheidungsschlacht mit dem Gasprom-Konzern zerfiel, hatten die staatsnahen Sender ORT und RTR (heute "1. Kanal" und "Rossia") damit begonnen, Starmoderatoren und -reporter von NTW abzuwerben. Viele konnten der Versuchung nicht widerstehen. Jewgenij Rewenko, der heute an Sonntagen durch eine Art Wochenspiegel-Sendung führt, kehrte ebenso zum Staatsfernsehen zurück wie Jelena Masjuk, die für NTW aus Tschetschenien und anderen Kriegsgebieten berichtete und von Rebellen monatelang in kaukasischer Geiselhaft gehalten wurde. Bei RTR verzieh man ihr auch Jugendsünden wie ein Interview mit dem radikalen Warlord Schamil Bassajew, als der bereits wegen einer Reihe von Kapitalvebrechen von der russischen Staatsanwaltschaft per Haftbefehl gesucht wurde.

Diese Rückkehr von Starjournalisten zu Vater Staat sei nicht verwunderlich gewesen, schrieb die Moskauer "Nesawissimaja Gaseta". Vielen Reportern und Moderatoren habe die ewige Schwarzmalerei des Gussinskij-Senders nicht gepasst. "Eine typische NTW-Reportage war aktuell, schnell, genau, haarsträubend und oberflächlich", so das Blatt. Das Staatsfernsehen habe bei der journalistischen Arbeit immer einen ganz gegensätzlichen Ansatz verfolgt: "Anstelle von Albträumen und Schauermärchen gibt es den Versuch, scharfe Kanten zu glätten und bei den Zuschauern wenn auch nicht Hoffnung auf eine leuchtende, so doch zumindest mehr oder weniger normale Zukunft zu machen." Anderen Berichten zufolge gab allerdings der Gehaltsscheck bei RTR den Ausschlag für die Entscheidung vieler NTW-Journalisten.

Auch Arkadij Mamontow arbeitet heute wieder für den Staatskanal. Er berichtete seit dem Ausbruch des armenisch-aserbaidschanischen Krieges um die Enklave Bergkarabach Ende der 80er Jahre aus nahezu allen Krisengebieten der ehemaligen Sowjetunion. Heute ist er als Sonderkorrespondent für den Staatssender "Rossia" unterwegs.

Mamontow jagt skrupellose Kinderhändler, Mamontow mit Stahlhelm auf dem Kopf in den Palästinensergebieten - ein Mann für heikle Aufträge. Im August 2000 war er der einzige Journalist überhaupt, der nach dem Untergang des Atom-U-Boots "Kursk" mit seinem Team die hilflosen Rettungsversuche der russischen Kriegsmarine direkt von vor Ort aus der Barentsee begleiten durfte. Seine Berichte wurden von unzähligen Fernsehsendern auf der ganzen Welt übernommen.

Arkadij Mamontow will mit seinen Reportagen wachrütteln. Und er ist sich seiner Bekanntheit wohl bewusst. Ohne Voranmeldung marschiert er mit seinem Kameramann in die Amtsstuben der Provinzbürokraten, die seiner Ansicht nach schuld daran sind, dass Tausende von Russen im Winter ohne Heizung in ihren eingefrorenen Wohnungen ausharren müssen. "Ich bin nicht für die Heizversorgung verantwortlich, sondern mein Stellvertreter", beschwört ein überrumpelter Bürgermeister. "Nicht verantwortlich?", bellt Mamontow dem Bürokraten zurück , "Sie sind doch der Chef hier. Wofür sind Sie denn dann verantwortlich?"

D. Sadretdinowa (Foto: www.rutv.ru)
D. Sadretdinowa (Foto: www.rutv.ru)
Frau mit Kopftuch: Dinara Sadretdinowa

Wer freitags am frühen Nachmittag das Programm von Rossia einschaltet, glaubt zunächst seinen Augen nicht zu trauen. Im Namen des Allmächtigen begrüßt eine junge Frau mit islamischem Kopftuch ihre Zuschauer. Dinara Sadretdinowa heißt die ungewöhnliche Moderatorin des russischen Staatsfernsehens. Sie führt einmal in der Woche durch das TV-Magazin "Musulmane". Im Februar feiert die Sendung, die Vorurteile gegenüber den Islam bekämpfen und gleichzeitig den mehreren Millionen russischen Muslimen ihre Kultur näherbringen will, ihren ersten Geburtstag.

Die Sendung ist Sadretdinowa wie auf den Leib geschneidert. Denn die in Moskau aufgewachsene Tochter tatarischer Eltern entdeckte für sich den Islam während ihres Schauspielstudiums. Die eigentlich einmal angestrebte Schauspielkarriere geriet immer weiter in die Ferne. "Das moderne Theater war mit meiner Religion nicht mehr zu vereinbaren", sagt Sadretdinowa. Ausgerechnet beim russischen Staatsfernsehen kann die streng Gläubige jetzt ihrem Traumberuf nachgehen.

Vor dem Start des TV-Magazins "Musulmane" moderierte Sadretdinowa schon bei einem kleineren Kanal eine Moslem-Sendung, die aber stark religiös ausgerichtet war und auch aus diesem Grund nur einen kleinen Zuschauerkreis für sich gewinnen konnte. "Musulmane" kann erstaunliche Quoten von 25 Prozent verbuchen. "Damit hatten selbst wir nicht gerechnet", sagt der zuständige Redakteur Wassilij Antipow. "Am Anfang habe ich noch in der Moschee beim Imam um Rat gefragt", erzählt Sadretdinowa. Doch inzwischen hat die Moderatorin sich selbst intensiv mit den Grundlagen der islamischen Religion befasst und Arabisch, die Sprache des Korans, gelernt.

Je länger sie das religiös-kulturelle Programm moderiert, umso eifriger befolgt Sadretdinowa selbst die Vorschriften für Strenggläubige. Bei ihren ersten Fernsehauftritten nahm sie das Kopftuch wieder ab, nachdem die Aufnahmen beendet waren. Inzwischen komme das für sie nicht mehr in Frage, sagt sie. Sie sei im Alltag genau so wie vor der Kamera und es könne ja auch nicht angehen, dass die Moderatorin einer solchen Sendung mit lediglich gespielter Frömmigkeit vor die Zuschauer trete. Auch Sadretdinowas Kollegen bestätigen: "Von uns in der Redaktion weiß bis heute niemand, welche Haarfarbe sie eigentlich hat."

M. Schwydkoi (Foto: Djatschkow/rUFO)
M. Schwydkoi (Foto: Djatschkow/rUFO)
Der Kulturminister als Entertainer

Russland Kulturminister Michail Schwydkoi ist den Deutschen vor allem als Moskauer Chef-Unterhändler bei den zähen Beutekunst-Verhandlungen bekannt. Das russische Fernsehpublikum kennt den Minister jedoch noch aus einer ganz anderen Rolle. Schwydkoi moderiert auf den Staatskanälen "Kultura" und "Rossia" jede Woche seine eigene Sendung, für die Schwydkoi unlängst sogar den angesehensten russischen TV-Preis TEFI erhalten hat. "Kulturnaja Rewoljuzia" ("Kulturrevolution") wurde als beste russische Talkshow ausgezeichnet.

Mit jeweils zwei Gästen und dem Publikum debattiert der Minister über Themen wie "Das Internet ist das Ende der Kultur", "Es gibt keine Dummheiten, die man nicht in einem Popsong singen könnte" oder auch "In Russland kann man nicht überleben, ohne die Gesetze zu brechen". Nicht immer haben die geladenen Gäste jedoch wirklich widersprüchliche Ansichten. Dann drängt Schwydkoi seine Gesprächspartner zuweilen etwas grob in die gewünschte Richtung.

Der Minister opfert für seine Leidenschaft seine freien Sonntage und auch den nächtlichen Schlaf. "Diese Zeit verbringen meine Arbeitskollegen mit ihren Familien, laufen Ski, gehen schwimmen oder ins Theater", sagte er in einem Interview mit der "Nowaja Gaseta". Doch dieser gemeinnützige Einsatz wird Schwydkoi nicht von allen Zuschauern angerechnet. Eine Gruppe nationalpatriotischer Künstler und Schriftsteller forderte jetzt in einem offenen Brief den Rücktritt des in ihren Augen westlich-dekadenten Politikers.

"Schwydkoi achtet die Kultur des russischen Volkes nicht", bemängelte der Heimatdichter Valentin Rasputin. Weltkriegsveteranen stießen sich daran, dass Thesen wie "Der russische Faschismus ist schlimmer als der deutsche" im Moskauer Staatsfernsehen öffentlich diskutiert werden dürfen.

(epd).

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