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Von der Orangenen Revolutionsbegeisterung ist nur die Hülle übriggeblieben. Professionelle Wahlagitationsstände in Kiew (Foto: Mrozek/.rufo) |
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Montag, 27.03.2006
Ukraine Wahl: Allergie gegen Politik jeder FärbungGisbert Mrozek, Kiew. OSZE-Wahlbeobachter nennen die Wahl einen Beweis dafür, dass die Ukraine reif für die Demokratie ist. Das scheint fast genauso deplaziert, wie Putins Glückwunsch an Janukowitsch im Herbst 2004.
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Dabei war es tatsächlich so: die Wahlen verliefen ruhig und ohne Zwischenfälle. Die Banditenjeeps, die früher mit ihren kahl rasierten alternativen Wahlbeobachtern durch die Stadt kurvten, waren nicht zu sehen. Es ist auch prinzipiell unwichtig, ob fünf oder zwölf Prozent der Wähler nicht wählen konnten, weil sie gar nicht oder unter falschem Namen in den Wählerlisten waren, weil der Computer einfach russische Straßen- und Familiennamen ins Ukrainische übersetzt hatte, so dass aus Kusnetsow Kuja wurde, Puschkin als Gramatkin und Tolstoi als Debely notiert waren.
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Wichtig ist, dass die Wahlen nichts zur Legitimierung von Staat und Politik beigetragen haben. Im Gegenteil. Das ist zumindest der Eindruck aus vielen Gesprächen in Kiew.
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Ob blau oder orange, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich
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Eines scheint die Ukrainer in Ost und West zu vereinen: eine Allergie gegenüber den Politikern jeder Couleur. Ob blau oder orange, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. So die Volksstimme am Wahlsonntag.
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Gleich ob Viktor Juschtschenko mit seinem Block etwas mehr oder weniger als 15 % der Stimmen bekommt, das Wählervotum hätte nicht deutlicher ausfallen können. Revolutionsprinzessin Julia Timoschenko hat nur deswegen deutlich über 20 Prozent, weil sie sich von Juschtschenko distanzierte.
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In den Wochen vor dem Wahlsonntag war der ganze Maidan-Platz und die Chreschtschatik-Flaniermeile von einer Kette fabrikneuer orangener Agitationszelte gesäumt. Aber niemand von den Passanten rührte die angebotenen Flugblätter an.
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Fast niemand findet ein gutes Wort für Juschtschenko
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Es gibt dieser Tage fast niemanden in Kiew, der ein gutes Wort über Juschtschenko fände. Das gilt aber auch ausnahmslos für alle anderen ukrainischen Spitzenpolitiker und Beamte. Das Schachern, Manövrieren und Intrigieren um Koalition und Regierungsposten nach der Wahl, bei denen alle Programme vergessen werden, verstärkt die Abneigung. Es hat noch nicht einmal mehr Unterhaltungswert.
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Sollen Transparenz signalisieren: Wahlurnen in Kiew (Foto: Mrozek/.rufo) |
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Wohl keiner der Staaten im postsowjetischen Raum ist so durch und durch korrumpiert und diskreditiert, wie die Ukraine. Politik und Selbstbereicherung, Abgeordneter und Bandit sind fast schon Synonyme.
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Jedweder Posten im Staatsapparat wird ganz selbstverständlich als Instrument der Selbstbereicherung und Vetternwirtschaft betrachtet. Das Gemeinwohl findet in der ukrainischen Politik nur insofern statt, als es dem Politiker nützt.
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Politik und Selbstbereicherung, Abgeordneter und Bandit sind fast schon Synonyme
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Insofern ist es den vielen Kiewern inzwischen auch schon egal, ob die Regierung in der Wolle blau, orange oder weiss gefärbt sein wird. Am Wesen der Politik ändert es für sie auch kaum etwas, ob ein Politiker mehr nach Moskau oder Washington schielt, er denkt eh immer nur an das Eine.
Ob der Premier Janukowitsch, Timoschenko oder Jechanurow heissen wird, macht auch kaum noch einen Unterschied. In Kiew und dem Westen löst Janukowitsch allerdings noch mehr Allergiereaktionen aus, als im Osten. Bei Timoschenko ist es umgekehrt.
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Es ist auch schon fast egal, ob nach der Wahl gleich eine endlose Krisen- und Skandalserie folgt, oder ob sich erst eine extra-breite Große Koalition zur Rettung der Nation und der eigenen Posten bildet, die sich dann in Skandalen auflöst.
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Die Zeit, wo die Revolution noch die Massen ergriff, ist in Kiew vorbei, seit deutlich wurde, dass es eigentlich gar nicht um eine Revolution ging, sondern um Umverteilung der Posten.
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Es ging nicht um Revolution, sondern um Umverteilung der Posten
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Viele hatten unermüdlich orangene Fähnchen geschwenkt, weil sie von ganzem Herzen wünschten, das alte, korrupte postsowjetische System Kutschma loszuwerden. Aber dann stellte sich heraus, dass sich in Staat und Regierung eigentlich nichts änderte, außer dem Anstrich. In der Stadt Kiew wurde genauso geschoben und illegal gebaut, wie sonst auch. Und an Stelle der himmelhohen Begeisterung traten Ernüchterung und Ekel.
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Wenn die OSZE-Wahlbeobachter die Wahlen lobend einen Beweis dafür nennen, dass die Ukraine reif für die Demokratie ist, trägt das ebenso wenig zur Popularität der Europaidee bei, wie die voreiligen Glückwünsche Putins an Viktor Janukowitsch im vergangenen Herbst zur Popularität Moskaus.
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Eine dritte Kraft ist nicht in Sicht. Klitschko war es auch nicht.
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Gisbert Mrozek (gim/.rufo)
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