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Die neueste russische Waffentechnik wird am 9. Mai, dem Tag des Sieges, auf dem Roten Platz demonstriert (Foto: TV)
Die neueste russische Waffentechnik wird am 9. Mai, dem Tag des Sieges, auf dem Roten Platz demonstriert (Foto: TV)
Montag, 03.11.2008

Nach dem Krieg: Neuer Anlauf zu Armee-Modernisierung

Ulrich Heyden, Moskau. Die Lehren der russischen Armee aus dem Krieg um Südossetien: mehr Elektronik, schlanke Strukturen und Zeitsoldaten. Bezahlt werden soll die Modernisierung aus den Einnahmen des Öl- und Gasexports.

Das russische Fernsehen zeigt Kreml-Chef Dmitri Medwedew in letzter Zeit häufig bei Besuchen der russischen Streitkräfte, mal auf einem Raketenkreuzer im Nordmeer, mal beim Test-Start einer strategischen Topol-M-Rakete in der Taiga, mal beim Besuch eines Manövers mit Panzern und Haubitzen im Ural.

Allmählich wird Medwedew zum Oberkommandierenden. Er wird ernster und zackiger, die Stimme härter. Immer wieder verkündet der Kreml-Chef bei seinen Armee-Besuchen, bei der Modernisierung der Streitkräfte werde man mit Geld „nicht sparen“.

Steigerung des Verteidigungshaushalts auf 66 Mrd. USD


Die Erfahrungen im „Fünftagekrieg“ um Südossetien, bei dem die russische Armee einige ernste Verluste einstecken musste – unter anderem wurden sieben russische Flugzeuge abgeschossen – sind für die russischen Militärs jetzt Anlass, die Modernisierung der Streitkräfte zu beschleunigen. Russland will seine Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr auf 66 Mrd. Dollar steigern. Möglich ist dies, so lange die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft weiter kräftig fließen.

Bisher waren die Reformen der Armee auf kosmetische Änderungen beschränkt. Die Zahl der Soldaten wurde zwar von drei Millionen (1991) auf 1.134.000 verringert, aber die russische Armee sei heute immer noch eine „verkleinerte Kopie der sperrigen und veralteten sowjetischen Militärmaschine, die für die Führung von globalen Kriegen geschaffen wurde“, schreibt der Kommersant.

Modernisierung der Waffen und soziale Fürsorge für Soldaten


Die Schwerpunkte der Armee-Modernisierung hat Medwedew am Rande eines Manövers im Ural umrissen. Zielgenaue Waffen, mobile Einheiten, neue U-Boote mit Marschflugkörpern, die Zusammenfassung von Raketen-Abwehr und Weltraum-Aufklärung sowie eine bessere soziale Versorgung der Soldaten, das sind die selbst gesteckten Ziele.

Die Armee soll mobiler werden um schneller auf lokale Konflikte reagieren zu können. Statt in Divisionen und Regimenter will man die Streitkräfte jetzt – nach westlichem Vorbild - in Brigaden aufteilen. In den sechs russischen Militärbezirken will man jeweils eine Brigade mit 3.000 Mann als schnelle Eingreiftruppe stationieren, als Grundstock der neuen Struktur.

Offiziere werden reduziert


Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow hat angeordnet, die Zahl der Offiziere schrittweise von 335.000 auf 150.000 zu halbieren. „Es bleiben nur Offiziere, die wirklich Einheiten leiten und nicht Soldaten in irgend einem Nachschub-Lager“, schreibt die Nesawisimaja Gaseta. Die Zahl der Generäle will man von 1.100 auf 900 reduzieren.

Irak- gegen Tschetschenien-Kämpfer


Im „Fünftagekrieg“ zeigte sich Russlands Armee wesentlich handlungsfähiger als man es aus dem Tschetschenienkrieg kannte. Innerhalb kurzer Zeit wurden 10.000 Soldaten mit schwerem Gerät durch eine schwierige Gebirgsgegend nach Südossetien und 9.000 Soldaten nach Abchasien verlegt. Bei den russischen Truppen waren vorwiegend Zeitsoldaten im Einsatz. Viele von ihnen hatten Kampferfahrung in Tschetschenien.

Allerdings standen ihnen von US-Ausbildern gut trainierte georgische Soldaten gegenüber, von denen viele bereits im Irak im Einsatz gewesen. Während die georgischen Soldaten einen Monatslohn von 350 Euro bekommen, ist der Basis-Sold für die russischen Vertragssoldaten („Kontraktniki“) mit 220 Euro bescheidener.

Technologischer Rückstand der russischen Armee


Doch nicht alles klappte so phantastisch, wie es von der Kreml-nahen Presse dargestellt wird. Die russische Armee ist technologisch immer noch rückständig. Russlands Luftaufklärung funktionierte schlecht.

Bei Russland-Aktuell
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Es gab einen Mangel an Drohnen und Aufklärungssatelliten. Russische Offiziere mussten teilweise ihre Handys benutzen, um Kontakt zu den Stäben aufzunehmen. Eine Reporterin des Kreml-kritischen Kommersant berichtete, dass die russische Panzer-Kolonne im Rokski-Tunnel häufig stecken blieb, weil immer wieder defekte russische Fahrzeuge den Weg versperrten.

Georgier und Russen kämpften mit T-72-Panzern. Die georgischen Panzer waren jedoch elektronisch moderner ausgestattet und den russischen überlegen.

Information als wichtigste Waffe


Nach Aussagen von General Wladimir Boldyrew, dem Chef des russischen Heeres, mangelte es den russischen Truppen an gebirgstauglicher Fernmeldetechnik und Freund-Feind-Erkennung. Die russische Armee bräuchte in Zukunft vor allem komplexe, computergesteuerte Systeme, die den ganzen Bereich von der Aufklärung, der eigenen Deckung bis zur Feind-Vernichtung abdecken.

Der Präsident der russischen Akademie für Militärwissenschaften, Machmut Garejew, analysierte, im Kriegsgeschehen gehe es heutzutage nicht um das Zerstören einzelner feindlicher Waffen, sondern um die Zerstörung des Informationsraumes und der feindlichen Kommandozentrale.

Leistungsanreiz durch Prämien


Große Hoffnung setzten die russischen Militärs auf das vor vier Jahren eingeführte System der Zeitsoldanten, dass von der Zielplanung her einmal die Hälfte aller Soldaten stellen und das Rückrat der Streitkräfte sein soll. Von den Kontraktniki verspricht man sich mehr Disziplin, eine höhere Qualifikation und Kampffähigkeit. Doch weil die Ausbildung und Bezahlung nicht attraktiv ist und es immer noch Probleme mit dem Wohnraum für Soldaten gibt, hat man bisher erst 80.000 Vertragssoldaten rekrutiert.

Die Fluktuation ist groß. Es melden sich bisher vor allem zwielichtige Personen, die im normalen Berufsleben gescheitert sind. Als Anreiz für gute Leistungen hat Medwedew jetzt die Einführung eines Prämiensystems angekündigt. 700 bis 3.100 Euro winken den russischen Soldaten für herausragende Leistungen.

Grundproblem Dedowtschina


Mit Geld allein werden sich Probleme der russischen Armee aber nicht lösen lassen. Die Streitkräfte leiden immer noch an der Dedowtschina („Herrschaft der Großväter“), einem an das Mittelalter erinnernden Ritual, bei dem die jüngeren Jahrgänge die älteren Soldaten bedienen müssen und von diesen schikaniert werden.

Im Jahre 2006 wurden nach offiziellen Angaben 6.700 Rekruten von Vorgesetzten misshandelt. 2007 setzten 224 Soldaten ihrem Leben selbst ein Ende. Das waren sieben Prozent mehr als 2006. Nach Einschätzung der russischen Organisation „Soldatenmütter“ sterben pro Jahr etwa 3.000 Wehrdienstleistende, ein großer Teil in Folge von Misshandlungen.

Das größte Problem der Armee ist jedoch - neben einer zweifelhaften inneren Ordnung - der Mangel an geeignetem Nachwuchs.

70 Prozent der Jugendlichen im wehrpflichtigen Alter sind aus gesundheitlichen Gründen nicht tauglich. Und weil ab nächstem Jahr die geburtenschwachen Jahrgänge ins wehrpflichtige Alter kommen, denken die Militärs schon jetzt über die Verlängerung des Wehrdienstes von einem auf drei Jahre nach.


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