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Freitag, 25.10.2002

Blutiges Finale des dritten Geiseldramas

Von Gisbert Mrozek, Moskau. Es steht schlecht um das Leben der Geiseln in Moskau - insbesondere nachdem am Freitagnachmittag die Tschetschenen ihren Geiseln damit drohten, ab Samstagfrüh mit der Erschiessung zu beginnen. Woraufhin FSB-Chef Nikolai Patruschew anbot, den Tschetschenen ihr Leben zu garantieren, wenn sie die Geiseln leben liessen. Einiges deutet darauf hin, dass es zu einem blutigen Finale des Dramas kommen wird - nicht heute und nicht morgen, aber in ein paar Tagen.

Der Krisenstab dementiert, dass es am Freitag Versuch gegeben habe, mit Aslan Maschadow direkten Kontakt aufzunehmen - obwohl das eigentlich logisch gewesen wäre. Behaupten doch die Geiselnehmer, sie hätten den Aktionsbefehl von Maschadow und Schamil Bassajew bekommen. Da wäre es sicher richtig, gleich direkt mit den Auftraggebern zu verhandeln. Indess - das ist genau dass, was der Kreml seit Jahren hartnäckig ablehnt: direkte Verhandlungen mit Maschadow sind unmöglich, obwohl Eingeweihte genau wissen, dass es sie ständig gab - aber eben nicht offiziell und nicht direkt. Und da ist es wenig wahrscheinlich, dass Putin ein neues Gesprächsangebot akzeptiert, das ihm in Form einer Geiselnahme gemacht wird.

Seine Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt. Auf keinen Fall kann er den Forderungen nachgeben und sein Militär aus Tschetschenien abziehen. Schon alleine deswegen, weil es mittlerweile zahlreiche Tschetschenen gibt, denen es ohne diese Schutztruppe um Kopf und Kragen gehen würde.

Die Freilassung von 8 Kinder ist das Ergebnis eines Arztbesuches heute nacht, als Doktor Leonid Roschal und ein jordanischer Arzt Medikamente brachten, Geiseln untersuchten und die Handverletzung eines Tschetschenen verarzteten. Roschal, der in ständigen Kontakt mit dem Tschetschenenanführer Barajew blieb, sagte am Freitagvormittag, Barajew habe sich zum Schlafen gelegt, aber versprochen, anschliessend anzurufen und weitere Kinder freizulassen.

Das gäbe dem Hauptmann der Geiselnehmer tatsächlich Gelegenheit, sich nochmals als herzensguter Mensch zu zeigen. Anschliessend dürfte er dann dasselbe Spiel mit den 75 Ausländern wiederholen, die bis jetzt noch in seiner Gewalt sind. Eins nach dem anderen. Und danach dürftem dann die russischen Behörden in ein paar Tagen ihrerseits unfreiwillig Gelegenheit haben zu beweisen, wieviel ihnen das Leben ihrer eigenen Bürger wert ist. Und wozu sie fähig sind.

Putin hat betont, dass es keine Aktionen geben darf, die das Leben der Geiseln aufs Spiel setzt. Aber seine Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt. Er kann es sich bei Strafe des eigenen Unterganges nicht leisten, die Rolle zu übernehmen, die sein Vorgänger Jelzin oder Premierminster Tschernomyrdin 1995 und 1996 bei den zwei ersten Massengeiselnahmen von Budjonnowsk und Kislar spielten. Damals setzten sich die Tschetschenen durch. Diesmal wohl kaum.


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