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In den Gasleitungen von Russland in die Ukraine rauscht es wieder (foto: tv/.rufo) |
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Dienstag, 20.01.2009
Ventile auf: Das Gas fließt wieder in die UkraineMoskau. Der russisch-ukrainische Gas-Krieg ist beigelegt. Das Erdgas fließt wieder nach Westen. Die Transitblockade kommt die Ukraine jetzt erst einmal teuer zu stehen. Doch ab April wird ihr Gas wieder billiger.
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Am Montag Abend wurden in Moskau zwischen Gazprom und Naftogas Ukraine endlich jene Verträge unterzeichnet, auf die halb Europa sehnsüchtig wartete: Der Gas-Streit ist beigelegt sowohl die Ukraine selbst wie auch die im Transit belieferten Abnehmer in der EU und auf dem Balkan sollen ab heute wieder russisches Erdgas erhalten.
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Das Gas fließt in die Ukraine hinein, aber noch nicht heraus
Um 10.24 Uhr wurden am Gas-Messpunkt Sudscha auf ukrainischer Seite die Schieber geöffnet, teilte ein Gazprom-Vertreter mit. Damit floss erstmals seit dem 7. Januar wieder russisches Erdgas in das Transitpipeline-Netz der Ukraine. Auch an den anderen vier Überleitungs-Stellen sollen heute die Gaslieferungen wieder auf das übliche Niveau von 400 Mio. Kubikmeter pro Tag hochgefahren werden.
Bis das erste Gas im Transit in anderen Staaten eintreffen wird, werden aber noch einige Stunden vergehen, so ein Sprecher des ukrainischen Pipelinebetreibers UkrTransGas. Zunächst müsse im ganzen System der Druck ausgeglichen werden. Außerdem sei es nötig, dass Gazprom über alle Rohre liefere und nicht nur über eines.
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Um 4 Uhr nachts hatte GazpromChef Alexej Miller gemeinsam mit seinem ukrainischen Kollegen Oleg Dubina das Kommando an beide Unternehmen gegeben, das Leitungssystem für den Gastransit vorzubereiten.
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Die beiden Regierungs-Chefs Wladimir Putin und Julia Timoschenko hatten die Schlüsselmomente der neuen Regelung am Wochenende ausgehandelt. Demnach erhält die Ukraine in diesem Jahr ihr Erdgas zu den üblichen europäischen Marktpreisen abzüglich eines Nachlasses von 20 Prozent. Im Gegenzug hat der für Gasprom sehr günstige Transitpreis von 1,7 Dollar pro 1.000 Kubikmeter und 100 Kilometer ebenfalls noch 2009 Bestand.
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Ab nächstem Jahr gibt es keine Extrawürste mehr
Ab 2010 sollen dann zwischen beiden Ländern keine Sonderkonditionen mehr gelten, sondern einzig die auch für die anderen europäischen Gas-Verbraucher und Pipeline-Nutzer üblichen Tarife. Laut Boris Sokolowski, dem Energieberater des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, lag der Transportpreis für Erdgas im letzten Jahr in Europa bei 4 Dollar.
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Langfristige Lösung ohne "Futterkrippe" für Zwischenhändler
Hervorzuheben ist, dass es sich bei den in Moskau unterzeichneten Dokumenten um Zehn-Jahres-Verträge bis 2019 handelt: Putin und Timoschenko legten Wert auf die Feststellung, dass damit der alljährliche Hickhack um die neuen Lieferbedingungen ein für allemal ausgeräumt sei und sich nun beide Länder wieder als zuverlässige Lieferanten profilieren können.
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Auch wird auf Zwischenhändler wie die in der Schweiz ansässige Gesellschaft RusUkrEnergo in Zukunft verzichtet. Dren Geschäfte sollen jetzt gemeinsam von Rechnungsprüfern beider Länder durchleuchtet werden.
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Erst einmal zahlt die Ukraine das Doppelte wie bisher
Im ersten Quartal 2009 wird der Gaspreis für die Ukraine mit 450 Dollar minus 20 Prozent, also 360 Dollar pro 1.000 Kubikmeter berechnet, erklärte heute Gazprom-Chef Alexej Miller. Naftogas muss also mit 360 Dollar vorerst einmal das Doppelte des 2008 geltenden festen Vorzugstarifs von 179,5 Dollar bezahlen.
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Ab April werden die Gaspreise dann aber nach dem gleichen Berechnungsmuster wie für die europäischen Abnehmer bestimmt was aufgrund des inzwischen heftig eingebrochenen Ölpreises zu einem deutlichen Rückgang der Kosten führen wird. Laut Timoschenko wird der Gaspreis für die ukrainischen Verbraucher 2009 durchschnittlich bei 230 Dollar liegen.
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Details bleiben Geschäftsgehemnis
Die Informationen, die über den Vertrag selbst verbreitet wurden, sind bislang höchst bescheiden wohl nicht umsonst bemühte sich Gazprom-Chef Alexej Miller bei der feierlichen Unterzeichnung, die Papiere mit der linken Hand vor dem Einblick von Kameras und Fotoapparaten zu schützen.
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Offen ist, wie die auf der ukrainischen Seite noch bestehende Restschuld von 600 Mio. Dollar behandelt wird. Bei der Summe handelt es sich vorrangig um Vertragsstrafen aus den bisherigen Gashandels-Beziehungen und formell muss sie auch nicht Gazprom, sondern der nun ausgebootete Zwischenhändler RusUkrEnergo eintreiben, der je zur Hälfte Gazprom und ukrainischen Geschäftsleuten gehört.
Die Stolpersteine Restschulden und Schadenersatz sind plötzlich nicht mehr aktuell
Unklar ist auch, wie die beiden Seiten nun mit den möglichen Schadenersatzforderungen der fast zwei Wochen ohne Gas ausharrenden ausländischen Abnehmer umzugehen gedenken und ob sie noch vorhaben, sich gegenseitig die enormen Kosten des Gas-Streits anzurechnen.
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Nach russischer Darstellung hatte ja die Ukraine bis zur völligen Einstellung der Lieferungen beträchtliche Mengen Gas gestohlen. Schon vor einer Woche bezifferte Gazprom seine Verluste durch den Lieferstopp auf 1,1 Mrd. Dollar und Russlands Präsident Dmitri Medwedew hatte davon gesprochen, diese Summe bei den Schuldigen einzuklagen.
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Russland liefert "technisches Gas" zum Sonderpreis
Gelöst wurde auch der angeblich so unüberwindbare Streit um die Kosten des technischen Gases, das zum Betrieb der Pipelines nötig ist. Timoschenko teilte hierzu mit, dass die Ukraine von Gazprom 11 Mrd. Kubikmeter zu einem Preis von 167 Dollar erwirbt. Diese Menge entspricht mehr als einen Jahresbedarf des Systems für den die Ukraine jetzt sogar weniger als im Vorjahr bezahlen muss.
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Gegenseitige Komplimente nach der Schlammschlacht
Beide Seiten haben sich damit auf eine interne Lösung verständigt, die durchaus tragfähig erscheint. Bedarf für internationale Beobachter an den ukrainischen Gaszählern oder ein multinationales Transit-Konsortium besteht nicht mehr, erklärte Putin und sparte nicht mit Komplimenten für Timoschenko, weil diese die ukrainische Position endlich verhandlungsfähig vertreten habe.
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Die Ukrainerin dankte ihrerseits artig ihrem russischen Kollegen dafür, dass ihr Land dieses Jahr noch einmal Sonderkonditionen eingeräumt bekommen habe.
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Jetzt stellt sich nur die Frage, warum man nicht früher auf eine solche kollegiale, einfache und marktwirtschaftlich logische Lösung kommen konnte - sondern sich erst in einem fast dreiwöchigen Dauer-Clinch gegenseitig die Nerven und den Ruf ruinieren musste.
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