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Man muss ein Pud Salz miteinander gegessen haben, um wirklich gut Freund zu sein. Ein Pud sind 16 Pfund ... (Foto: rufo)
Man muss ein Pud Salz miteinander gegessen haben, um wirklich gut Freund zu sein. Ein Pud sind 16 Pfund ... (Foto: rufo)
Montag, 27.02.2006

Salz-Panik in Russland : Landesweite Hamsterkäufe

St. Petersburg. In Russland geht die „Salz-Hysterie“ um: Ohne rationalen Grund hamstern Käufer überall im Lande Speisesalz. Die mysteriöse Angst, das Grundnahrungsmittel könnte knapp werden, provozierte genau dieses Ergebnis.

Auch fünfzehn Jahre nach Einführung der Marktwirtschaft sind sowjetische Krisen- und Mangel-Szenarien in der russischen Volksseele noch immer tief verankert: Anfang Februar begannen in einigen zentralrussischen Regionen Salz-Hamsterkäufe.

Trotz (oder gerade wegen?) der vielen Beamten- und Expertenappelle in den Medien, doch besonnen zu bleiben, erfasste die Salz-Panik inzwischen fast das ganze Land – auch die als relativ abgeklärt geltenden Metropolen Moskau und St. Petersburg: Innerhalb der letzten Woche putzten die Petersburger 2000 Tonnen Salz von den Regalen, was dem üblichen Umsatz von anderthalb Monaten entspricht.

Wie ein Gerücht eine Salzlawine ins Rollen bringt


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Zwar hatte es ganz zu Beginn einmal einen spekulativen Agenturbericht gegeben, dass das besonders billige ukrainische Kochsalz rar werden könnte – doch viel mehr wirkten Effekte der Massenpsychologie: Als die einen Käufer sahen, wie die anderen Salz en gros bunkerten, packten sie sicherheitshalber auch einmal ein paar Päckchen des Pfennigartikels (Vorkrisenpreis: ca. 0,25 Euro pro Kilogramm) ein – man weiß ja nie ...

Als sich daraufhin die Ladenregale tatsächlich leerten, manche Händler Schildchen mit der Aufschrift „Salz ist aus“ in die Ladentür hängten und andere Zettel mit „Nicht mehr als eine Packung pro Kunde“ an die Regale hefteten, begann die Psychose erst recht um sich zu greifen: In der Provinz formierten sich vor den Geschäften wieder wie zu Gorbatschow-Zeiten die zur Massenhysterie neigende Warteschlangen.

Und die Petersburger Zeitung „Moj Rajon“ beobachtete in einem Supermarkt, wie sich zwei respektable Damen in Pelzmänteln um „eine mikroskopische Dose Meersalz“ zum Gourmet-Preis von 60 Rubel (1,80 Euro) zankten. Das Publikum reagierte amüsiert – und neidisch: Es war die letzte Packung im ganzen Laden.

Ukrainesches Meersalz - die Kehrseite des russischen Erdgases ? (Foto: newsru)
Ukrainesches Meersalz - die Kehrseite des russischen Erdgases ? (Foto: newsru)
Die Großhändler in den betroffenen Provinzen erklärten zwar unisono, dass keinerlei Engpässe oder auch nur signifikante Preissteigerungen zu erwarten seien – aber zu spät: Im Lande machte das Gerücht die Runde, die Ukraine würde als Retourkutsche für die russische Gas-Liefersperre Anfang des Jahres die Russen nun auf salzarme Kost setzen. Die Versicherungen einheimischer Hersteller, dass sie in der Lage sind, das Land weitgehend selbst zu versorgen, verhallten dagegen ungehört.

Reale Lieferengpässe – weil die Nachfrage explodierte


Das Problem lag höchstens darin, dass die Importeure und Großhändler mit der plötzlich einsetzenden Nachfrage nicht zu Rande kamen: Salz war genug in den Lagern, aber es fehlten Verpackungen und Personal, um es in der geforderten Menge in den Handel zu werfen.

Manche Supermärkte bieten deshalb – auch als Zeichen gegen das Mangel-Gerücht – inzwischen gleich 50-Kilo-Säcke an. Auch diese gehen durchaus lebhaft weg, heißt es. Dabei wird auch ein durchschnittlicher Datscha-Besitzer bei der allsommerlichen Gurken-Einmach-Großaktion nur ein Bruchteil davon benötigen.

Angesichts des Mangels und der gewaltigen Nachfrage gingen natürlich auch die Preise nach oben: Einfaches Salz kostet in Petersburg inzwischen das Doppelte wie vorher. Groß- wie Einzelhändler hätten durch die Salz-Panik einen zusätzlichen Umsatz von 20 Millionen Rubel (ca. 600.000 Euro) in der Stadt gemacht, errechnete der „Kommersant“. Allerdings erwarten sie dafür alsbald magere Zeiten – wenn die Bevölkerung ihre Hamstervorräte wieder aufbraucht.

Pessimisten hamstern schon Zucker und Steichhölzer


Die Salzhysterie hat manche Leute bereits so in Panik versetzt, dass sie nun schon Notvorräte anderer sowjetischer Mangel-Klassiker anlegen: Manche Händler registrieren schon eine verstärkte Nachfrage nach Zucker und Streichhölzern. Auf besonderes Vertrauen in die Stabilität des russischen Staates und seiner Wirtschaft lässt dies – ungeachtet der soliden Wachstumsraten der letzten Jahre – nicht schließen.

Inzwischen hat die russische Antimonopolbehörde Ermittlungen wegen des Salz-Booms aufgenommen. Vielerorts werden Grossisten und Händler verdächtigt, die Aufregung künstlich angeheizt zu haben. Konkrete Vorwürfe gegen Artjomsol, den größten ukrainischen Salzlieferant, gibt es hingegen nicht – im Gegenteil, dort kündigte man aufgrund der explodierten russischen Nachfrage bereits eine Liefererhöhung um 90 Prozent und den Übergang in den Zweischicht-Betrieb an.

Die „Iswestija“ wirft dem Giganten dennoch unlauteren Wettbewerb vor: In den letzten drei Jahren habe er den russischen Markt mit Billig-Salz zu Dumping-Preisen förmlich überschwemmt. Das grobe und schlecht gereinigte Salz, in das panische russische Rentner nun ihre mickrigen Pensionen investiert haben, sei bislang „faktisch zum Preis der Verpackung“ in den Markt gedrückt worden.

(ld/.rufo)


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