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Der Rubel wird weicher, das Wirtschaftswachstum macht sich dünn in Russland. Rutscht die Konjunktur auch ganz ins Minus? (foto: ld/.rufo) |
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Dienstag, 25.11.2008
Rezession ist für Russland kein Thema - noch nichtMoskau. Egal ob USA, Europa oder Japan: Die G8-Volkswirtschaften sind in die Rezession gerutscht. Nur Russland meldet noch Wachstumszahlen - vorerst auch für 2009. Doch die Krise schlägt auch so schon heftig zu.
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Fast zwei Monate lang hat es die russische Führung geschafft, die drohende Wirtschaftskrise zwar nicht zu verhindern aber ihren nach den Crashs von 1991 und 1998 für Panik anfälligen Bürgern auszureden. Mit schöner Regelmäßigkeit erklärten Präsident Dmitri Medwedew, Premier Wladimir Putin und Finanzminister Alexej Kudrin, dass kein Grund zur Beunruhigung bestehe und Russland für die Krise bestens gewappnet sei:
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Der Rubel bleibe stabil, Renten und Ersparnisse sicher, das Banksystem erhalte alle notwendigen Hilfen. Denn die in den letzten fetten Jahren wohlweislich für schlechte Zeiten aufgehäuften Reserven würden zum Abpuffern allemal ausreichen.
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Die Staatsmedien redeten um die "Krise" herum
Das staatliche Fernsehen hielt sich brav an eine Zensur-Direktive aus dem Kreml: Das Wort Krise sei bitteschön nur in Bezug auf das Ausland zu gebrauchen. In Russland gab es allenfalls Schwierigkeiten. Die Staatsführung, so der Tenor, ist sich ihrer Verantwortung bewusst und unternimmt alles Notwendige, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.
Gut möglich, dass hier der Zweck die Mittel heiligte: Trotz einiger kleinerer Banken-Zusammenbrüche kam es im Herbst in Russland nicht zu einem massenhaften Run auf Bankschaltern und Wechselstuben.
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Der Kreml machte die Kassen auf für Finanzspritzen aller Art
Etwa 145 Mrd. Euro hat sich Russland bislang seine Stabilisierungsmaßnahmen kosten lassen von den weltweit üblichen Liquiditätsspritzen ins Bankengewerbe über den massiven Aktienaufkauf bis hin zu Sonderkredittöpfen für notleidende Fluggesellschaften oder Rüstungskonzerne.
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Die Krise kommt: Klartext jetzt auch von Medwedew und Putin
Doch Mitte November hat sich die Tonlage geändert: Dmitri Medwedew sprach plötzlich von einem kommenden sehr schweren Jahr und schloss auch ein Ansteigen der Entlassungen nicht mehr aus. Dabei war Arbeitslosigkeit in Russland bis vor kurzem noch ein fast vergessener Begriff zumindest in den Großstädten klagte man nur über Arbeitskräftemangel.
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Doch im Bau- und Finanzgewerbe werden schon jetzt schon massiv Jobs gestrichen und die Industrie drosselt allerorten mit Kurzarbeit die Produktion. Auf die bislang veröffentlichten amtlichen Statistiken hat dies aber noch kaum durchgeschlagen: Für den Oktober wurde aber doch schon ein Minus beim Bruttosozialprodukt von 0,4 Prozent und 0,6 Prozent weniger Industrieproduktion errechnet.
Das von Medwedew und Putin gerne genutzte Schlagwort von Russland als Insel der Stabilität im Meer der Finanzstürme ist aber ad acta gelegt. Putin verglich die Finanzkrise inzwischen mit einer Naturkatastrophe- sprich: Es herrscht Land unter.
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Abschied von der harten Linie beim Rubelkurs
Auch ein anderes Mantra wird nicht mehr wiederholt: Der Rubel-Kurs ist nicht mehr per Definition stabil. Denn das war teuer die russische Zentralbank hat für Stützungskäufe innerhalb der letzten zwei Monate etwa 46 Mrd. Euro ausgegeben.
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Als neue Devise gilt jetzt: Es wird keine heftigen Abwertungen geben. Der Rubel darf also langsam billiger werden bislang beließ man es bei einer leichten Kurskorrektur von zweimal 1 Prozent gegenüber dem Bivaluta-Korb aus Dollar und Euro. Insider rechnen jedoch mit einem mittelfristigen Rubel-Wertverlust von etwa 10 bis 15 Prozent.
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Aktienkurse, Ölpreis und Immobilien gehen in den Keller
Die Staatsführung hat wohl eingesehen, dass es nichts mehr schön zu reden gibt: Die Indexe der Moskauer Börsen Micex und RTS haben sich bei einem traurigen Viertel der Spitzenwerte vom Mai eingependelt. Auch die in den letzten Jahren boomenden Immobilienpreise haben schon um 20 bis 30 Prozent nachgegeben zumindest, wenn man nicht auf die Angebote, sondern auf die realen Verkaufserlöse schaut.
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Und auch Russlands Geldkuh Nummer 1 gibt immer weniger her: Der noch im Sommer exorbitante Ölpreis von 150 Dollar ist auf unter 50 Dollar zusammengesackt. 60 Dollar gelten dabei als die Schmerzgrenze, ab der der Staatshaushalt ins Defizit gerät. Mehrfach musste die Regierung im Herbst schon die Exportabgaben auf Rohöl eilig zusammenstreichen dennoch machen Russlands Ölkonzerne mit jeder Tonne exportierten Öls Verlust.
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Vorerst keine Rezession zu sehen: 2009 noch plus 3 Prozent?
Immerhin, von einer Rezession ist in Russland vorerst nicht die Rede. Trotz des Einbruchs rechnet die Regierung 2008 noch immer mit einem Wirtschaftswachstum von über 7 Prozent und für 2009 mit plus 3 Prozent. Auch die unabhängigen Experten der Weltbank prognostizieren aktuell plus 6 Prozent und für das nächste Jahr ebenfalls 3 Prozent Zuwachs.
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Diese Einschätzung sei allerdings nur realistisch, wenn die staatlichen Antikrisen-Maßnahmen echte Resultate zeigen und der drastische Kapitalabfluss aus Russland zum Stillstand kommt, so Jewgeni Gawrilenkow, Chefökonom bei der Investment-Firma Troika Dialog. In diesem Falle könne Russlands Wirtschaft schon im Frühjahr die Talsohle der Krise erreicht haben und dann langsam wieder zulegen. Wenn nicht, drohen magere Zeiten wie einst in den 90er Jahren.
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Der Staat pumpt nun sein Geld in die Wirtschaft
In den optimistischen Szenarien kommt dem Staat die Rolle der Konjunkturlokomotive zu: Während Industrie und Immobilienkonzerne momentan reihenweise ihre Bauprojekte auf Eis legen, will der Staat bei seinen Ausgaben und Investitionen nicht sparen seien es Löhne, Sozialausgaben oder Straßenbau. Als Blutspende für die Baubranche will man sogar extra 40.000 Wohnungen für Bedürftige und Militärs aufkaufen.
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Auch die staatseigene Eisenbahn-AG RZD wurde von Premier Putin dazu vergattert, trotz eines erwarteten Gütertransportrückgangs von 6 Prozent nur ihre Sparpläne zu streichen. Der Vorkrisen-Investitionsplan soll nun ungekürzt durchgezogen werden. Nur suchen Bahner und Regierung gemeinsam Füllstoff für eine 2 Mrd. Euro große Finanzierungslücke.
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Die Sparschweine mit den Öldollars werden geschlachtet
Um alles bezahlen zu können, muss Finanzminister Kudrin nächstes Jahr allerdings massiv in seine mit Öldollars aufgefüllten Reserve-Fonds von etwa 200 Mrd. Euro Volumen greifen. Neue Schulden und hier unterscheidet sich Russland eklatant von Rest-Europa muss der Staat deswegen angeblich nicht machen. Putin versprach bei seiner Parteitagsrede letzte Woche sogar Steuersenkungen für 2009.
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Die Provinz muss heftig sparen - und die Arbeitslosen auch
Derartige Großzügigkeit kann sich aber nur der Kreml leisten, nicht die russischen Regionen: Selbst die reichen Metropolen Moskau und St. Petersburg haben ihre Haushaltspläne angesichts der zu erwartenden Mindereinnahmen deutlich nach unten korrigiert und verzichten zunächst auf teure Prestigeprojekte. So hat die Petersburger Stadtverwaltung (zur Freude der vielen Gegner des Projekts) ihren Ausstieg als Co-Finanzier eines gemeinsam mit Gazprom geplanten 400-Meter-Wolkenkratzers erklärt.
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Schon jetzt bescheiden lebende Provinzregionen müssen hingegen anders sparen: Ihnen bleibt nicht viel anderes übrig als ein Kehraus in ihren aufgeblähten Verwaltungen. Auch hier soll es nun Entlassungen geben. Wohl nicht umsonst versprach Wladimir Putin schon eine Erhöhung beim Arbeitslosengeld um 44 Prozent auf noch immer klägliche 4.900 Rubel (143 Euro) monatlich.
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Denn so reich und deshalb leidlich krisenfest das heutige Russland ist: Sein Polster wurde in den letzten Jahren nicht nur durch Export von Öl und Gas, sondern auch dank einer extremen Knausrigkeit bei den Sozialleistungen für die Verlierer des nun abklingenden Booms aufgehäuft.
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