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Wladimir Kumarin (Barsukow) galt als Mafiaboss - und bis zu seiner Verhaftung als einer der gewichtigsten Geschäftsleute in Petersburg (Foto: rufront.ru)
Wladimir Kumarin (Barsukow) galt als Mafiaboss - und bis zu seiner Verhaftung als einer der gewichtigsten Geschäftsleute in Petersburg (Foto: rufront.ru)
Montag, 18.08.2008

Mammut-Immobilienprojekt mit Partnern aus der Unterwelt?

St.Petersburg. Die Volksbank AG und ihre Immobiliengesellschaft Europolis sind stolz auf ihr wachsendes Russland-Geschäft, das von der EBRD mitfinanziert wird. In St.Petersburg stammen ihre Partner möglicherweise aus der Mafia.

„Das Immobiliengeschäft ist ein Kernbereich unseres Konzerns. Rund ein Drittel des Gewinns 2006 wurde schließlich in diesem Segment erwirtschaftet. Mit der Erschließung der Märkte Russland und Ukraine wird die Europolis ihre Position am Markt weiter festigen. Eine Entwicklung, auf die wir sehr stolz sind“, erklärt Franz Pinkl, Generaldirektor der Österreichischen Volksbanken AG. Finanziert werden Europolis-Aktivitäten unter anderem auch von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Wie ein 130-Millionen-Projekt über einen Schrebergarten stolpert


Die Bauarbeiten für das Einkaufs- und Vergnügungszentrums in St.Petersburg, das 130 Millionen Euro kosten soll, mussten allerdings Mitte Mai 2008 plötzlich gestoppt werden, weil ein Teil des Baugrundstückes mit den üblichen rabiaten Mafiamethoden in den Besitz der "Europolis Baltik Rus" gekommen war.

Zwar ging es zunächst nur um ein winziges Schrebergartengrundstück von 558 Quadratmetern bei insgesamt fast 30.000 qm Fläche. Aber in der Auseinandersetzung um das Stückchen Erde kamen erstaunliche Details ans Licht, wie in Petersburger Medien berichtet wird.

Europolis will Stellung nehmen – aber lieber erst später


Die Verdachtsmomente seien inzwischen bekannt und würden gegenwärtig erneut überprüft, sagt die Europolis auf Anfrage von Russland-Aktuell. Beim Projektstart habe es wie immer eine Machbarkeitsstudie gegeben, die aber keine Probleme ergab, erklärt Marketing-Direktor Alexander Bosak. Jetzt sei eine weitere Studie in Auftrag gegeben. Erst nach sorgfältiger Prüfung werde Europolis zu den Vorwürfen selbst Stellung nehmen. Russland-Aktuell wird weiter berichten.

Bei Russland-Aktuell
• Petersburger Autorität Kumarin – in Moskau in Haft (10.09.2007)
• Russland: Kronzeugen gegen Organisiertes Verbrechen (01.11.2007)
• Deutsche Ermittler befragten Petersburger Paten (05.04.2004)

Der Volksbank-Partner stammte aus dem Imperium von Unterweltkönig Kumarin


Der Streit um einen Schrebergarten am Rande von St.Petersburg wäre kaum der Rede Wert, gäbe es nicht eine mutmaßliche Verbindung zu den Aufsehen erregenden Verhaftungen von etwa 100 Mitgliedern der "Tambower Mafiagruppe" in Russland, Deutschland und Spanien, darunter auch der Petersburger Unterweltkönig Wladimir Kumarin (heutiger Familienname Barsukow), der sich bester Beziehungen in europäischen und russischen Geschäftskreisen rühmen konnte.

Zwei Jahrzehnte lang konnten die "Tambower" in St.Petersburg schalten und walten. Zum Imperium Kumarins gehörte auch die "Baltiskaja Stroitelnaja Gruppa" - mit der die Volksbank-Tochter Europolis das Gemeinschaftsunternehmen "Europolis Baltik Rus" gründete.

Grundstückserwerb schnell und billig – mit gefälschten Dokumenten


Diese Bau- und Investmentfirma konnte relativ schnell alle Datschengrundstücke am Poljustrowski Prospekt erwerben, nur der Milizoffzier i.R. Michail Fadin war mit dem gebotenen Preis nicht einverstanden und wollte partout nicht verkaufen.

Die Baltiskaja Stroitelnaja Gruppa fand allerdings auch hier eine elegante Lösung: Sie ließ kurzerhand mit gefälschten Dokumenten auch die 558 qm des Michail Fadin ins Firmeneigentum überführen, wie die Petersburger Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen feststellte, die Ende 2007 begannen.

Im Januar 2008 verfügte ein Gericht bereits einen Baustopp, Mitte Mai wurde die Baustelle offiziell stillgelegt.

Miteigner der "Baltiskaja Stroitelnaja Gruppa" ist Alexander Linjutschew, ein ehemaliger Marineoffizier, der nach Petersburger Presseberichten zur Umgebung Kumarins gehörte. Zumindest tauchte sein Name dort im Zusamenhang mit Autodiebstahl in EU-Ländern, Schutzgelderpressung und Auftragsmord auf.

Ein wenig Hintergrund: Wie die Tambower um Kumarin St.Petersburg eroberten


Die "Tambower" um Wladimir Kumarin hatten sich seit Anfang der 90-iger Jahre in der Leningrader Unterwelt durchgesetzt. In der Auseinandersetzung mit anderen Banden, bei der im Laufe der Jahre wohl über 100 Menschen getötet wurden, kamen auch Kalaschnikow-MPs und Panzerfahrzeuge zum Einsatz.

Die Sieger in diesem Bandenkrieg konnten schnell zahlreiche Unternehmen, Banken, Hotels und Restaurants in ihre Kontrolle bringen. Wladimir Kumarin selbst wurde Vizepräsident der „Petersburger Treibstoffgesellschaft“ (PTK), die den Benzinmarkt im Nordwesten Russlands weitgehend beherrscht. In Absprache mit Wladimir Schirinowski wurden Vertreter der Tambower über LDPR-Parteilisten in die Duma gewählt. Kumarin soll auch zu Regierungsmitgliedern in Provinzen beste Kontakte gehabt haben.

Offensive der Tambower nach Westeuropa endet vorerst in Massenverhaftungen


Seit 2000 drangen die Tambower vor allem nach Westeuropa vor. Ihr kriminelle Kapital wurde durch massenhaften Erwerb von Immobilien und Aktienpaketen in der EU legalisiert.

Bis jetzt ist erst ein Teil des Tambower Eigentums in Spanien erfasst, aber auch dieser Teil beläuft sich schon auf über 40 Millionen Euro. Darüber hinaus wurde von den Fahndern Steuerhinterziehung über 4 Millionen Euro ermittelt. Die Liste des so gefundenen Vermögens wächst von Woche zu Woche. Wenn auch noch Werte in Deutschland, der Schweiz und anderen europäischen Ländern hinzugerechnet werden, ist die Rede wohl schon von einigen hundert Millionen Euro.

Mit der Verhaftung von Kumarin in St.Petersburg, Genadi Petrow in Spanien und zahlreichen anderen Festnahmen geriet das Imperium der "Tambower" ins Wanken. Ein Anzeichen dafür scheint auch zu sein, dass die "Baltiskaja Stroitelnaja Gruppa" sich bisher im Streit um den Schrebergarten des Ex-Milizionärs Michail Fadin nicht durchsetzen konnte.

Gegen Barsukow begann am Freitag in St. Petersburg der erste Strafprozess. Dabei geht es allerdings nur um die widerrechtliche Aneignung eines Restaurants und eines Supermarktes in St. Petersburg.

Bleibt die Frage, ob Europolis, Investbank, Volksbank und EBRD sich über ihre Geschäftspartner in St.Petersburg nicht rechtzeitig und ausreichend informiert hatten.




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