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Es fehlen eigentlich nur noch Gas-Masken: Geheimdienst-Truppe besucht den Kiewer Gaskonzern Naftogas (Foto: NTW/newsru) |
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Donnerstag, 05.03.2009
Ukraine schafft sich ihren hauseigenen Gas-KriegKiew. Der Streit ums Gas tobt wieder diesmal weniger zwischen Kiew und Moskau als zwischen den Lagern von Präsident und Premierministerin in der Ukraine selbst. Dort kam es bereits zu Verhaftungen und Razzias.
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Die gute Nachricht zuerst: Ein Stopp der Lieferungen aus Russland an die Ukraine wegen Zahlungsverzugs ist vorerst wohl nicht zu erwarten, wenn gleich nicht ausgeschlossen.
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Dies könnte passieren, wenn der ukrainische Gaskonzern Naftogas seine monatlichen Zahlungen an Gazprom über das Wochenende hinaus schuldig bleibt mit der möglichen Folgen eines erneuten Stillstands auch der Transitlieferungen nach Westen.
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Kiew beruhigt: Das meiste Geld ist schon unterwegs
Von den bis Samstag fälligen 360 Mio. Dollar seien bereits 310 Mio. nach Russland überwiesen, hieß es am Donnerstag in Kiew. Der Rest werde in ein bis zwei Tagen folgen, so ein Sprecher von Präsident Viktor Juschtschenko. Gazprom bestätigte den Eingang der Mittel aber bislang nicht.
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Schließlich verlangt die von den Premiers Wladimir Putin und Julia Timoschenko im Januar ausgehandelte Einigung im damaligen heißen Gas-Streit von der Ukraine jeden Monat eiserne Zahlungsdisziplin, wenn sie ihre letzten Vorzugs-Konditionen behalten will. Wenn das Geld ausbleiben sollte, wird der Gas-Fluss nach Westen versiegen, warnte Putin am Donnerstag vor möglichen Folgen des aktuellen Geschehens in Kiew.
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Geheimpolizei durchsucht Gaskonzern
Dort tobt ein heftiger Streit um das ebenso einträgliche wie existenzielle Gasgeschäft: Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte er am Mittwoch, als eine maskierte und bewaffnete Sondereinheit der Geheimpolizei SBU die Zentrale des Gaskonzerns Naftogas stürmte.
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Ermittler der Behörde wollten bei dieser Aktion unter anderem die Verträge mit Gazprom beschlagnahmen, nach denen seit Januar wieder die Gaslieferungen abgewickelt werden.
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Wem gehört die Füllung der Gas-Reservoirs?
Außerdem geht es um 11 Mrd. Kubikmeter Erdgas in unterirdischen Zwischenlagern, die Naftogas angeblich widerrechtlich dem durch die Moskauer Einigung ausgebooteten früheren Zwischenhändler RusUkrEnergo abgenommen hat. 6,3 Mrd. Kubikmeter davon wurden jedenfalls von Naftogas unlängst verzollt und sollten jetzt auf den Binnenmarkt fließen.
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Die Ermittler der SBU sehen den Tatbestand des Diebstahls erfüllt, denn Rusukrenergo habe auf seine Rechte an dem Gas im Wert von etwa 2,75 Mrd. Dollar nicht verzichtet. Als erstes wurde am 2. März der Chef jener Zollabteilung verhaftet, der das Gas zugunsten von Naftogas freigegeben hatte.
Der Gaskonzern vertritt hingegen die Position, dass ihm Gazprom offene Forderungen an RusUkrEnergo in Höhe von 1,7 Mrd. Dollar abgetreten habe die nun in beliebiger Form, sei es Geld oder Naturalien, eingetrieben werden könnten.
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Die Konfliktparteien: Juschtschenko und der Geheimdienst ...
In dem Konflikt wird deutlich, wie sehr der ukrainische Staatsapparat durch den verbitterten Grabenkampf zwischen den Lagern von Präsident Juschtschenko und Premierministerin Timoschenko gespalten und paralysiert ist: Juschtschenko untersteht der Geheimdienst, auch werden ihm beste Verbindungen zu den ukrainischen Miteigentümern von RusUkrEnergo nachgesagt.
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Auch der Ende Januar zurück getretene Zoll-Chef Valeri Choroschkowski soll einem Bericht der Moskauer Zeitung Kommersant auch zu dieser Seilschaft gehören. Als er sich in dem wochenlangen Tauziehen nicht durchsetzen konnte, wechselte er als Vize-Chef zum Geheimdienst wo er jetzt die Gas-Ermittlungen leitet.
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... und Timoschenko mit Naftogas und dem Parlament
Auf der anderen Seite stehen die Regierung von Julia Timoschenko, die Führungsebene von Naftogas und Zoll sowie ein großer Teil des Parlaments. Timoschenko warf dem Juschtschenko-Lager vor, mit der Kommandoaktion die Korruption bewahren und auf ihrer Basis die nächsten Wahlen finanzieren zu wollen.
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Ihr Lager rief dann auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan und ließ die Ermittlungen noch am gleichen Abend gerichtlich verbieten. Das kümmerte die SBU aber wenig: Tags darauf erschien man zu einer Durchsuchung bei einer Naftogas-Tochter allerdings unmaskiert.
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Das gebunkerte Gas war billiger als heute
Timoschenko hat den unterirdisch verbunkerten Gas-Schatz allerdings mindestens genauso nötig wie Juschtschenko: Dieses Gas wurde noch zu einem Vorzugspreis von 153 Dollar pro 1.000 Kubikmeter in Russland eingekauft. Nur wenn es mit den gegenwärtig deutlich teurer gelieferten Mengen vermischt wird, hält Timoschenkos Behauptung, dass sie im Januar in Moskau für ihr Land mit einem Durchschnittspreis von 228 Dollar noch einmal einen Nachlass von 20 Prozent heraus gehandelt hat.
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Ohne diese Milliarden und ohne diesen Preis gab es gar keinen Sieg. Das ist die ganze Frage, so der Kiewer Politologe Wadim Karassjow.
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Naftogas steht finanziell auf der Kippe
Außerdem braucht Naftogas die Vorräte dringend, um seinen drohenden Bankrott abzuwenden was ebenfalls fatale Folgen für den Gas-Transit nach Westeuropa haben könnte. Auch kann nur so der Gaspreis in dem von der Weltwirtschaftskrise schwer gebeutelten Land auf einem erträglichen Niveau gehalten werden.
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Achtung Gas: Explosionsgefahr!
Für Timoschenko ist dies eine politische Existenzfrage: Schließlich will sie bei den um den Jahreswechsel anstehenden Präsidentenwahlen ihren ehemaligen orangen Verbündeten Juschtschenko endlich in die Wüste schicken.
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Da beide Seiten extrem unter Druck stehen, könnte der Streit auf dem Gas-Speicher schnell zu einer Explosion führen nicht des Gases selbst, aber der Gewalt: Beobachter in Kiew halten nach den jüngsten Ereignissen eine Verschärfung der Konfrontation bis hin zu einem Putsch für nicht mehr ausgeschlossen.
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