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Die Zukunft Russlands gehört den Einzelkindern (Foto: Djatschkow/.rufo)
Die Zukunft Russlands gehört den Einzelkindern (Foto: Djatschkow/.rufo)
Montag, 22.05.2006

Rubelregen gegen den Geburtenrückgang

Moskau. Wenn sich abends Moskauer Mütter zum Schwatz auf die Parkbänke setzen, während ihr Nachwuchs auf dem Vorstadtspielplatz herumtobt, wird deutlich: Die Einkind-Familie ist in Russland längst zur Norm geworden.

Kaum ein Mädchen oder Junge hat eine Schwester oder einen Bruder. Politiker warnen vor einer demografischen Katastrophe.

Zehn Millionen Menschen verloren


Die russische Regierung schätzt, dass ohne einschneidende Maßnahmen die Bevölkerung des flächengrößten Landes der Erde bis zum Jahr 2050 von derzeit knapp 143 auf nur noch 100 Millionen Menschen sinken wird. Dabei sahen die Bevölkerungsprognosen vor einigen Jahren sogar noch viel dramatischer aus. „Wir haben zehn Millionen Menschen verloren“, klagte KP-Chef Gennadi Sjuganow über die wirren Reformjahre. Nur der Zuzug mehrerer Millionen russischstämmiger Bürger aus den ehemaligen Sowjetrepubliken milderte den Bevölkerungsschwund.

Einer Umfrage des Moskauer Levada-Meinungsforschungszentrums wünschen sich die Russen im statistischen Durchschnitt 2,5 Kinder. Die raue Wirklichkeit lassen alle Kinderwünsche jedoch oft allzu schnell wieder platzen. Beengte Wohnungen, in denen sich mehrere Generationen ein paar kleine Zimmer teilen müssen, eine miserable medizinische Versorgung und die Korruption im Bildungssektor, bei der schon Kindergartenleiter Bestechungsgelder fordern, gehören zum Alltag.

Zwei Euro Kindergeld im Monat


Bei Russland-Aktuell
• Putin über Liebe, Hühneraugen und Genossen Wolf (10.05.2006)
• Nationale Projekte: Russland auf dem Weg der Gesundung? (07.04.2006)
• Minister: Tausende Mütter in Russland danken Armee (15.02.2006)
• Problemkinder in Russland: Hilfe zur Selbsthilfe (09.02.2006)
Russlands Präsident Putin erklärte die Suche nach einem Ausweg aus der demografischen Krise bei seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation bereits zu einem der wichtigsten Staatsziele. Mit einer üppigen Anhebung des Kindergeldes und einer Prämie von umgerechnet über 8.000 Euro für jede Frau, die ein zweites Kind in die Welt setzt, will der Kreml seinen Bürgern den Nachwuchs schmackhafter machen. „Beim Frauenarzt reden alle jetzt nur noch über Putin“, titelte die Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda.

In Moskau sind viele Eltern sich schon längst zu schade, für ein monatliches Kindergeld von knapp über 2 Euro auch extra zum Sozialamt zu laufen. Und selbst die vom Kreml versprochene Prämie, die Eltern in eine neue Wohnung oder die Ausbildung ihrer Kinder investieren sollen, ist bei den derzeitigen Immobilienpreisen in der Hauptstadt nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Dort drüben kostet ein Quadratmeter 2.200 Euro“, meint ein Familienvater vom Vorstadtspielplatz und blickt auf die Baustelle des neuen 20-stöckigen Hochhauses in der Nachbarschaft. Putins Familienförderung hilft ihm kaum dabei, aus der engen Zweizimmer-Wohnung in eine größere Bleibe umzuziehen. Das Geld würde allenfalls für den Kauf des Korridors reichen.

Die Lebenserwartung erhöhen wäre Herausforderung Nr. 2


Fachleute glauben ohnehin nicht, dass mehr Geld für die Eltern die demografischen Probleme Russlands lösen können. Die Geburtenrate in Russland entspreche der wohlhabender europäischer Länder.

Viel gefährlicher sei die hohe Sterblichkeit, so Sergej Jermakow, der Autor des russischen Krankenversicherungssystems. Die Lebenserwartung russischer Männer auf 70 Jahre zu erhöhen, sei eine Herausforderung, die „mit der Eroberung des Weltalls“ verglichen werden könne.

„Wir werden langsam zu einer Gesellschaft, die keine Kinder liebt“, klagt der orthodoxe Priester Maxim Obuchow. Die russische Kirche sieht einen Ausweg aus der Situation in der Stärkung traditioneller Werte. Dass dies mehr Resultate zeigen dürfte, als ein hohes Kindergeld, belegt die russische Realität schon heute. Die meisten Kinder werden derzeit ausgerechnet in der ärmsten Region des Landes geboren – im nach vielen Jahren Krieg in Schutt und Asche geschossenen Tschetschenien.

(Karsten Packeiser, epd)


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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)



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