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Für die gefällten Bäume kommt Medwedews Einsicht zu spät - aber der Chimki-Wald hat wieder eine Chance (Foto: ecmo.ru) |
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Freitag, 27.08.2010
Medwedew stoppt Autobahnbau im Chimki-WaldMoskau. Russlands Opposition und Umweltschützer feiern einen Erfolg: Präsident Medwedew verfügte, die Trassenführung der Autobahn durch den Chimki-Wald nochmal zu überdenken. Die Bäume sind aber schon gefällt.
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Russlands Staatsmacht und ihre Hauspartei Einiges Russland sind gestern förmlich eingeknickt. Und Premier Wladimir Putin weitab im Fernen Osten Russlands wurde im Schlaf vor neue Fakten gestellt: Ich beauftrage die Regierung, die Umsetzung der Verordnung über den Bau dieser Straße auszusetzen und zusätzliche öffentliche und fachliche Diskussionen durchzuführen, erklärte Staats-Chef Dmitri Medwedew Dmitri Medwedew in Sotschi.
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Bürger-Erfolg dank Protesten, Appellen und Eingaben
Damit haben die verbissenen Proteste von Ortsansässigen, Umweltschützern und Oppositionsgruppen gegen das Autobahnprojekt völlig unerwartet doch Früchte getragen. Der Bau der Autobahn durch den Wald ist damit zwar noch nicht vom Tisch aber alternative Streckenführungen bekommen nochmals eine Chance. Die Notwendigkeit des Autobahnbaus als solchen wird aber nicht in Frage gestellt.
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Stadt Moskau propagiert Alternativtrasse
Seitens der Moskauer Stadtverwaltung wurde bereits eine Streckenführung vorgeschlagen, die den Chimki-Wald nur am Rande berührt und dann zum großen Teil über kaum bebaute Flächen des Moskauer Stadtteils Molschaninowo führt. Diese Version wird den Staat allerdings bedeutend teurer kommen, da das Land zu Moskauer Bodenpreisen aufgekauft werden muss während der zum Moskauer Gebiet gehörende Staatswald faktisch umsonst mit Beschlag belegt werden konnte.
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Ein wesentlicher Teil des dortigen Bodens war 2004 dem Konzern "Inteko" von Jelena Baturina, der Gattin des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow, verkauft worden. Inteko plante dort eine Golfplatz und eine Formel-1-Strecke. 2009 hätte man der Stadt aber angeboten, den Investitionsvertrag wieder aufzulösen, so ein Inteko-Sprecher.
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Pläne: Waldgebiet gevierteilt und bebaut
Laut Oleg Mitwol, dem Präfekten von Nord-Moskau, sollen in diesem Abschnitt keine Gewerbeflächen und Lagerhäuser entlang der Autobahn entstehen - wie sie zum Teil im Chimki-Wald vorgesehen waren. Umsiedlungen würden durch den Autobahnbau auch nicht notwendig.
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Nach der durch einen Putin-Erlass von 2009 genehmigten Streckenführung wäre die Autobahn quer durch das etwa vier auf fünf Kilometer große Waldgebiet am Moskauer Stadtrand geführt worden. Umweltschützer kritisierten, dass der ökologisch wertvolle Forst damit in vier Teile zerschnitten wird (ohnehin führt bereits eine Landstraße in anderer Richtung durch den Wald) und so seinen Wert als Ökosystem verliere.
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Widerspruch gegen Putins Bau-Erlass wurde nicht geduldet
Bislang verteidigte Russlands Staatsmacht mit im wahrsten Sinne des Wortes aller Gewalt die Rodungsarbeiten im Stadtwald des Moskauer Vorortes Chimki. Zur vorgesehenen und genehmigten Trassenführung der zehnspurigen Autobahn zum Flughafen Scheremetjewo und weiter in Richtung St. Petersburg gebe es keine Alternative, hieß es.
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Demonstranten und Waldschützer wurden von den Behörden massiv bedrängt und Kundgebungen unterdrückt. Verhaftete Teilnehmer eines Rauchbomben- und Graffiti-Angriffs von Antifa-Aktivisten auf die Stadtverwaltung in Chimki haben jetzt sogar bei der Generalstaatsanwaltschaft Anzeige wegen Folterungen nach ihren Festnahmen erstattet. Schon 2008 war der Umweltjournalist Michail Beketow, ein führender Kopf der Wald-Verteidiger von Chimki, von Unbekannten zum Schwerstbehinderten geprügelt worden.
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Plötzliche Kehrtwende von "Einiges Russland"
Umso überraschender kam die gestrige Kehrtwende für die Chimki-Verteidiger. Ich glaubs nicht. Das ist umwerfend!, freute sich Jewgenija Tschirikowa, die Vorsitzende der Bürgerinitiative für den Schutz des Chimki-Waldes, als sie erfuhr, dass die Kreml-Hauspartei Einiges Russland am Donnerstag an Medwedew appelliert hatte, das Projekt noch einmal zu prüfen und solange zu stoppen. Bislang hatte sich die Partei und vor allem ihre kämpferische Jugendorganisation verbissen hinter die Rodungen gestellt.
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Dies war allerdings nur ein mühsam kaschierter Versuch, auf einen schon fahrenden Zug aufzuspringen: Wie die Zeitung Kommersant berichtet, hatte Medwedews Polit-Stratege zwei Tage zuvor intern den Seitenwechsel des Kremls angekündigt.
Medwedew begründete seinen Schritt mit den vielen Eingaben, in denen Bürger, aber auch Vertreter verschiedener Parteien, angefangen bei Einiges Russland bis hin zu Oppositionsparteien, Vertreter öffentlicher Organisationen und verschiedene Expertenkreise bei ihm eine Abkehr von den bisherigen Planungen angemahnt hatten.
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Putin musste die Kröte schlucken
Premierminister Wladimir Putin war zu diesem Zeitpunkt im fernöstlichen Chabarowsk und wegen der Zeitverschiebung bereits zu Bett gegangen. Am nächsten Morgen blieb ihm nicht viel mehr übrig, als Medwedews faktische Ohrfeige hinzunehmen und herunterzuspielen: Das entspricht unserer Politik der letzten Jahre, wir stehen dem Umweltschutz immer aufgeschlossen gegenüber.
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Aber es schade nicht, eine komplizierte Sache nochmals zu durchdenken, erklärte er. Es gebe, egal was gebaut werde, immer einen natürlichen Konflikt zwischen Bauen und Natur.
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Medwedew rettet fünf Kilometer Wald, Putin rast durch 1.700 Kilometer Taiga
Aber es ist klar, diese Straße muss gebaut werden, sagte er und machte sich an die Inspektion eines realisierten Straßenbau-Großprojekts: In seiner bewährten Macher-Art klemmte er sich selbst hinters Steuer eines knallgelben Lada Kalina, um die faktisch fertig gestellte neue Fernstraße von Chabarowsk nach Tschita unter die Kleinwagen-Räder zu nehmen. Bis zu ihrem Bau war Russland Pazifik-Region nur per Bahn oder über Waldwege und Schotterpisten mit dem Kernland verbunden.
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In seiner Amtszeit als Präsident hatte Putin selbst ähnlich auf Umwelt-Proteste reagiert: Mit einem Federstrich ordnete er 2006 die Verlegung einer am Baikalsee-Ufer geplanten Erdöl-Pipeline an.
Der Wald ist allerdings schon gefällt
Medwedews Vorstoß kommt für den Chimki-Wald allerdings reichlich spät: Die Schneise ist im Lauf des Sommers fast vollständig durch den schützenswerten Forst gehauen worden. Sie hat aber wohl noch nicht die geplante Breite erreicht. Eine Greenpeace-Sprecherin erklärte, es werde 80 bis 100 Jahre dauern, bis sich der Wald hier wieder regeniert habe.
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Auch bei anderen Umweltgruppen wurde vor voreiliger Euphorie gewarnt: Ein Sieg sei erst erreicht, wenn die Autobahn anderswo gebaut werde und die letzten Verhafteten der Proteste wieder frei seien, so ein Antifa-Vertreter.
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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)
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