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Historische Aufnahme der Leichenfunde bei Katyn.
Historische Aufnahme der Leichenfunde bei Katyn.
Freitag, 02.04.2010

70 Jahre Katyn – Zwischen Aufarbeitung und Vergessen

Moskau. Zum 70. Mal jährt sich dieser Tage das Massaker von Katyn. Der Massenmord an polnischen Offizieren belastet noch heute das Verhältnis zwischen Russen und Polen. Nun sendet Moskau ein Signal der Verständigung.

Es ist eine Geste der Versöhnung: Russlands Premier Wladimir Putin hat seinen polnischen Amtskollegen Donald Tusk persönlich für den 7. April zu einer gemeinsamen Trauerfeier nach Russland eingeladen. Der polnische Präsident Lech Kaczynski will ebenfalls einige Tage später Russland besuchen.

Gedacht werden soll vor allem der über 4.500 polnischen Offiziere, Adligen und Intellektuellen, die vor 70 Jahren beim Massaker von Katyn vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurden. Die Angehörigen der Opfer warten freilich immer noch auf eine Rehabilitierung.

Als Sowjetfeinde vernichtet


Über 20.000 polnische Offiziere waren nach der Aufteilung Polens zwischen Hitlers Wehrmacht und Stalins Roter Armee 1939 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten. Viele waren sogar freiwillig vor den anrückenden Deutschen in den Osten Polens geflohen.

Bei Russland-Aktuell
• Wider das Vergessen: Das Massaker von Palmnicken (01.02.2010)
• Stalins Ehre: Enkel verklagt die „Nowaja Gazeta“ (08.10.2009)
• Westerplatte: Putins neue Versöhner-Rolle in Polen (01.09.2009)
• Moskauer Gericht: Keine Rehabilitierung der Katyn-Opfer (24.10.2008)
• Gericht lehnt Rehabilitierung der Opfer von Katyn ab (06.06.2008)
Im März 1940 fiel die Entscheidung, sie zu ermorden. Der sowjetische Geheimdienstchef Lawrenti Berija begründete dies mit der angeblich antisowjetischen Haltung der Polen. „Jeder von ihnen wartet nur auf seine Entlassung, um die Möglichkeit zu bekommen, sich aktiv in den Kampf gegen die sowjetische Führung einzuschalten“, schrieb er in einem Brief an Stalin. Stalin segnete daraufhin die Massenerschießung ab, die dann am 3. April begann.

Polnische Leichen als Propagandafund der Deutschen für den Ostfeldzug


Drei Jahre später fanden die Deutschen die Massengräber in Katyn: „Sofort stieg einem der Leichengeruch in die Nase, obwohl wir durch ein Kiefernwäldchen fuhren, wo es immer gut roch und die Luft sauber war; kurz darauf sahen wir die Gräber“, beschreibt Boris Menschagin, der von den Deutschen eingesetzte Bürgermeister von Smolensk, später in seinen Memoiren die Ausgrabungsarbeiten.

Die Wehrmacht nutzte den Fund für ihre Propaganda. Das Verbrechen der Bolschewiki gegen die Polen sollte die Verbrechen der Deutschen in der Sowjetunion rechtfertigen. Tatsächlich brach die polnische Exil-Regierung in London daraufhin den Kontakt zum Kreml ab.

Stalin wälzt den Mord auf Deutsche ab


Nach dem Krieg versuchte Stalin, den Spieß umzudrehen und das Verbrechen zu vertuschen. Der Massenmord an den Polen (neben Katyn wurden viel später, 1991, auch Massengräber in Pjatychatki bei Charkow und Mednoje bei Twer gefunden) sollte den Deutschen in die Schuhe geschoben werden.

Beim Nürnberger Prozess scheiterte der sowjetische Ankläger Roman Rudenko mit seinem Antrag, die Morde den Nazi-Verbrechern anzulasten. Im Ostblock hingegen wurde das Kriegsverbrechen fast bis zum Ende der Sowjetunion offiziell der Wehrmacht angehängt.

Spätes Eingeständnis der Schuld


Erst Michail Gorbatschow gestand 1990 die Schuld der Sowjetunion ein und übergab entsprechende Dokumente an Warschau. Unter seinem Nachfolger Boris Jelzin wurde dann auch ein Strafverfahren eröffnet.

Doch bis heute ist die Stellung des russischen Staates und der russischen Gesellschaft zu dem Verbrechen ambivalent. Immer noch behaupten ranghohe russische Politiker, dass die Morde nicht von der Sowjetunion begangen worden seien. 2004 stellte die Militärstaatsanwaltschaft die in den 90er Jahren begonnenen Ermittlungen zum Katyn-Fall mit der Begründung ein, dass die Straftaten teils verjährt sein, teils die Dokumente ein Staatsgeheimnis darstellten.

Keine Rehabilitierung der Opfer von Katyn


Russische Gerichte verweigern den Angehörigen der Erschossenen eine Rehabilitierung als Opfer des Stalinismus. Stattdessen werden die Verbrechen als Überschreitung der Machtbefugnisse einzelner Personen eingestuft, um so den Systemcharakter zu vertuschen.

Vielleicht fürchtet Moskau andernfalls hohe Kompensationsforderungen. Doch die Kosten für die Leugnung des Verbrechens sind auch so hoch: Sie vergiften seit Jahrzehnten das Verhältnis zwischen Russen und Polen.

Eine unmissverständliche Verurteilung der Taten und die gleichzeitige Übernahme der Verantwortung dafür könnte „ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Russland und Polen sein“, regt die Menschenrechts-organisation „Memorial“ daher in einem Brief an Präsident Dmitri Medwedew an. Der 70. Jahrestag bietet dafür eine gute Gelegenheit.



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