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Tödlicher Frontal-Crash zwischen S-Klasse-Benz und Kleinwagen: Schuld sollen die Todesopfer sein (Foto: Vesti)
Tödlicher Frontal-Crash zwischen S-Klasse-Benz und Kleinwagen: Schuld sollen die Todesopfer sein (Foto: Vesti)
Dienstag, 07.09.2010

Tödliche Lukoil-Karambolage: Verfahren eingestellt

Moskau. Die Moskauer Polizei schreibt die Schuld am schweren Zusammenstoß eines Blaulicht-Mercedes und eines Citroen C3 der dabei getöteten Fahrerin des Kleinwagens zu. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Seit Jahren hat kein Verkehrsunfall die russische Öffentlichkeit und vor allem die Autofahrer im Land so beschäftigt wie der Unfall des Chauffeurs-Mercedes von Lukoil-Vizechef Anatoli Barkow auf dem Moskauer Leniniski Prospekt: Am 25. Februar stieß im morgendlichen Berufsverkehr in der Mitte der breiten Ausfallstraße der schwarze Mercedes S500 des Ölmulti-Managers mit einem Citroen C3 zusammen, in dem zwei Frauen saßen.

Zwei Ärztinnen tot, ein Kind wird Vollwaise


Barkow erlitt leichte Verletzungen, sein Chauffeur blieb unverletzt. Die beiden Frauen, eine bekannte Geburtshilfe-Ärztin und ihre im gleichen Beruf arbeitende Schwiegertochter, überlebten den Crash jedoch nicht.

Die Frau am Steuer hinterließ dabei ein zwei Jahre altes Mädchen – das inzwischen Vollwaise ist: Denn auch sein Vater – der nicht mit im Auto gesessen hatte – verstarb in der Zwischenzeit plötzlich an einer Gehirnblutung.

Rasender Kleinwagen rammt korrekt fahrende VIP-Limousine


Moskaus Polizeichef Viktor Kolokolzew bestätigte nun vor der Presse, was schon seit einigen Tagen inoffiziell bekannt war: Die Behörden haben das Ermittlungsverfahren gegen Barkows Fahrer eingestellt – denn die Schuld an dem Unfall wird der Citroen-Fahrerin zugesprochen.

Angeblich hat sie, bei nasser Fahrbahn mit überhöhter Geschwindigkeit in der äußersten linken Spur stadtauswärts fahrend, die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und war in die entgegenkommende Blaulicht-Limousine gerast.

Ungewöhnliche Glasnost bei der Miliz


Aufgrund des großen öffentlichen Interesses entschloss sich die Moskauer Polizeiführung, die umfangreichen Ermittlungsakten ins Internet zu stellen. Dies sei ein absolutes Novum. Lediglich personenbezogene Daten und Autonummern seien dabei unkenntlich gemacht worden, so Kolokolzew.

Wer das Material auf der Seite petrovka-38.org einsehen will, braucht allerdings einigen Spürsinn, es erst einmal zu finden und muss dann mit den richtigen Programmen Archiv- oder Text Files öffnen. Einige russische Medien begannen aber bereits mit der Publizierung des Materials in einer leichter einsehbaren Form.

Die Ermittler führen jedenfalls einige Zeugenaussagen an, dass der Citroen kurz vor der Kollission bei einem hektischen Bremsmanöver ins Schlingern gekommen sei – und dann in den Gegenverkehr schleuderte.

Mercedes auf dem Mittelstreifen gefilmt


Ein Zeuge berichtet allerdings, dass ihn der schwarze Mercedes kurz vor der Unfallstelle (verbotenerweise) auf dem schmalen Mittelstreifen und mit zwei Räder auch schon auf der Gegenspur überholt habe. Dies Manöver wurde auch von einer Videokamera eingefangen. Der Unfall selbst geschieht dann jedoch ein kleines Stück weiter – das im Videobild just von einem Richtungswegweiser versperrt wird.

Bei Russland-Aktuell
• Miliz will skandalösen VIP-Unfall zu den Akten legen (10.08.2010)
• Medwedew fordert Aufklärung über skandalösen VIP-Unfall (10.03.2010)
• Abgeordneter bei neuem VIP-Unfall in Moskau verletzt (31.05.2010)
• Moskau: Blauer Eimer gegen Beamten-Blaulichter (28.05.2010)
• Tödlicher Verkehrsunfall: War Lukoil-Vize Schuld? (04.03.2010)
Nach der Version der Ermittler befand sich der Mercedes zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes aber schon wieder auf seiner ihm zustehenden Fahrspur. Dem Zeugen wurde wegen einiger Widersprüche und der Behauptung, er habe sich kurz auf sein Autoradio abgelenkt, aber die volle Glaubwürdigkeit abgesprochen.

Die Version, dass die Kleinwagenfahrerin den Unfall verursacht hat, wurde bereits von der Verkehrspolizei an der Unfallstelle verbreitet. Hauptindiz dafür ist, dass der an der Front links lädierte schwere Mercedes tatsächlich weitgehend auf seiner Fahrspur steht.

Ermittlungsakten machen einseitigen Eindruck


Dabei ist selbst aus den veröffentlichten Untersuchungsakten die Parteilichkeit der Ermittler für den „Großkopferten“ deutlich herauszulesen: So heißt es, dessen Fahrer habe gar keinen Anlass gehabt, über die Gegenfahrbahn zu fahren, weil der Verkehr in seiner Richtung flüssig war.

Betrachtet man die Videobilder, so bewegen sich tatsächlich die Autos frei. Doch kurz bevor die schwarze Limousine rasant auf den Mittelstreifen ausschert, bildet sich in den beiden linken Reihen der Fahrbahn ein Rückstau. Die im Video erkennbare Tatsache, dass der Mercedes – aller Wahrscheinlichkeit illegal – mit einem Blaulicht ausgestattet war, wird in den Ermittlungen auch nicht weiter erwähnt.

Die "Blauen Eimer" werden kaum zufrieden sein


Derartige Ungereimtheiten werden die in den Moskauer Staus weichkochende Volksseele wohl eher noch weiter aufheizen als beruhigen. Der tragische Unfall auf dem Leninski Prospekt war auch Initialzündung für die Popularität der Bewegung „Blauer Eimer“: Moskauer Autofahrer klebten sich wiedrholt blaue Spielzeug-Eimerchen aufs Autodach, um damit gegen die Anmaßung von Sonderrechten für ungezählte VIP-Autos in der Hauptstadt zu demonstrieren.

Polizeichef Kolokolzew hält hingegen dagegen, dass es unmöglich sei, ein „unter der persönlichen Aufsicht von Präsident Medwedew stehendes Ermittlungsverfahren zu verfälschen“. Man habe keinen Aufwand gescheut, Zeugen zu suchen und das Geschehen zu durchleuchten.

Der Anwalt Igor Trunow, der die Familie der umgekommenen Ärztinnen vertritt, hat allerdings bereits gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahren Widerspruch vor Gericht eingelegt.

Lukoil-Vizechef Barkow kündigte an, dass er „ungeachtet der erwiesenen Unschuld meines Fahrers“ das durch den Unfall ohne Eltern und Großmutter gebliebene Kleinkind finanziell unterstützen werde. Es soll ähnliche Zahlungen erhalten wie Kinder von bei der Arbeit tödlich verunglückten Ölarbeitern seines Konzerns.



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Matthias 07.09.2010 - 17:36

Traurig...

Genau wegen der fehlenden Rechtsgleichheit (und auch der Korruption) würde ich nie in Russland leben wollen, auch wenn ich gerne als Tourist hinreise.


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