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Tu-154 beim Start (foto: svavia.ru) |
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Donnerstag, 26.08.2004
Flugschreiber behalten ihr Geheimnis noch für sichSt. Petersburg. Mit einer schnellen Aufklärung der doppelten Flugzeugkatastrophe ist nicht zu rechnen: Die Flugschreiber aus den beiden Tupolews wurden beim Absturz beschädigt. Dass die Frage „Terroranschlag oder nicht“ offiziell noch länger unbeantwortet bleibt, liegt im Interesse des Staates, der die Wahlen in Tschetschenien dadurch nicht belasten möchte.
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Die zerfetzten Bänder müssen vor einer Auswertung erst wieder zusammen gesetzt werden, erklärte das Moskauer Luftfahrtkomitee. wie lange das dauern wird, blieb offen. Alle fünf \"black boxes\" - zwei aus der Tu-134 und drei aus der Tu-154 - wurden noch gestern geborgen und nach Moskau geflogen.
Am Tag nach der doppelten Flugzeugkatastrophe erntete der Inlandsgeheimdienst FSB eine Welle der Kritik für seine voreilige Behauptung, es gebe keine Hinweise auf einen Terrorakt als Unglücksursache. Wie der „Kommersant“ heute berichtet, hörten die Sprengstoffexperten des FSB noch auf dem Weg zur Absturzstelle im Gebiet Rostow im Radio, dass dort keine Spuren eines Terrorakts gefunden worden seien. Das war wohl nur insoweit richtig, weil noch niemand danach gesucht hatte: Die Feststellung von Sprengstoffspuren in einem zerfetzten Flugzeugwrack ist schließlich nicht eine Sache von Stunden, sondern von Tagen oder sogar Wochen.
Staats-TV redete dem FSB nach dem Mund
Während die beiden staatlichen Fernsehsender den Tag über brav dieser Sprachregelung folgten, zeigten alle anderen Medien keine Scheu, das Wort „Terroranschlag“ in den Mund zu nehmen. Schließlich gab es auch noch die Meldung der Luftraumüberwachung des Militärs, dass von der Tu-154 vor dem Absturz noch ein Notsignal für Entführung aufgefangen worden sei. Und auch die Wissenschaft votierte gegen einen Zufall: Die statistisch zu berechnende Wahrscheinlichkeit des zeitlichen Zusammenfalls von zwei Flugzeugabstürzen einer Tu-134 und einer Tu-154 bezifferte ein von der „Iswestija“ befragter Mathematiker mit eins zu einer Milliarde. Das sei so groß wie das Risiko, in einem Gebäude Opfer eines Meteoriteneinschlags zu werden.
Am Mittwoch Abend sprach dann auch Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow bei einem Krisengespräch mit Präsident Wladimir Putin davon, dass Terrorismus eine der möglichen Ursachen der Doppelkatastrophe sein könne. Putin wies die von Verkehrsminister Igor Lewitin geführte Untersuchungskommission an, für eine bedingungslose Bereitstellung von Informationen“ zu sorgen.
Insofern besteht Hoffnung, dass das Unglück noch korrekt und objektiv aufgeklärt wird. Allerdings liegt es im Interesse des Kremls, wenn die Behörden mit einer auch nur vorläufigen - aber doch offiziellen - Feststellung, dass dies ein Terrorakt war, noch etwas abwarten: Am Sonntag wird in Tschetschenien der Nachfolger des ermordeten Präsidenten Achmad Kadyrow gewählt. Der Staat möchte mit dem Urnengang ein weiteres mal demonstrieren, dass sich die Lage in der Unionsrepublik zivilisiert und stablisiert.
Moskau kommt es nicht gelegen, wenn dem tschetschenischen Widerstand zugestanden werden muss, dass er in der Lage ist, russische Verkehrsflugzeuge vom Himmel zu holen. „Es ist offensichtlich, dass Terrorakte derartigen Maßstabs in Russland nur die tschetschenischen Kämpfer begehen können“, so die Zeitung „Kommersant“. Separatisten-Sprecher wie Achmed Sakajew erklärten zwar, dass sie mit den Abstürzen nichts zu tun hätten und dass Russland die Verantwortung dafür nun wohl Georgien als Vorwand für eine Invasion zuschieben wird. Das Unwissen beiden Tschetschenen kann Taktik sein - oder echt, weil längst nicht alle der Terrorgruppen im Kaukasus ihre Taten miteinander koordinieren.
Putin sieht Sicherheitsdefizite an Flughäfen
Auch Putin gestand indirekt ein, dass die Flugzeuge offenbar durch Terroristen zerstört wurden: 24 Stunden nach den Unglücken wies er die Regierung an, für eine schnellstmögliche Übergabe der Passagierkontrollen an den russischen Flughäfen in die Hände der Polizeibehörden zu sorgen. Bislang liegt die Prüfung von Gepäck und Fluggästen in der Hand der Flughafenbetreiber. Wäre der Absturz der beiden Tupolews nach dem aktuellen Kenntnisstand auf technisches oder menschliches Versagen zurückzuführen, würde der Kreml wohl an anderer Stelle ansetzen, um die Sicherheit der Luftfahrt zu erhöhen.
Am Donnerstag herrschte in Russland offiziell Staatstrauer. Am Morgen waren im Gebiet Tula zwei Busse mit Angehörigen der Absturzopfer aus Wolgograd eingetroffen. Unterstützt von Ärzten und Psychologen mussten sie die Toten identifizieren. Zunächst gelang es, 17 der 44 Opfer aus der Tu-134 zweifelsfrei zu erkennen.
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Im Falle der Tu-154, die in den Schwarzmeer-Ferienort Sotschi unterwegs war, verzögerte sich die Zusammenführung der Angehörigen, da sie aus vielen Städten des Landes anreisen müssen. Wie der Katastrophenstab in Rostow mitteilte, meldeten sich Angehörige aller 38 umgekommenen Passagiere mit Ausnahme einer Frau mit kaukasischen Familiennamen. Ob dies nun wieder Zufall ist oder ein erster Hinweis auf die Identität einer potentiellen Terroristin an Bord, muss sich noch zeigen.
(ld/rufo)
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