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Beweglich nur in ruhigem Wasser: Die Bohrinsel Kolskaja kenterte bei einer Schleppfahrt im Pazifik (Foto: vesti.ru)
Beweglich nur in ruhigem Wasser: Die Bohrinsel Kolskaja kenterte bei einer Schleppfahrt im Pazifik (Foto: vesti.ru)
Dienstag, 20.12.2011

Bohrinsel-Unglück: An Flugtickets für die Crew gespart

Juschno-Sachalinsk. Der Untergang einer Bohrinsel im Ochotskischen Meer hat über 50 Menschen das Leben gekostet – weil die Betreiber die Bohr-Besatzung während eines riskanten Ortswechsels nicht von Bord nahmen.

Zwar gehen die Sucharbeiten mit Schiffen, Flugzeugen und Hubschraubern in dem Unglücksgebiet östlich von Sachalin noch weiter, aber faktisch gibt es keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden: Die Bohrinsel kenterte bereits am Sonntag – und das Wasser des stürmischen Ochotskischen Meers ist eisig.

Selbst in Überlebensanzügen hält es ein Mensch bei diesen Temperaturen nur sechs Stunden aus. Heute wurden noch ein Rettungsboot und eine Rettungsinsel gesichtet, aber beide waren ohne Insassen und bereits voller Wasser.

Nur 14 von 67 Mann an Bord wurden gerettet


Gerettet wurden nur 14 der 67 Mann an Bord der Bohrplattform „Kolskaja“, die am Sonntag im Schlepptau zweier Schiffe in einen schweren Sturm geriet und kenterte. 16 Tote wurden inzwischen gefunden. Die übrigen 37 Seeleute und Ölarbeiter werden vermisst.

Die meisten der Überlebenden gehören zur Mannschaft aus Seeleuten, die während des Transports der Bohrinsel das Kommando führte. Da sie Dienst hatten, trugen sie warme Überlebensanzüge und Schwimmwesten und waren auch schneller an Deck, als die Bohrinsel zu kippen begann.

Warum waren die Bohrtechniker noch an Bord?


Die Ölarbeiter hielten sich hingegen weitgehend im Unterkunftstrakt auf. Behörden und Fachleute kritisierten bereits die Tatsache, dass überhaupt Menschen an Bord waren, die bei der Überführung der Plattform wohl gar nicht gebraucht wurden.

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• Tag der Flotte: Viele Tote bei Schiffsunglück in Moskau (31.07.2011)
• 126 Opfer, Trauer an der Wolga nach Schiffsunglück (12.07.2011)
Die Vorschriften für derartige Schleppfahrten sehen vor, dass sich an Bord des abgeschleppten Wasserfahrzeugs nur eine dafür unabdingbare Besatzung aufhält. Auch darf eine solche Bohrinsel nur bei ruhigem Wetter mit maximal zwei Meter Wellenhöhe manövriert werden.

Am Sonntag war der Konvoi jedoch auf dem Ochotskischen Meer in einen eisigen Sturm geraten, der fünf bis sechs Meter hohe Wellen aufpeitschte.

800 Kilometer quer über das Ochotskische Meer


Die Bohrinsel war zuvor an der Westküste von Kamtschatka zu Probebohrungen nach Öl eingesetzt worden. Jetzt sollte sie nach Vietnam verlegt werden, zuvor aber noch einen Zwischenstopp für Wartungsarbeiten auf der Insel Sachalin einlegen.

Auf der 800 bis 1.000 Kilometer langen Fahrt geriet der Konvoi aus einem Schlepper, einem Eisbrecher und der Bohrinsel jedoch in den Sturm. Die Ermittler wollen jetzt klären, welcher Wetterbericht den Transportverantwortlichen vorlag.

Üblicherweise werden derartige Plattformen über größere Strecken auf speziellen „Tieflader“-Schiffen „trocken“ und nicht im Schlepptau transportiert. Vor Sachalin sollte die "Kolskaja" dann auch umgeladen werden.

Ein Sturm aus den Nichts?


Der Eigentümer der „Kolskaja“ wehrte sich gegen Vorwürfe, dass Regeln missachtet wurden. „Die Wettervorhersage war günstig, das Schleppen erfolgte nach absolut üblichen Regeln“, so ein Sprecher des Unternehmens ArktikMorNefteGasRaswedka“.

Gegenüber der Zeitung „Kommersant“, sagte ein Mitarbieter der Firma, die an Bord gebliebenen Bohrfachleute seien alle in die „Schiffsrolle“ eingetragen worden und hätten während der Überfahrt die Pflichten von Matrosen eingenommen.

Sparwillen um jeden Preis


Fachleute betrachten dies jedoch als Ausflucht: Vermutlich wollte sich das Unternehmen einfach die Kosten für einen Transfer der Crew an Land und den Flug oder die Überfahrt von Kamtschatka nach Sachalin sparen. An Bord der beiden Schlepper gab es vermutlich keine geeigneten Unterkünfte und genug Rettungsgerät für die Männer - weshalb keine Passagiere mitgenommen werden konnten.

Warum die 60 mal 70 Meter große Bohrinsel unterging, ist noch unklar. Angeblich brach im Sturm eine der beiden Trossen, mit denen der dreieckige Ponton abgeschleppt wurde. Daraufhin begann die Bohrinsel so stark zu schaukeln, dass sie Wasser schöpfte. Auch ist die Rede davon, dass Schwimmkörper leckschlugen.

Bohrinsel in lausigem technischem Zustand


Bei der Kolskaja handelte es sich um eine sog. Hubinsel für Bohrarbeiten in flachen Gewässern. Sie kann ihre aus Gitterrohren gefertigten Beine nach unten ausfahren und sich so über den Meeresspiegel anheben. Die Bohrinsel war 1985 in Finnland gebaut worden.

Wie die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ berichtet, beklagte die Bohrcrew den schlechten technischen Zustand der Bohrinsel. Wie die Moskauer Ehefrau eines vermissten Mechanikers erzählte, hätte ihr Mann die Chefs immer wieder um neue Ausrüstungsteile gebeten - vergeblich, da es „auch so“ gehe.

Die Bohrarbeiten vor Kamtschatka hätten sich wegen zahlreicher Defekte immer wieder verzögert – und seien schließlich nicht schon im Oktober, sondern erst im Dezember beendet worden, obwohl die Kolskaja nicht für die Arbeit im Eis ausgelegt gewesen sei.

„Irgendjemand in den oberen Etagen war nur auf Gewinn aus“, sagt die Frau, die bei der Katastrophe ihren Mann verloren hat – sofern nicht noch ein Wunder geschieht.



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