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Schnell den Schnee vom Dach, bevor er den Weg durch die Zimmerdecken nimmt! (Foto: Brammerloh/.rufo)
Schnell den Schnee vom Dach, bevor er den Weg durch die Zimmerdecken nimmt! (Foto: Brammerloh/.rufo)
Montag, 10.01.2011

Von Eiszapfen, tropfenden Decken und Modernisierung

Susanne Brammerloh, St. Petersburg. Die große Kälte hat sich erst einmal verabschiedet, aber nun stöhnen die Petersburger über eine neue Unbill: Die Eiszapfen beginnen zu fallen, das Tauwasser dringt durch die Zimmerdecken…

Der Montag, der erste normale Tag nach den langen Neujahrsferien, begann für mich mit einem frühen Anruf meiner Nachbarin. Sie stellte die schüchterne Frage, ob bei mir auch das Wasser von der Zimmerdecke kommt. Und dann kam die Bitte, ob ich den Schaden bei ihr nicht fotografieren könne, damit die Hausverwaltung einen handfesten Beweis für das Malheur bekommt.

Hausarrest durch Eisregen


Am Sonntag hatte St. Petersburg sein erstes monumentales Tauwetter in diesem Winter erlebt – es floss und strömte, von den Dächern rutschten mit lauten Begleitgeräuschen die Schneeberge. Dazu kam ein Eisregen, der die Straßen spiegelglatt machte und den Menschen Hausarrest bescherte – bei so einem Wetter jagt man ja keinen Hund vor die Tür, wie es so schön heißt.

Bei Russland-Aktuell
• Winterchaos in Petersburg. Wir raten: zuhause bleiben! (17.12.2010)
• Petersburg will Eiszapfen von den Dächern lasern (02.02.2010)
• Petersburger Künstler züchtet stehenden Eiszapfen (18.02.2010)
Die noch im letzten Winter lädierten und nur schlecht geflickten Dächer lassen das Tauwasser durch, und von den Dachböden fließt es dann weiter durch Decken und an Wänden herunter in die Wohnungen. Ich hatte das Malheur im letzten Jahr, diesmal hat meine Nachbarin das Pech.

Anrückende Rollkommandos


Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, hörte ich auch schon das „Rollkommando“ – die Schnee- und Eisräumbrigade war angerückt und enterte unser Dach. Erstaunlich, wie schnell sie reagierten! Angesichts der seit November liegen gebliebenen Schneemassen im Hof grenzt es fast an ein Wunder.

Vielleicht hatten sie auch einfach Sehnsucht, nach zehn Tagen Nichtstun wieder ordentlich zu arbeiten? In den Neujahrsferien war nämlich niemand von der Hausverwaltung gesichtet worden, obwohl sie seit Monaten Beschwerden und Anträge auf den Tisch bekommt.

Gleichgültige Hausverwaltungen


Es ist ja nun leider nicht nur der Winter, der die Überforderung und Unfähigkeit der verbürokratisierten und handlungsunfähigen Kommunalwirtschaft offenbart. Bei uns im Haus ist seit Monaten ein Fallrohr kaputt, aus dem das Abwasser ins Treppenhaus schwappt.

Aus der ursprünglichen Lache hat sich mit der Zeit ein See gebildet, der nach Frosteinbruch zu einer richtigen Eisbahn gefroren ist. Alle Bitten (in jeder Form – telefonisch, im Gespräch mit der Leitung der Hausverwaltung, über die Beschwerdestelle der Stadt) verlaufen im Nichts.

Innovation und der alte Schlendrian


Das Ganze mutet archaisch an, wenn man den hehren Beteuerungen der Politiker zuhört, die Russland in ein innovatives, modernes Land verwandeln wollen. In diesen Gedankengebäuden von Energieeffizienz und Nanotechnologien ist kein Platz für geplatzte Fallrohre und kaputte Dächer.

Es ist der frappante Unterschied – um nicht zu sagen, Gegensatz – zwischen Theorie und Realität, der einen oftmals in die Verzweiflung treibt. Der alte Schlendrian aus Sowjetzeiten scheint unausrottbar – er hat sich eingefressen in die Mauern der Häuser und die Köpfe der Verantwortlichen.

Mein Vorschlag: Im russischen Silicon Valley in Skolkowo sollte zuallererst eine Abteilung für Modernisierung von Bewusstsein eingerichtet werden. Erst wenn das funktioniert, wird nämlich auch etwas aus der technologischen Innovation werden.

Bis dahin schlagen wir doch nur mit Eispickeln die Dächer kaputt und lassen das Wasser die Wände herunterlaufen – bildlich gesprochen.



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