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Zivi (Foto: www.ifregion.ru) |
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Mittwoch, 20.02.2002
Die grünen Krieger Russlands erste ZivisVon Karsten Packeiser, Nischnij Nowgorod. Wenn Oberschwester Galina Korotajewa über ihre neuen Sanitäter spricht, dann nennt sie sie liebevoll unsere Krieger. Dabei wollen die zwanzig jungen Männer, die seit Anfang Januar im städtischen Krankenhaus Nr. 5 in Nischnij Nowgorod an der Wolga den Fußboden wischen und Patienten in den Operationssaal fahren, alles andere als in den Krieg ziehen. In der Klinik arbeiten die ersten offiziell anerkannten Zivildienstleistenden Russlands.
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Auf ihren grünen Arbeitskitteln steht in weißen Buchstaben: Ziviler Ersatzdienst. Die jungen Männer haben ihre Verfassung ernst genommen und den Wehrdienst verweigert eine Entscheidung, die in Russland immer noch Mut erfordert, weil sie auf die Anklagebank und schlimmstenfalls ins Gefängnis führen kann.
Nischnij Nowgorod, mit 1,5 Millionen Einwohnern drittgrößte Stadt Russlands, war bisher vor allem dadurch bekannt, dass hier die Funktionärslimousinen der Marke Wolga gebaut werden. In den 80er Jahren hatte der KGB den Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow in die damals für Ausländer gesperrte Stadt verbannt, die zu Sowjetzeiten Gorki hieß. Heute weht ein anderer Wind in der Stadt.
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Bürgermeister Jurij Lebedew führte im Alleingang den Ersatzdienst in seiner Kommune ein. Er hatte es satt, dass die Verfassung zwar seit 1993 das Recht auf Kriegsdienstverweigerung garantiert, ein Zivildienstgesetz aber noch immer fehlt. Nach einem harten Anerkennungsverfahren wurden am 3. Januar schließlich zwanzig von ursprünglich 34 Anwärtern von der Kreiswehrbehörde zum Dienst in das Krankenhaus Nr. 5 einberufen.
Die Sanitäter der ersten russischen Zivi-Brigade verweigerten den Armeedienst aus ganz unterschiedlichen Gründen. Einige wollten als Mitglieder einer protestantischen Freikirche aus religiösen Gründen keine Waffe in die Hand nehmen. Sie alle sind davon überzeugt, dass sie ihrem Land im Krankenhaus mehr Nutzen bringen als in einer Armee, in der unerfahrene Wehrpflichtige zum Kampf gegen hoch motivierte Rebellen in den Kaukasus geschickt werden oder den Generälen Wochenendhäuser bauen müssen.
Der Kampf um das Recht auf Wehrdienstverweigerung ist aber noch lange nicht zu Ende. So hat das Gebietsgericht in zweiter Instanz den Zivildienst-Erlass des Bürgermeisters für ungültig erklärt. Lebedew zeigt sich unbeeindruckt von der Entscheidung: Um das Zivildienst-Experiment in Nischnij Nowgorod zu beenden, müsste die russische Verfassung abgeschafft werden. Keiner der Ersatzdienstler müsse sich Sorgen machen, doch noch bei der Armee zu landen.
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Der Bürgermeister weiß die Wähler hinter sich: Siebzig Prozent der Menschen in Nischnij Nowgorod befürworteten seine Politik, sagt er. Die Militärführung sei indes besorgt, dass ihr der Nachwuchs ausgehe, was er auch verstehen könne, so Lebedew. Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung bringt die Problematik weniger diplomatisch auf den Punkt: Die Militärs haben Angst, wegen des Zivildienstes ein riesiges Geschäft einzubüßen. Hier kostet es zurzeit zwischen 3.000 und 5.000 US-Dollar, sich von der Armee freizukaufen. Inoffiziell, versteht sich.
Immerhin scheint jetzt auch die russische Führung das fehlende Zivildienstgesetz im Eilverfahren durchpauken zu wollen. Der zwischen Regierung, Militär und Parlament ausgehandelte Kompromiss sieht auf Druck der Generäle aber eine Regel-Dienstdauer von vier Jahren vor. Das geplante Gesetz sei sicher nicht ideal, so Bürgermeister Lebedew: Im Vergleich zum jetzigen Zustand ist dieses prähistorische Gesetzesprojekt aber ein gigantischer Schritt nach vorne. Das sieht der Zivi Iwan Matlachow anders. In der Regierung in Moskau gebe es offensichtlich Leute, die Zivildienst mit Zwangsarbeit verwechseln. (epd)
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Im Internet |
Zivildienst in Russland (D)
Deutsche Friedensdienstleistende in Nischnij Nowgorod
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