Montag, 07.02.2005
Juschtschenko ein eingebildeter Kranker?Moskau. Der russische Experte für chemische und biologische Waffen Kyrill Schelutschenko zweifelt an der Vergiftungs-Diagnose für den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko: Dioxin im Körper sei so gut wie nicht nachweisbar. Auch gebe es einfach effektivere Mittel, politische Gegner aus dem Weg zu schaffen.
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Dreieinhalb Monate dauerte es, bis die Ärzte ihren Urteilsspruch im Fall Juschtschenko ablegten: Dioxin-Vergiftung. Dabei sei es laut Schelutschenko unglaublich kompliziert, Dioxin im Körper festzustellen. Das Mitglied der UNO-Giftwaffen-Kommission im Irak erklärte in einem Interview mit gazeta.ru dieser Tage, der Stoff sei nach Aufbau und Zusammensetzung Unmengen von Aromastoffen ähnlich, die im Körper „legal“ vorkommen.
Als Gift kommt das Dioxin ursprünglich aus den USA. Es ist ein Bestandteil des berüchtigten „Agent Orange“, das die Amerikaner während des Vietnam-Kriegs zur Entlaubung einsetzten. Allerdings sei es nur ein Nebenprodukt. Es wirke sich hauptsächlich auf Ungeborene aus, bei denen deswegen Missbildungen entstehen oder gar Organe fehlen können.
Das Gift wurde sparsam dosiert
In der Natur komme der Stoff ebenfalls vor. Dioxin trete verstärkt in Meeresfrüchten auf. So könnten sich Fischer ebenso wie Feinschmecker mit Dioxin vergiften. Das Gift komme in der Natur jedoch nur in winzigen Mengen vor.
Der Stoff ist in seiner Urform butterartig, man könnte ihn also rein theoretisch zum Essen mischen, so Schelutschenko. Doch die Dioxin-Menge, die für Hautveränderungen, wie Juschtschenko sie erlitten hat, nötig wäre, sei sehr gering. Unter 0,3 Milligramm hätte der ukrainische Präsident einnehmen sollen. Das Hauptargument des Wissenschaftlers dabei: „Warum so wenig von einem Stoff nehmen, der einfach zu beschaffen und dazu leicht unterzujubeln ist?“
Narben nur ein kosmetischer Super-GAU?
Der Experte glaubt, dass Juschtschenkos „Vergiftungstheorien“ nichts als „Wahnvorstellungen“ sind. „Aber es ist schwer zu beweisen, dass sie es sind“, meint der Chemiker. Die Narben könnten zwar von einer Dioxin-Vergiftung stammen - „oder von schlechtem Aftershave“, ätzte Schelutschenko. Eine exakte Diagnose könnte aber nur bei einer Autopsie mit einem Leberschnitt geliefert werden.
Das Opfer der Giftattacke sagte neulich, es wisse, woher das Dioxin stammen könnte. Laut Juschtschenko werde es „ausschließlich in den USA, Russland und einer Reihe anderer Länder hergestellt“. Der russische Chemiker hat aber auch hierzu eine andere Meinung. Dioxin sei ein Abfallprodukt, das beim Zerfall von Phenol-Benzol-Verbindungen entstehe. Es sei nutzlos und werde deswegen nirgends speziell hergestellt. Es sei auch ineffizient, den Stoff als biologische Waffe einzusetzen: „Es gibt viel effektivere Waffen, was die Vernichtung von Menschen angeht“, meinte Kyrill Schelutschenko.
(ali/.rufo)
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