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Ist die russische Flotte auf einen Atomkrieg vorbereitet? (Foto: Kusnezow/.rufo)
Ist die russische Flotte auf einen Atomkrieg vorbereitet? (Foto: Kusnezow/.rufo)
Dienstag, 17.02.2004

Raketen-Panne vor Putins Augen

St. Petersburg. Heute brach in Russland der Atomkrieg aus – zum Glück nur übungshalber. Während die russische Armee beim größten Manöver ihrer strategischen Streitkräfte seit 1982 aus allen Rohren zu feuern begann, verhielt sich Präsident Wladimir Putin anders, als es seinem Amt in der angenommenen Lage angemessen wäre: Statt aus dem Kommandobunker beobachtete er das Manöver von Bord eines Atom-U-Bootes im Nordmeer – und erlebte offenbar ein Fiasko.

„Sicherheit-2004“ heißt die mehrtägige Übung, mit der Russland sich und der Welt beweisen will, dass es noch immer eine atomar bis an die Zähne bewaffnete Großmacht ist, mit der nicht zu spaßen ist. Anders als beim „siebenstündigen Atomkrieg“ vor 22 Jahren wurden die USA diesmal vorher genau informiert: Die Übung diene der „Vorbereitung des Landes zur Abwehr einer terroristischen Bedrohung“, kabelte der russische Generalstab politisch korrekt ins Pentagon. Dort wird man schon von alleine verstanden haben, dass Russland zur Verteidigung vor Bombenlegern und Moslem-Extremisten kaum je zu Atombomben greifen wird.

Langstreckenbomber der Typen Tu-95 und Tu-160 sollten am Dienstag über dem Nordatlantik und Sibirien Marschflugkörper abfeuern, von den Kosmodromen Plesetzk und Baikonur Raketen starten. Auch die Nordmeerflotte fuhr für die Übung mit zehn Schiffen und sechs U-Booten aus ihren Basen bei Murmansk aus, unter anderem, um einen simulierten Luftangriff der eigenen Bomber abzuwehren. Mit dabei nach vier Jahren Reparaturpause die „Admiral Kuznezow“, Russlands einziger verbliebener Flugzeugträger – alle anderen wurden verschrottet oder verkauft. Schwerpunkt des Manövers war jedoch der Einsatz und die Koordination der „nukearen Triade“, Russlands landgestützte Raketen, U-Boote und strategische Bomber.

Als Höhepunkt des Marine-Teils des Manövers sollte am Dienstag um 10 Uhr Ortszeit von dem in der Barentssee getauchten Atom-U-Boot „Nowomoskowsk“ eine ballistische Rakete vom Typ RSM-54 abgeschossen werden. Ihr Ziel: ein für derartige Übungsschießen bestimmtes Militärgelände auf der Halbinsel Kamtschatka am Stillen Ozean. Die russischen Militärs wie auch Präsident Putin als ihr Oberkommandierender waren wohl davon überzeugt, dass dies eine eindrucksvolle Show abgeben würde – vier Wochen vor den Wahlen für den Präsidenten besonders wichtig.

Deshalb ging Putin selbst auf Tauchstation: Am Vorabend bestieg er in Seweromorsk das Atom-U-Boot „Archangelsk“. Während der „schwere strategische Atom-Untersee-Raketenkreuzer“ – so die offizielle Bezeichung – in Tauchfahrt ins Manövergebiet fuhr, schlummerte Putin in einer eigens eingerichteten „Präsidentenkajüte“. Es war seine zweite U-Boot-Übernachtung nach einer ähnlichen Ausfahrt vor vier Jahren. Putin wollte den Untersee-Raketenstart aus sicherer Entfernung von Bord der „Archangelsk“ beobachten.

Doch das Gesehene wird ihm nicht gefallen haben: Der Start scheiterte. Wie die russische Internetzeitung gazeta.ru unter Berufung auf Informanten in der Flotte berichtete, brach die Rakete unmittelbar nach dem Start auseinander. Über eventuelle Schäden oder Opfer wurde nichts bekannt. Nach anderen inoffiziellen Berichten wurde der Start wegen eines Defekts kurzfristig abgebrochen, die Rakete blieb im Startschacht. Ein Satellit habe das Startsignal für insgesamt zwei Raketen an Bord der „Nowomoskowsk“ blockiert, so ein Offizier gegenüber der Staatsagentur Ria-Novosti.

Bei Russland-Aktuell
• Hungern und Frieren mit System (17.1.2004)
• Keine Armee für Krieg und Frieden (19.11.2003)
• Russlands Militärflieger fallen wie im Krieg (19.9.2003)
Auf offizieller Seite herrschte – wie seinerseits im Jahr 2000 nach dem Untergang der „Kursk“ bei einem Großmanöver an gleicher Stelle – vorerst das Informationsvakuum: Die Pressestelle der Flotte gab vier Stunden nach dem geplanten Start nicht nur keinen Kommentar zu dem Vorfall, sondern verbreitete die Behauptung, die Übung verliefe wie geplant. Das Verteidigungsministerium verweigerte jede Auskunft und verwies auf den Kreml: Bei Veranstaltungen mit Präsidentenbeteiligung beansprucht dessen Pressedienst das Informationsmonopol, bei derart heiklen Situationen wohl erst recht. Sofern Putin nach der Panne nicht seine Pläne ändert, sollte er auf dem nordrussischen Kosmodrom Plesezk anschließend noch zwei weitere Raketenstarts des Militärs beobachten: eine Interkontinentalrakete vom Typ „Topol“ sowie am Mittwoch den Start eines Satelliten.

(ld/.rufo)

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