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Friedliches Miteinander ist nicht immer leicht (.rufo) |
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Kaliningrad: Problem Fremdenfeindlichkeit5.4.2005, Kaliningrad. In Werbebroschüren wird gern die Multinationalität des Kaliningrader Gebietes betont: Angehörige von mehr als 132 Nationalitäten sollen in der von rund einer Million Menschen bewohnten Exklave wohnen. Doch das Zusammenleben gestaltet sich nicht immer friedlich: Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung anderer Religionen sind auch in Kaliningrad ein Problem.
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Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Moskauer Büros für Menschenrechte vom März 2005. Die Studie listet Fälle von Diskriminierung aufgrund von Herkunft und Religion in der russischen Exklave aus den letzten Jahren auf.
Problem Antisemitismus
Seit Juli 2003 verzeichnet das Moskauer Büro in Kaliningrad mehrere Straftaten, bei denen antisemitisches Propagandamaterial verbreitet wurde. So fanden die Kaliningrader im Herbst 2004 in ihren Briefkästen Flugblätter und Zeitungen, die unter der Überschrift „Achtung, Zionismus“ antisemitische Verleumdungen verbreiteten und die Gebietsverwaltung als jüdische Verschwörung diffamierten. Erstellt wurden die Materialien im Auftrag des „russischen Patrioten und Vorsitzenden für russische Autonomie“, Wladimir Lewtschenko.
Eben jener Lewtschenko war auch für eine unangemeldete Versammlung „Zum Schutz der Russen“ im Kaliningrader Stadtzentrum vor wenigen Monaten verantwortlich, auf der ein Verbot zionistischer Organisationen gefordert wurde.
Mit solch einer Forderung fiel auch ein hochrangiger Kaliningrader Politiker negativ auf. Im Januar 2005 wandte sich eine Gruppe nationalistischer Abgeordneter der Staatsduma in einem öffentlichen Brief an die russische Generalstaatsanwaltschaft mit der Forderung, alle in Russland tätigen jüdischen Organisationen wegen ihrer angeblich extremistischen Aktivitäten zu verbieten. Unter den Unterzeichnern befand sich auch der Kaliningrader Abgeordnete der Staatsduma, Wladimir Nikitin.
Auch der Kaliningrader Ex-Gouverneur Leonid Gorbenko machte aus seiner antisemitischen Einstellung nie einen Hehl. Mehrmals beschimpfte der Skandalpolitiker Kaliningrader Journalisten wegen ihrer jüdischen Herkunft, zuletzt vor einer Woche auf dem jährlichen Presseball.
Diese und eine ganze Reihe Vorkommnisse wurden in den Gremien der Gebietsduma und der Rechtsschutzbehörden des Gebietes mehrmals zur Sprache gebracht. Eine strafrechtliche Verfolgung und längerfristige Gegenmaßnahmen blieben jedoch aus.
Religiöse Intoleranz
Achtzehn Konfessionen gibt es im Kaliningrader Gebiet. Offiziell wird untereinander ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt, aber wie im russischen Kernland auch, ist der Einfluß der russisch-orthodoxen Kirche in Kaliningrad übermächtig. Dies bekommen auch die Muslime, die mit 30.000 Mitgliedern zweitgrößte Glaubensgemeinschaft im Kaliningrader Gebiet, zu spüren.
Seit mehr als 10 Jahren kämpfen sie für die Genehmigung für den Bau einer Moschee. Anwohner potentieller Bauplätze wurden durch anonyme und islamfeindliche Flugblätter aufgebracht, die russisch-orthodoxe Kirche machte aus ihren Verhinderungsmaßnahmen erst gar keinen Hehl.
Rassismus
Der Rassismus gegenüber Menschen aus der Kaukasusregion ist, wie überall in Russland, auch im sonst als tolerant gepriesenen Kaliningrad stark ausgeprägt. Im öffentlichen Bewußtsein sind Kaukasier Terroristen, Mörder und Geiselnehmer. Das Moskauer Büro für Menschenrechte prangert dabei vor allem die lokalen Medien an, die mit rassistischen Anspielungen die Vorurteile in der Bevölkerung weiter verfestigen.
Ein Sonderfall ist indes die anti-litauische Stimmungsmache, die sich gegenwärtig in Kaliningrad beobachten läßt. Sie ist auf die veränderten Transit- und Einreisebedingungen infolge des EU-Beitritts Litauens zurückzuführen. Vor allem die in Kaliningrad sehr aktive Nationalbolschewistische Partei tritt dabei als Stimmungsmacher hervor.
Im Fazit ihrer Studie warnen die Forscher zwar vor einer pauschalen Verurteilung der Bevölkerung als fremdenfeindlich, weisen aber darauf hin, dass Faktoren wie die anhaltend schwierige wirtschaftliche und soziale Lage, Furcht vor Terrorismus u.a. die Gefahr zunehmender Fremdenfeindlichkeit bergen.
(jm/.rufo)
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