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Freitag, 21.09.2007

Ukraine – Ein Land als Spiegelbild der Ost-West-Spaltung

Kiew. Die Geschichte hat den Ukrainern kein leichtes Erbe hinterlassen. Mitten im Land verlaufen die historischen Trennlinien zwischen Ost und West – ziemlich genau in der Mitte des Flusses Djnepr, der das Land in einem weiten S-Bogen in zwei Hälften teilt. Die Gegensätze sind bis heute überall spürbar – sprachlich, kulturell, religiös und ethnisch. Der Westen war traditionell katholisch, der Osten und Süden russisch-orthodox; der Westen spricht überwiegen ukrainisch, der Osten und Süden russisch.





Ukraine – Zentrum der alten Kiewer Rus und der Russischen Orthodoxie


In der Ukraine liegen die Wurzeln des Russischen Großreichs. Die Kiewer Rus, im 9. Jahrhundert dank aktiver Entwicklungshilfe der Waräger aus dem Zusammenschluss mehrerer slawischer Stämme entstanden, erstreckte sich von den südukrainischen Steppen an der Krim bis an die Ostsee im Norden und bis zu den Wolgastädten Nischni Nogorod und Jaroslawl im Osten. Das Machtzentrum lag in Kiew, das zu jener Zeit eine der größten Städte Europas war. Auch die Handeslzentren Pskow und Nowgorod (Groß-Nowgorod) gehörten zur Kiewer Rus.

Die Christianisierung Russlands nahm ihren Ausgang von Kiew aus. Kiew mit seinen Kirchen und Höhlenklöstern am rechten, westlichen Ufer des Djnepr war das religiöse und geistige Zentrum der Rus und der ganzen russisch orthodoxen Christenheit. In Kiew ließ Großfürst Wladimir im Jahre 988 sich und seine Untertanen im Dnjepr taufen.

Vom Zentrum zur Okraina


Doch die Kiewer Rus zerfiel, die Macht Kiews schwand, die Tataren brannten das stolze Kiew nieder, die Bevölkerung floh in Richtung Nordost und das Zentrum verlagerte sich nach Moskau. Schon der Name Ukraine macht dies deutlich, denn das russische „okraina“ heißt soviel wie Randgebiet. Allerdings gehörte nur der östliche und südliche Teil der heutigen Ukraine zu Russland. Der Grenzfluss war im wesentlichen der Dnjepr.

Der Westen der heutigen Ukraine stand erst unter dem Einfluss der katholischen polnisch-litauischen Rzeczpospolita, später dann war er Teil der (ebenfalls katholischen) k. u. k. Monarchie von Österreich-Ungarn. Erst im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges wurde die Ukraine in ihrer jetzigen Gestalt geformt (1954 durch eine Schenkung Chruschtschows lediglich noch um die bis dato russische Krim erweitert).

Das alte Gebiet der Rzeczpospolita ist heute orange


Aber die alten historischen Trennungslinien schlagen auch heute immer wieder durch: wenn bei den Wahlen der vergangenen Jahre die Westhälfte der Ukraine „orange“ wählte und der Osten und Süden „blau“, so verlief die Trennungslinie zwischen den beiden Blöcken immer ziemlich genau entlang der Grenze des alten Polnisch-Litauischen Großfürstentums, entlang des Dnjepr, der Grenze zwischen „Rom“ und dem „Dritten Rom“, wie Moskau auch genannt wird.

Seit der Unabhängigkeit im Spannungsfeld


Die moderne Ukraine ist ein junger Staat. Die Unabhängigkeit des flächenmäßig zweitgrößten Staates Europas wurde erst am 24. August 1991 erklärt. Die UdSSR, zu der die Ukrainische Sowjetrepublik bis dahin zählte, wurde offiziell sogar erst Ende 1991 aufgelöst. Der erste Staatschef, Leonid Krawtschuk, stammte als Mitglied des Politbüros noch aus der sowjetisch-kommunistischen Nomenklatura. Krawtschuk stützte sich allerdings Anfang der 90er Jahre auch auf die ukrainische Nationalbewegung, um den Machtkampf im Land zu gewinnen.

Es ist seither das Schicksal aller ukrainischen Präsidenten, dass sie den Spagat zwischen dem westlich orientierten und gleichzeitig nationalistischen Westen des Landes und dem russischen Osten der Ukraine bewältigen müssen. Richtig gelungen ist dies bisher keinem der drei Amtsträger. Während sich Krawtschuk und sein Nachfolger Leonid Kutschma vorwiegend auf die Bergarbeiter im russischfreundlichen Osten des Landes stützen, wird der jetzige Präsident Viktor Juschtschenko vom Westteil der Ukraine getragen.

Ukrainisch als einzige Staatssprache –
statt Gleichberechtigung von Russisch und Ukrainisch


Verschärft werden die politischen Gegensätze auch dadurch, dass die „Westler“ ukrainisch als einzige Staatssprache durchsetzten, obwohl für über die Hälfte der Bürger auf dem Gebiet der Ukraine eigentlich Russisch die Muttersprache war und ist. Eine „belgische“ Lösung mit zwei Staatssprachen wird seitdem vom Osten gefordert und vom Westen blockiert.

Spielball zwischen Ost und West


Die so genannte „orangene Revolution“ leuchtete die lange vorhandenen Spannungen zwischen den beiden Landesteilen deutlich aus. Mit Massendemonstrationen in Kiew und im Westen des Landes wurde der durch massive Wahlmanipulation zum Sieg gekommene Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt, noch ehe er es besetzen konnte.

Die tagelangen Proteste führten schließlich zur Annullierung des Urnengangs und zu einer Wiederholung der Stichwahl, die Juschtschenko für sich entscheiden konnte. Allerdings war der Sieg Juschtschenkos kaum weniger umstritten. Nun demonstrierten allerdings die Bergarbeiter aus dem Osten des Landes gegen Wahlfälschungen in Lwiw (Lwow - Lemberg). Bis heute gelang die Versöhnung der verfeindeten Lager nicht.

Dies liegt auch daran, dass sowohl Moskau, als auch Washington und Brüssel immer wieder versuchen, Entscheidungen in Kiew zu beeinflussen – ohne Rücksicht auf die Interessen der ukrainischen Bevölkerung zu nehmen. Dies führt dazu, dass der nach Russland in Bezug auf Wirtschaftskraft und Bevölkerung zweitwichtigste Nachfolgestaat der Sowjetunion immer wieder zum Spielball zwischen Ost und West wird.

In den geopolitischen Planspielen von amerikanischen Beratern wie Zbigniew Brzezhinski wird der Ukraine eine Schlüsselrolle in der machtpolitischen Auseinandersetzung mit Russland zugeschrieben.

US-Politik ist darauf gerichtet, die Ukraine insgesamt so schnell und so fest wie möglich an die NATO und den europäischen Wirtschaftsraum zu binden. Das würde sowohl einerseits Russland schwächen, als auch gleichzeitig andererseits Integrationsprozesse in der EU erschweren – und somit die dominierende Rolle der USA in Mittelosteuropa befestigen.

Den US-Initiativen entspricht oft spiegelbildlich die Politik Moskau gegenüber der Ukraine.

Wirtschaft und Tourismus


Die fehlende politische Stabilität und die weiterhin extrem hohe Korruption üben einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft aus. Das schnelle Wirtschaftswachstum in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends ist inzwischen beendet. Die ukrainische Führung macht dafür in erster Linie die gestiegenen Gaspreise verantwortlich. Hauptursache ist aber eher hoffnungslos veraltete Infrastruktur, Unfähigkeit von Verwaltung und Management und Korruption.

Vom russischen Erdgas ist in erster Linie die metallverarbeitende Industrie im Osten der Ukraine abhängig. Der Westen des Landes ist stärker landwirtschaftlich geprägt. Da die Ukraine im Süden an das Schwarze und das Asowsche Meer grenzt, leben diese Regionen vom Tourismus. Die bekannteste Tourismusregion ist die Halbinsel Krim.

27.01.2007 (ab/gim/.rufo)




Ukraine Daten:


Fläche: 603.000 qkm

Bevölkerung: 47 Mio. Einwohner, davon Ukrainer 78 Prozent, Russen 17%, zudem bilden Rumänen, Weißrussen und Tataren größere Minderheiten. Die einst stark vertretenen deutschen und jüdischen Gemeinden sind inzwischen sehr klein.

Größte Städte: Kiew (2,7 Mio.), Charkow (1,5 Mio.), Dnepropetrowsk (1,1 Mio.), Odessa, Donezk (je 1 Mio.)

BIP: 64 Mrd. Euro

Währung: Griwna




Hier soll es weitere aktuelle Informationen über die Entwicklung der Ukraine geben.

Bis dahin beachten Sie bitte die aktuellen Nachrichten und Berichte in dem Ukraine-Monitor auf der Hauptseite von www.Ukraine-Aktuell.de.

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