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Für Investitionen in Russland könnte es unterm Strich gut sein, wenn sich zivile Regeln zur Unternehmensführung (Corporate Governance) durchsetzen. (Foto: Archiv) |
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Donnerstag, 21.06.2012
Krise und Konflikte fördern zivile UnternehmensführungSt. Petersburg. Es scheint, als ob aktuell Oligarchenkriege und die internationale Krise die Durchsetzung einer zivilen Unternehmensführung in Russland fördern. Nicht mehr "Zar und Gott", sondern "Corporate Governance".
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Durchs Dunkel zum Licht: der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Investment-Standortes Russland könnte das nur gut tun. Besonders interessant sind zwei Ereignisse am Vorabend des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg.
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So liessen anscheinend zwei der härtesten Konkurrenten auf dem russischen Wirtschaftsolymp bei einem Treffen vor einigen Tagen die Friedenspfeife kreisen. Wladimir Potanin und Oleg Deripaska besprachen den Dauerkonflikt bei Norilsk-Nickel, einem der wichtigsten russischen Generatoren von Deviseneinnahmen in Milliardenhöhe.
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Potanin und Deripaska reden in freundschaftlicher Atmosphäre
Das Treffen sei in durchaus freundschaftlicher Atmosphäre verlaufen, sagte hinterher Potanin der Neuen Zürcher Zeitung. Von Deripaska habe er das eigentlich nicht erwartet. Zur Entspannung habe wohl beigetragen, dass Deripaskas Position in einigen von ihm selbst angestrengten Gerichtsverfahren sehr schwach sei (Russland-Aktuell berichtete). Auch habe die internationale Krise und der drohende Verfall der Rohstoffpreise die Schuldenklemme für RusAl noch verschlimmert.
Kurzfristig sei ein Preisverfall auf dem Weltmarkt für Metalle sehr wohl zu erwarten, hatte Potanin vor kurzem vor Journalisten in Moskau erklärt - und mit leicht süffisantem Lächeln hinzugefügt, dies könne dann durchaus dazu führen, "dass einige Produzenten aus dem Wirtschaftsleben ausscheiden".
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Matthias Warning Kontrolleur des Kremls
Vor dem Friedenstreffen der beiden Intimfeinde hatte es aber noch ein wohl entscheidendes Ereignis gegeben: zum Aufsichtsratsvorsitzenden bei RusAl war am vergangenen Freitag Putins Mann für prekäre Aufgaben gewählt worden. Matthias Warnigs Aufgabe dürfte es nach Einschätzung von Fachleuten sein, im weitverzweigten Firmen- und Schuldengeflecht von Deripaska für neue Ordnung zu sorgen.
Schliesslich kann Präsident Wladimir Putin es nicht zulassen, dass der grösste Aluproduzent der Welt und die Unternehmensstruktur drum herum zerfällt was durchaus möglich wäre, wenn Deripaska weiter wie "Zar und Gott" in dem ihm anvertrauten Imperium herrschen würde und mit seinem teils abenteuerlichen Geschäftsgebaren einen Partner nach dem anderen vor den Kopf stossen würde. In letzter Zeit hatte sich auch Viktor Wechselberg gegen Deripaska gestellt.
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Der Staat müsse, so erklärte Wladimir Potanin gegenüber Russland-Aktuell , die Einführung und Einhaltung von zivilen Regeln der Unternehmensführung (auf Englisch Corporate Governance, auf Russische "Korporativnoje Uprawlenije") stimulieren. Der Staat müsse nicht nur Regulator, sondern auch Vorbild sein und den Ton angeben.
Zivile Regeln der Unternehmensführung nützen den Unternehmen
Die Unternehmen selbst seien daran interessiert, um innere Konflikte besser zu lösen und die Konkurrenzfähigkeit zu stärken, sagte Potanin am Rande der Jahrestagung des "Nationalen Rates für Regeln der Unternehmensführung" in Moskau. Potanin ist Vorsitzender des Rates.
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Es scheint tatsächlich, als ob im NorNickel-RusAl-Konflikt allmählich die Dauerkonfrontation durch zivile Unternehmensführung abgelöst werden könnte, vielleicht auch mit Hilfe von Matthias Warnig.
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Jedenfalls einigten sich Potanin und Deripaska bei ihrem Treffen auf ein paar Schritte, die eigentlich ganz auf der bisherigen Linie von Potanin die Kapitalisierung von NorNickel erhöhen. NorNickel soll 10 Prozent der eigenen Aktien annullieren und dann zwei Prozent freier Aktien vom Markt zurückkaufen.
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Da es wohl unmöglich sei, den Konflikt zwischen der Potanin-Holding Interross und dem Deripaska-Konzern RusAl im Ganzen zu lösen, sei es zielführend, einige Schritte in die richtige Richtung zu machen.
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Endgültig zu entscheiden hat darüber der Aufsichtsrat von Norilsk Nickel, der am 28. Juni erstmals nach den hier beschriebenen Veränderungen tagen wird. Interessant wird es.
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Paulsen-Consult 22.06.2012 - 20:25
Geologie der Politik
Ähnlich wie in der Geologie gibt es in der Politik eine obere Gesteinsschicht und darunter kommen andere, meist wesentlich härtere Schichten.
Die oberste Schicht kann die rechtsstaatliche Regelung von Unternehmensstrukturen sein, darunter geht es meist um Wirtschaftsinteressen politisch einflussreicher Leute und Organisationen und darunter geht es dann um die Verschleierung von Wirtschaftskriminalität und mafiösem Filz. Ganz unten kommt die undurchlässigste Schicht, hier geht es um die Verhinderung von Änderungen bei festgefügten Machtstrukturen. Meist wird nur die oberste Schicht kolportiert und man fühlt sich als Leser fast schon angenehm berührt. Tiefer wollen dann nur sehr wenige bohren, die man meist relativ leicht aus dem Verkehr ziehen kann. So ist es in West und Ost in Nord und Süd und nicht nur in Russland.
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