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Der Entwurf des britischen Architekturbüros RMJM sieht einen 300 Meter hohen Turm vor
Der Entwurf des britischen Architekturbüros RMJM sieht einen 300 Meter hohen Turm vor
Dienstag, 20.03.2007

Gazprom und Petersburg spalten den Wolkenkratzer

St. Petersburg. Der umstrittene Wolkenkratzer für Gazprom soll gebaut werden – aber mit neuem Konzept, Namen und anderer Finanzierung. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch noch die angepeilte Höhe abbröckelt.

Die Petersburger Stadtverwaltung und Gazprom halten daran fest, dass an der Mündung des Flüsschens Ochta in die Newa ein Bürozentrum für den Energieriesen und vor allem dessen nach Petersburg umgezogene Öl-Tochter „Gazprom neft“ gebaut werden soll. Und noch immer steht jener über 300 Meter hohe „Maiskolben“ als Vorschlag im Raum, mit dem das Londoner Architekturbüro RMJM im letzten Jahr den Planungswettbewerb gewann.

Das ist aber schon fast alles, was das Projekt seit Freitag noch mit jener Idee gemein hat, die seit Monaten die Petersburger zu kontroversen Debatten über Stadtplanung und Schutz der historischen Silhouette animiert. Gazprom-Chef Alexej Miller und Gouverneurin Valentina Matwijenko erklärten, dass „wegen einer Änderung der Ideologie des Projektes“ dieses nun nicht mehr „Gazprom-City“ heißen soll, sondern „Ochta-Center“.

Nicht nur Büros, auch Wohnungen, Kultur und Sport


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• Wahlen in St. Petersburg: Modell für Russland (09.03.2007)
• Gazprom-Turm: Jury stimmt für britischen Entwurf (01.12.2006)
• Ochta-Einwohner üben Aufstand gegen Gazprom-City (24.11.2006)
• St. Petersburg erwacht im Schatten der Öltürme (14.11.2006)
• Gazprom baut ersten Wolkenkratzer in Petersburg (15.03.2006)
Der Vorwurf, mit der Namensänderung nur den halbstaatlichen Gasmonopolisten aus der Schusslinie der Kritik zu nehmen, greift dabei zu kurz. In der Tat haben sich Stadt und Gazprom darauf verständigt, die Nutzung des geplanten Großobjektes umzuwidmen: Anstelle eines reinen Bürozentrums mit ein paar nötigen Einsprengseln an Unterhaltungs- und Einkaufsinfrastruktur soll nun ein Neubau-Quartal entstehen, dass auch Wohnbereiche, Kultur- und Sporteinrichtungen enthält – so zum Beispiel eine Kunsthalle für moderne Kunst.

Völlig neu gestrickt präsentiert sich nun das Finanzierungs-Schema, das in Fachkreisen nicht minder Kritik und Verwunderung erregte als die jegliche Dimensionen der historischen Innenstadt sprengende Architektur: “Gazprom neft“ finanziert nun direkt 51 Prozent des Baus, die Stadt steuert aus ihrem Budget 49 Prozent bei. Letztlich soll dann jeder Co-Investor entsprechende Anteile an der Baumasse erhalten.

Gazprom soll nun seine Büros selber bezahlen


Faktisch bedeutet das, dass Gazprom auf eigene Rechnung auf dem Areal sich seinen Büroturm errichten wird und die Stadt die restlichen umliegenden Objekte. Das klingt logisch – und ist zugleich das Begräbnis für jenen nach Filz riechenden Deal, der bisher die Grundlage des Projektes bildete.

Demnach sollte die Stadt allein im Laufe von zehn Jahren die Kosten des auf ca. 1,75 Mrd. Euro veranschlagten Projekts tragen – und es dann an Gazprom überschreiben. Im Stadtbudget sollte dies als „Subventionen zur Wirtschaftsansiedlung“ verbucht werden. Der Energieriese hatte im Gegenzug seine potente Öltochter (im Kern ist dies der ehemals Roman Abramowitsch gehörende Konzern Sibneft) bereits offiziell an die Newa umziehen lassen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen von „Gazprom neft“, so rechnete der Smolny vor, wären dabei mindestens zweimal höher als die Ausgaben für den Jahrhundertbau.

Der Mauschel-Deal zwischen Smolny und Gazprom ist hinfällig


Risiken und Nebenwirkungen dieser Mauschelei blieben dabei ausgeklammert – genauso wie die Frage, warum die Stadt Gazprom über den Eigenbedarf von 62.000 Quadratmeter Bürofläche auch noch 220.000 Quadratmeter andere Flächen in dem Riesen-Turm schenken sollte, die dann die Energetiker – und nicht etwa die Stadt - gewinnbringend vermieten könnten.

Nun scheint das Projekt rechtlich und finanziell gerade gerückt. Offiziell begründeten die Initiatoren dies mit dem vor der Verabschiedung stehenden neuen staatlichen „Budgetkodex“, der Subventionen an Privatunternehmen verbietet – was aber eigentlich schon länger bekannt war.

Keine Rückendeckung aus dem Kreml und vom Wähler


Doch darüberhinaus scheinen Matwijenko und Miller begriffen zu haben, dass das Protz-Projekt politisch nicht zu halten sein wird: Einerseits zeigt sich die staatliche Elite bis hinauf zu Wladimir Putin nicht einhellig begeistert von den Turm-Plänen – was sie zwangsweise wäre, wenn der Bau den Rang eines vom Kreml verordneten Staatszieles hätte.

Und andererseits erlebte bei den Stadtparlamentswahlen eine Woche zuvor ihre Hauspartei „Einiges Russland“ eine Pleite und errang statt der angepeilten absoluten Mehrheit nur 37 Prozent. Gepunktet haben dagegen vor allem die Kommunisten und die „linken Putinisten“ vom neu gegründeten „Gerechten Russland“, die ihr Nein zum Wolkenkratzer als Wahlkampfargument nutzten.

Kippt der Wolkenkratzer – gottlob noch auf dem Papier?


Der gedrehte Wind dürfte nun als nächstes auch die angepeilte Höhe von 300 Metern ins Wanken bringen. Nach dem geltenden Baureglement zum Schutz des Stadtbilds sind an diesem Standort nur 48 Meter erlaubt. Allerdings ist diese Höhenverordnung gegenwärtig nur provisorisch in Kraft und sollte eigentlich in diesem Jahr festgeschrieben werden.

Anzeichen dafür, dass der Turmplan kippt, ergaben sich unlängst schon auf einer Sitzung des städtischen „Kulturerbe-Beirates“. Der Expertenrunde wurde vom städtischen „Generalplan-Institut“ ein neues Schema zur Begutachtung vorgelegt. Am Bauplatz des Gazprom-Giganten sah es an der Newa-Fassade nur 48 Meter und an der Rückfront der Parzelle 100 Meter Bauhöhe vor – allerdings nicht nur für eine „Nadel“, sondern eine ganze Reihe von Hochhäusern.

Gut möglich, dass man in der vom Sturm der Entrüstung zerzausten Stadtverwaltung schon insgeheim darüber nachdenkt, das „Ochta-Center“ also eher in die Breite als in die Höhe wachsen zu lassen. Ob das allerdings dezenter aussehen wird, muss sich noch zeigen.

(ld/.rufo/St.Petersburg)


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