Donnerstag, 24.02.2005
Erfolgreiche Jagd auf Roter OktoberMoskau. Russlands älteste Schokoladenfabrik „Roter Oktober“ zieht um. Noch steht sie ein paar hundert Meter vom Kreml entfernt, direkt im Zentrum der Hauptstadt, aber die Tage des historischen Süßwarenwerks sind nach dem Tod des Fabrikdirektors Anatoli Daurski gezählt. Der „Rote Oktober“ muss Luxus-Appartments für russische Superreiche weichen.
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Vor rund 150 Jahren gründete der Deutsche Ferdinand Theodor von Einem die „Schokoladenkonfekt und Teegebäck Dampffabrik-Gesellschaft“. Das Unternehmen wurde nach der Oktoberrevolution verstaatlicht und auf einen Namen im Sinne der Zeit umgetauft: „Roter Oktober“ wie das Traktorenwerk in Stalingrad, die Maschinenfabrik in Charkow und Dutzende anderer Unternehmen und Kolchosen in Sowjetrussland.
Roter Direktor geht in der Marktwirtschaft nicht unter
Das Süßwarenwerk überlebte die Kaiserzeit, den Kommunismus, beide Weltkriege und die Wende. Letzteres dank ihrem Leiter Anatolij Daurskij. Der ehemalige „rote Direktor“, wie Chefs sowjetischer Staatsbetriebe damals hießen, stellte sich im Gegensatz zu seinen von der freien Marktwirtschaft überraschten Kollegen den Herausforderungen des neuen Systems. Sein „Roter Oktober“ nahm erfolgreich den Wettbewerb gegen internationale Konzerne wie „Nestle“, „Mars“ und „Kraft“ auf.
1994 wurde „Roter Oktober“ eine Aktiengesellschaft. 1995 wehrte Daurski den Versuch einer feindlichen Übernahme erfolgreich ab. Der Herausforderer, „Allianz-MENATEP“-Generaldirektor Jurij Millner, verfasste hinterher sein Buch „Der erste offene Wettbewerb in Russland: eine Lektion vom ‚Roten Oktober’“.
2002 erwarb die „Guta Gruppe“ bei ausländischen Investoren ein 30-prozentiges Aktienpaket und wurde somit Besitzer der Schlemmerfabrik. Wie sich Surab Hubulawa, ein Kollege Daurskijs erinnert, sei der Direktor ein bescheidener Mensch gewesen: „Er hätte Oligarch werden können, tat es aber nicht. Seine Arbeiter war ihm wichtiger. Er vergaß alles andere“, etwa, das Kontrollpaket zu ersteigern. Am Montag starb Daurski im Alter von 71 Jahren.
Denkmalschutz ist zweitrangig
Jetzt steht dem Umzug, der bereits seit Ende September vergangenen Jahres bekannt ist, nichts mehr im Wege. Neue Heimat der Schokolade wird das Gelände des Süßwarenherstellers „Babajewski“. Anstelle der alten Fabrik, die vollständig abgerissen wird, entsteht die Elite-Wohnsiedlung „Goldene Insel mit Vergnügungszentren und Konsumpalästen. Denkmalschutz hin oder her.
Rein theoretisch dürfte sich an der Schokolade selbst nichts ändern. Die Kapazitäten werden erhöht, die Anlagen modernisiert, die Räume besser klimatisiert. Aber dafür wird sich nie wieder ein ausländischer Tourist bei einer Schifffahrt auf dem Moskau-Fluss darüber wundern, warum es ausgrechnet am Kreml so lecker riecht.
(ali/.rufo)
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