Mittwoch, 20.04.2005
Baudenkmäler: Adlige wollen ein Wort mitredenSt. Petersburg. Die Diskussion um die Privatisierung von historischen Bauten hat einen neuen Akzent bekommen die Erben der vorrevolutionären Besitzer erheben Anspruch auf ihre ehemaligen Paläste.
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Nachkommen der nach der Revolution entschädigungslos enteigneten und zur Emigration gezwungenen alten Adelsgeschlechter Scheremetjew, Jusssupow oder Obolenski trafen sich unlängst in Petersburg, um ihrer Sorge um die bevorstehende Privatisierung von Baudenkmälern Ausdruck zu verleihen.
Bisher hatte die alte russische Aristokratie nur sporadisch Ansprüche auf ihren einstigen Besitz erhoben. Und wenn, dann ging es um verwahrloste Ländereien, an denen niemand anderes Interesse zeigte. Doch nun sollen nach dem Willen der Regierung staatseigene Gebäude von immensem Wert in Privathand überführt werden. Für die Nachkommen der Alteigentümer dieser Immobilien ist dies ein Signal, ihre Stimme zu erheben.
Käufer und Erben im Wettstreit
Boris Turowski, Vorsitzender einer Vereinigung russischer Emigranten, bringt das Problem auf den Punkt. Gegenüber der „Iswestija“ erklärte er, nach dem Verkauf würden die betroffenen Häuser faktisch zwei Besitzer haben den Käufer und den Erben. Letzterer könne mit seiner Besitzurkunde vor einem internationalen Gericht Anspruch anmelden und dabei sogar auf Erfolg hoffen.
Der Staat soll sich offiziell entschuldigen
Die Adligen wollen indes nicht zum totalen Angriff auf den russischen Staat als Rechtsnachfolger der Enteigner blasen. Ihnen geht es ums Prinzip und um moralische Wiedergutmachung. Turowski: „Wir wollen einfach, dass der Staat offiziell die Widerrechtlichkeit der Nationalisierung von Eigentum in den 1920er Jahren bekennt und sich dafür entschuldigt, dass die Menschen aus ihren eigenen Häusern und ihrem eigenen Land vertrieben wurden.“
Fürstin Vera Obolenskaja spricht sich dafür aus, dass Staat und Erben gemeinsam die Privatisierung vornehmen. Dass sie wirtschaftliche Interessen verfolgen, weisen die Aristokraten brüsk zurück. Ihnen gehe es allein um das Wohl Russlands, gab Fürst Dmitri Schachowskoi zu bedenken. Der Nachfahre der Zaren-Dynastie der Rurikiden zählt dabei ganz nebenbei elf Jahrhunderte Dienst am Vaterland auf, in denen sein Geschlecht „sich angewöhnt hat, etwas für dieses Land zu tun“. Kurzum die Adligen wollen verhindern, dass die Gebäude in die falschen Hände geraten.
Rechtsgrundlagen sind durchaus vorhanden
Alexej Kometsch, Experte für Baudenkmäler am Institut für Kunstwissenschaften beim Kulturministerium der Russischen Föderation, verweist auf die bereits heute im Gesetz verankerte Möglichkeit, den Erben der einstigen Besitzer Vorteile beim Erwerb der Immobilien einzuräumen oder sie ihnen völlig kostenlos zu übereignen. Die Frage sei allerdings, ob diese in der Lage wären, die Gebäude zu restaurieren und instand zu halten. Dies ist aber eine Bedingung bei der Übergabe von Architekturdenkmälern in Privateigentum.
Unterstützung in der Duma
Alexander Tschujew, Abgeordneter der Staatsduma und einer der Autoren des Gesetz über die Rückführung von Kulturgütern, findet die Ansprüche der Aristokraten nur gerecht: Wenn wir einen Rechtsstaat aufbauen wollen, müssen wir auf Staatsebene der Nationalisierung eine moralische Bewertung geben. Und sollte die Privatisierung von historischen Baudenkmälern ohne Berücksichtigung der Rechte der einstigen Besitzer durchgeführt werden, so wäre dies sowohl ungesetzlich als auch unmoralisch.“
(sb/.rufo)
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