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Donnerstag, 06.02.2003

Talentiert, schön, verliebt

Von Katja Tichomirowa, Moskau. Die beiden jungen Frauen, die einander innig umarmen, erwecken den Eindruck, als täten sie dies in einem britischen Mädchenpensionat. Zwar sind die karierten Faltenröckchen ein wenig kurz geraten, die hochgeschlossenen weißen Blusen von Lena Katina und Yulia Wolkowa aber machen auch im skandalösen Moment des Kusses noch einen frisch gestärkten Eindruck.

Dass diese Kuss-Szene eines Musik-Videos der russischen Mädchenband t.A.T.u. in Großbritannien für einen Skandal sorgt, mag man nicht recht glauben. Es sei denn, die Briten hielten es für nötig, im Zeichen bevorstehender Feldzüge die Moral der Heimatfront mit viktorianischer Elle zu messen. In Moskau dagegen hält man es für wahrscheinlicher, dass der Vorwurf, bei dem Video handele es sich um Pornographie, schlimmer noch um Kindersex, sich dem Erfolg des Duos verdankt. t.A.T.u. hält den ersten Platz der britischen Charts.

Dass ihnen dieser Erfolg streitig gemacht werden soll, gilt wiederum den Russen als Angriff auf die nationale Ehre. In diesem Sinne jedenfalls äußerte sich am Dienstag die Moskauer Tageszeitung „Wremja Nowostej“. Anspielend auf den russischen Titel des Skandalstücks: „Ja soschla s uma“ (zu deutsch: Ich habe den Verstand verloren) mutmaßte „Wremja Novostej“, die beiden britischen Fernsehmitarbeiter, Judy Finnigan und Richard Medley, die das t.A.T.u.-Video als „krankhaft“ und als „Pädophilen-Pop“ bezeichnet hatten, seien offenbar im Begriff, den Verstand zu verlieren.

In jedem Fall sorgt die künstliche Aufregung um Lena (19 Jahr, blondes Haar) und Yulia (17 Jahre und brünett) für reichlich Publicity. Nicht nur in dieser Hinsicht haben die russischen Musikproduzenten inzwischen von ihren westlichen Kollegen gelernt: „Yulia und Lena“, heißt es auf einer ihrer zahlreichen Webseiten, „sind alles, was Britney Spears gern sein möchte: talentiert, schön und verliebt in jemanden, der sie wieder liebt.“

Den Erfolg in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA verdankt das Duo vor allem den Ideen seines Gründers und Produzenten, Iwan Schapowalow. Schapalow, studierter Psychologe, der in Moskau inzwischen als Guru der Werbebranche gilt, suchte die beiden Teenager vor drei Jahren aus Hunderten von Bewerber eines öffentlichen Talentwettbewerbs aus. Er setzt darauf, dass die beiden jungen Damen - internationalen Erfolgen zum Trotz – ihre Heimatverbundenheit betonen. Simples Schwarz-Weiss-Denken liegt den Russen nicht, sagt Yulia, „wir haben eine andere Sicht der Dinge, vielleicht ein wenig tiefer, weil das Leben in Russland schwieriger ist.“

Dass Schapalow die Aufregung um die Kuss-Szene des Videos missfällt, wie er sagt, muss man ihm nicht glauben. Das Spiel mit der vorgeblichen Homosexualität seiner Schützlinge dürfte Schapalow bereits eine Menge Geld eingebracht haben. Dass Lena und Yulia tatsächlich ein lesbisches Pärchen sind, bestreitet Schapalow. „Das Projekt t.A.T.u. hat viele Facetten“, erklärte er dem Musikmagazin „Neon“. Er habe nicht vor sich oder die Gruppe auf irgendetwas festzulegen. „Alles, was t.A.T.u, in Zukunft tun wird, wird modern und sexy sein“, versprach er. Und es werde Kultcharakter haben.

Dass der Name der Band – t.A.T.u. bedeutet so viel wie „Eine hat die andere“ - als Anspielung auf das Liebesleben des Duos verstanden werden könnte, will die Pressesprecherin von t.A.T.u., Beata Ardeewa, gar nicht bestreiten. Gerüchte, eines der beiden Mädchen sei bereits seit einem Jahr verheiratet, weist sie dagegen zurück. „Das ist Unsinn“, sagte Ardeewa der Berliner Zeitung am Mittwoch. Auch dass beide einen „Boyfriend“ haben wollte sie nicht bestätigen.

Mehr im Internet:
• Offizielle Webseite der Gruppe
• Deutschsprachige Fanseite tatu-online

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Yulia und Lena jedenfalls scheinen die unschuldigen Küsse vor der Kamera nicht geschadet zu haben. Ihr Realitätssinn ist ungebrochen. Das Showbusiness ist „ein Haufen Scheiße“, findet Lena, die später einmal Psychologie studieren möchte. Yulia, die bereits jetzt Gesang an der Moskauer Gnesinskij Musik-Schule studiert, drückt sich etwas zurückhaltender aus: „Die Leute lieben uns oder sie hassen uns. In jedem Fall reden sie über uns.“

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