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Wladimir Schirinowski erwägt öffentlich seinen Rückzug als Parteichef (Foto: Berinowa/.rufo) |
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Freitag, 14.12.2012
Schirinowski liebäugelt mit Rücktritt als ParteichefMoskau. Wladimir Schirinowski, ein Urgestein der russischen Politik, will zumindest eigenen Angaben nach zurücktreten. Schirinowski hat Politik in Russland zur Show gemacht, für ihn selbst war sie stets Geschäft.
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Noch habe ich genug Kraft, doch künftig muss die Funktion des Parteivorsitzenden abgeschafft und durch ein kollektives Gremium ersetzt werden. Wir werden wohl ins Statut aufnehmen, dass dieses Gremium alle Entscheidungen trifft, kündigte Wladimir Schirinowski auf einer Parteiversammlung der LDPR an. Der Vorschlag Schirinowskis könnte schon auf dem nächsten Parteitag im März erörtert werden.
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Schirinowski seit Anbeginn Parteichef
Freilich ist noch unklar, ob es sich um einen Schreckschuss Schirinowskis oder tatsächlich um eine langsame Machtübergabe wenn, dann vermutlich an seinen Sohn handelt. Denn die LDPR ist Schirinowskis Partei. Er hat sie 1989 noch als Liberaldemokratische Partei der Sowjetunion gegründet mit dem Geld des KGB, wie böse Zungen bis heute behaupten.
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1992 wurde sie in Liberaldemokratische Partei Russlands umbenannt, wobei der Name von Anfang irreführend war. Die Partei war nie weder liberal, noch besonders demokratisch. Stattdessen bearbeitete der Populist Schirinowski zielgerichtet den rechten Rand der russischen Gesellschaft. Er bediente nationalistische und sexistische Vorurteile genauso wie antiwestliche Ängste und imperiale Träume.
Frauen sollten zu Hause sitzen, weinen, stopfen und kochen, sagte er einmal. Russische Soldaten werden ihre Stiefel noch im Indischen Ozean waschen, bei anderer Gelegenheit. Zwar war er als Präsidentschaftskandidat (5x) stets chancenlos, doch auf dem Höhepunkt seiner Popularität machte er die LDPR mit 22,9 Prozent zur stärksten Partei in der Duma.
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Kritik am Kreml und gleichzeitig dessen Erfüllungsgehilfe
Er kritisierte fleißig die Obrigkeit in Russland und gab den kleinen Mann von der Straße. Gleichzeitig stimmte die LDPR in der Duma stets für die dem Kreml wichtigen Projekte ab, so wie zuletzt bspw. bei der Ernennung Dmitri Medwedews zum Premierminister, der Verschärfung des Demo-Rechts oder dem Ausschluss des Oppositionellen Gennadi Gudkow aus der Duma.
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Die LDPR ist der wichtigste Besitz seiner Familie, urteilt daher der Politologe Waleri Solowjej. Seinen Angaben nach ist Schirinowski mit inzwischen 66 Jahren allerdings müde geworden und will sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, um in Hintergrund die Fäden zu ziehen. Als neuer starker Mann könnte Schirinowskis Sohn Igor Lebedew (hat bei der Heirat den Nachnamen seiner Frau angenommen) die LDPR führen, vermutet er.
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Rückzugsankündigung ist Farce
Doch eine Zukunft der LDPR ohne ihren charismatischen Einpeitscher können sich nicht alle politischen Beobachter vorstellen: Juri Korgunjuk von der Stiftung Indem erklärte, die LDPR werde ohne Schirinowski aufhören zu existieren. Daher ist sein Vorschlag einfach nur eine Farce, meint er.
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Das scheint auch Schirinowski selbst so zu sehen. Ich gebe meinen Posten mit Vergnügen ab, aber es gibt keine Bewerber. Wer will?, fragte er auf dem Parteitag provokativ in die Runde, um dann warnend hinzu zu setzen, dass das Rating der LDPR ohne ihn ins Leere fallen werde und sie den Einzug in die Duma verpassen würde. Vielleicht ist seine Ankündigung, sich zurückzuziehen also auch nur ein Warnschuss an die Parteigenossen.
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Cello 14.12.2012 - 09:09
" Schiri " please dont go!
@Uwe Niemeier
Ihre Worte in Cello\'s Ohr!
Schliesse mich Ihrer Bitte an. Fuer mich ist er einer der besten Rhetoriker in der russischen Politik auch wenn der Inhalt nicht immer meine Meinung vertritt, was auch nicht sein muss!
Uwe Niemeier 14.12.2012 - 08:59
Macht und Popularität sind wie Rauschgift ...
... einmal davon gekostet, macht es süchtig nach mehr. Und um davon wegzukommen braucht es einer Entziehungskur. Die kann freiwillig oder per Zwang erfolgen. Ich sehe niemanden in Russland der Schirinowski zwingt und für einen freiwilligen Entzug bedarf es eines echten, starken Willens. Und, da gebe ich dem Verfasser des Artikels recht, dieser Wille dürfte nicht wirklich gegeben sein. Er versteht es immer sich rechtzeitig in Erinnerung zu bringen. Er versteht es auch - ob im Auftrag oder nicht keine Ahnung - Dinge zu sagen, die eigentlich andere sagen wollen, dies aber aufgrund ihrer politischen/gesellschaftlichen Stellung nicht sagen können.
Also, Herr Schirinowski, bleiben Sie uns bitte noch ein wenig in vorderster Front erhalten - das politische Leben wäre um einen Farbtupfer ärmer und unlustiger.
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